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Thema: Deutsche Politik im Ersten Weltkrieg

  1. #1
    Vorstand der Stammchatter Benutzerbild von Mark Mallokent
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    Standard Deutsche Politik im Ersten Weltkrieg

    Ich lese gerade ein interessantes Buch, nämlich die Memoiren von Johann Heinrich Bernstorff, dem deutschen Botschafter in den USA von 1908 bis 1917, d. h. bis zum Kriegseintritt der USA. Danach war er ebenfalls als Botschafter in Konstantinopel; dann nach Kriegsende Abgeordneter und Diplomat, der vor allem im Völkerbund tätig war.
    Es ist heute fast vergessen, daß fundierte Kritik an der deutschen Politik der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zuerst von deutschen Diplomaten kam. Diese hatten eben Einblick in Vorgänge, von denen der Bürger kaum etwas mitbekam, da Diplomatie damals fast völlig im Geheimen betrieben wurde. Es war der Freiherr von Eckardstein, seinerzeit Botschaftsrat in London, der zuerst verriet, daß um 1900 herum die britische Regierung mehrfach versucht hatte, ein Bündnis mit Deutschland einzugehen, was aber durch die blödsinnige Politik Wilhelms II. und Bülows verhindert wurde.
    Ein ähnliches Bild entwirft auch Bernstorff, dem es lange gelang, die USA neutral zu halten, wie die deutsche Regierung Präsident Wilson immer wieder brüskiert hat und seine Vermittlungsbemühungen scheitern lies - mit dem bekannten Resultat.
    Auch aus seiner Zeit in Konstantinopel bringt er interessante Details: Erwähnt sei seine Chararkteristik von Taalat Pacha, dem Hauptverantwortlichen für die Armeniermorde. Originalzitat: „Als ich ihm immer und immer wieder wegen der armenischen Frage zusetzte, sagte er mir lächelnd: Was wollen sie denn? Die Frage ist erledigt. Es gibt keine Armenier mehr.“
    Was ich nicht wußte: Auch die deutsche Regierung bzw. Bernstorff hat damals mit der verbündeten türkischen Regierung über die Errichtung eines Jüdischen Nationalheims in Palestina verhandelt. Das ist dann in der Weimaer Republik weitergeführt worden. Bernstorff war hier der Präsident des „Deutschen Komitees Pro Palestina“ die in Zusammenarbeit mit der Jewish Agency für die Gründung einer jüdischen Heimstätte eintrat. Aus naheliegenden Gründen wurde sie 1933 aufgelöst.
    Das nur ein kleiner Überblick: Wen es interessiert, der lese Johann Heinrich Bernstorff, Erinnerungen und Briefe, Zürich 1936.
    Ich stehe hier, ein Herkules mit Fackeln! Sie sollen lodern, leuchten, knistern und auch knackeln!
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  2. #2
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    Standard AW: Deutsche Politik im Ersten Weltkrieg

    Zu dieser Epoche gibt es viele interessante Werke, ich persönlich habe "Die nervöse Großmacht" gelesen, was sich zu etwas über der Hälte mit dem Kaiserreich befasste; zur anderen mit der vorwilhelminischen Bismark-Ära ab 1871.

    Auf die Person Kaiser Wilhelms fixiert, damit einhergehend jedoch viele Details über das damalige Zeitgeschehen enthaltend, ist das Buch "Kaiser Wilhelm und seine Zeit".

    Ob durch das sture Festhalten an der Flottenpolitik oder durch das Festhalten an einem totalen Sieg in einer Zeit, da ein Friedensschluß auf Augenhöhe möglich schien im Frühjahr 1918, die deutsche Politik dieser Zeit hat schlichtweg mehrmals versagt.

    Kaiser Wilhelm II. trifft nicht so eindeutig die Hauptschuld, wie das heutzutage vereinfachend dargestellt wird, der als Held verehrte Bismark hatte auch so seinen Anteil am Verhängnis. Nachdem er - das völlig zurecht - das Vertrauen des Kaisers nicht mehr genoss, gab es schlichtweg keine politischen Talente mehr, das Bündnis mit Russland war de facto nicht mehr vorhanden, der Bruch vorprogrammiert.

    Im ersten Weltkrieg selbst, ist übrigens zu bezweifeln, inwieweit Kaiser Wilhelm und von Hollweg überhaupt noch die deutsche Politik bestimmten und inwieweit sie nicht eher von Ludendorff gelenkt wurde!

  3. #3
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    Standard AW: Deutsche Politik im Ersten Weltkrieg

    Kaiser Wilhelm II. trifft nicht so eindeutig die Hauptschuld, wie das heutzutage vereinfachend dargestellt wird, der als Held verehrte Bismark hatte auch so seinen Anteil am Verhängnis
    Kaiser Wilhelm II. und seine Leute trifft genaugenommen eigentlich kaum eine Schuld. Jeder Krieg hat seine Architekten und die Architekten für diesen Krieg saßen in England:

    Nach Bismarcks Abgang 1890 kam entscheidende außenpolitische Wende:

    1882:
    Geheimer Dreibundvertrag mit Militärbündnis zwischen dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn und Italien für den Fall eines französischen Angriffs auf Italien oder das Deutsche Reich.

    1887: Erneuerung des Dreibundvertrages (weitere Erneuerungen 1891,1902 und 1912)

    1887: Geheimes Neutralitätsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und Rußland (begrenzt auf drei Jahre) für den Kriegsfall; ausgeschlossen sind ein russischer Angriffskrieg gegen Osterreich-Ungarn und ein deutscher gegen Frankreich (sog. Rückversicherungsvertrag). In einem ganz geheimen Zusatzprotokoll wird das russische Interesse an dem Zugang zum Schwarzen Meer anerkannt.

    1890: Rückversicherungsvertrag von Deutschland nicht erneuert. Entscheidende außenpolitische Wende.

    1891: Abkommen zwischen Frankreich und Rußland über wechselseitige Verständigung bei drohender Kriegsgefahr.

    1892: Französisch-russisches Militärbündnis: Sollte einer der Vertragspartner von einer Dreibundmacht unter Beteiligung Deutschlands angegriffen werden, so ist der andere zum Kampf gegen Deutschland mit allen Kräften verpflichtet.

    1904: Französisch-britischer Kolonialvertrag: Beendigung aller Streitigkeiten In Übersee. Allgemein politisches Einvernehmen (entente cordiale).

    1907: Britisch-russischer Vortrag über Persien, Beendigung der kolonialen Streitigkeiten.

    1908: Bekräftigung der britischen und russischen Entente (unter Hinzuziehung Frankreichs, "Dreiverband").

    1912: Französisch-russische Marinekonvention, Zusammenarbeiten der Seestreitkräfte Im Kriegsfall.

    1912: Vereinbarung betreffs Übernahme des Schutzes der französischen Nordseeküste durch Großbritannien Im Kriegsfall.

    Die Einkreisung abgeschlossen.

    Die Automatik der Mobilmachungen 1914
    25. Juli 15:00 Serbien befiehlt Mobilmachung.
    21.00 Österreichs Teilmobilmachung gegen Serbien.
    26. Juli 03:26 Rußland befiehlt Kriegsvorbereitungsperiode.
    29. Juli nachmittags Großbritannien erklärt Zustand der drohenden Kriegsgefahr.
    abends Rußland befiehlt Teilmobilmachung gegen Österreich-Ungarn.
    30. Juli 18:00 Rußland befiehlt Gesamtmobilmachung.
    Frankreich befiehlt Mobilmachung des Grenzschutzes; Deutschland befiehlt „Sicherung" für die Flotte.
    31. Juli morgens Österreich-Ungarn befiehlt Grenzschutz gegen Rußland.
    12:23 Österreich-Ungarn befiehlt Gesamtmobilmachung
    13:00 Deutschland befiehlt Grenzschutzaufstellung (drohende Kriegsgefahr).
    19:00 Belgien befiehlt Mobilmachung.
    1. August 16:30 Frankreich befiehlt Mobilmachung.
    17.00 Deutschland befiehlt Mobilmachung.
    18.00 Grenzüberschreitung russischer Kavallerie.
    2. August 02:25 Großbritannien befielt Mobilmachung der Flotte (Probemobilmachung bereits seit Mitte Juli).
    5. August morgens Großbritannien befiehlt Mobilmachung der Armee.
    4. August 16.00 Beginn der Feindseligkeiten Im Westen.

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    "Wäre morgen jeder Deutsche beseitigt, so gäbe es kein englisches Geschäft noch irgendein englisches Unternehmen, das nicht zuwüchse. Verschwände jeder Engländer morgen, so hätten die Deutschen im gleichen Verhältnis ihren Gewinn. Einer von beiden muß das Feld räumen. Macht euch fertig zum Kampf mit Deutschland, denn Germania est delenda!" (frei nach Cato: "Deutschland muß vernichtet werden!")
    Die angesehene britische Zeitung "Saturday Review", an der vier spätere Nobelpreisträger mitarbeiteten, am 1. Februar 1896 (!) (Quelle: DER SPIEGEL, 51/1998)

  4. #4
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    Standard AW: Deutsche Politik im Ersten Weltkrieg

    Zitat Zitat von Neutraler
    ... vollzitat ...
    Es stimmt allerdings, was im Eingangsstrang gesagt wurde, England war bereit zu einem Bündnis mit dem deutschen Reich um die Jahrhundertwende, daran ändert auch ein britischer Zeitungsartikel nichts. Es gab zu der Zeit antideutsche Ressentiments in Großbritannien, wie das umgekehrt im deutschen Reich ebenso der Fall war.

    Woran es politisch scheiterte, war, dass Kaiser Wilhelm II. nicht bereit war, die Aufrüstung der deutschen Kriegsmarine einzustellen, da sich diese im Krieg als nutzlos erwies, eine britische Seeblockade zu verhindern, ein glattes Versagen der deutschen Politik.

    Das Bündnis mit Rußland scheiterte an den hohen Einfuhrzöllen, die das deutsche Reich über russische Agrarprodukte verhängte; das übrigens noch unter Bismark! => gegenseitiger Streit => Streichung deutscher Kredite => Russland beschafft sich bei Frankreich Kredite => Russland und Frankreich sind damit eh schon auf Gedeih und Verderb aufeinander angewisen.

    Die einzigen Mächte, die sich unversöhnlich gegenüberstanden waren Frankreich und Deutschland, die hatten nur das Ziel den anderen niederzuwerfen. Zu einvernehmlichen Lösungen war man auf keiner Seite bereit.

    Der Versuch, die Kriegsschuld einseitig auf England zu schieben, führt nicht weiter, das belegt auch der Zeitungsartikel nicht.

    Was der deutschen Politik im damaligen Kontext allerdings spezifisch vorzuwerfen ist, ist eine desolate Bündnispolitik! Diese ist jedoch nicht allein die Schuld Kaiser Wilhelms II.

  5. #5
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    Standard AW: Deutsche Politik im Ersten Weltkrieg

    Zitat von Neutraler: "Kaiser Wilhelm II. und seine Leute trifft genaugenommen eigentlich kaum eine Schuld. Jeder Krieg hat seine Architekten und die Architekten für diesen Krieg saßen in England"
    Ich staune immer wieder, wie erfolgreich die deutsche Propaganda im Ersten WK heute noch ist. Daß England der Hauptschuldige am ersten WK war, ist von den deutschen Flottenpropagandisten mit Leidenschaft verbreitet worden, ohne jeden Beweis. Tatsächlich ist gerade England der Staat gewesen, dessen Regierung am wenigsten schuldig geworden ist.

    Machen wir uns das Ganze mal an einem Beispiel klar: Neutraler weist ja auf folgendes Zitat aus einer englischen Zeitung hin.
    "Wäre morgen jeder Deutsche beseitigt, so gäbe es kein englisches Geschäft noch irgendein englisches Unternehmen, das nicht zuwüchse. Verschwände jeder Engländer morgen, so hätten die Deutschen im gleichen Verhältnis ihren Gewinn. Einer von beiden muß das Feld räumen. Macht euch fertig zum Kampf mit Deutschland, denn Germania est delenda!" (frei nach Cato: "Deutschland muß vernichtet werden!")
    Die angesehene britische Zeitung "Saturday Review", an der vier spätere Nobelpreisträger mitarbeiteten, am 1. Februar 1896 (!) (Quelle: DER SPIEGEL, 51/1998)

    Also weil 1896 eine englische Zeitung etwas behauptet, muß es 1914 richtig sein. Hier müßte zunächst einmal nachgewiesen werden, daß dies die Ansicht der damaligen englischen Regierung war, daß diese jene Meldung "inspiriert" hätte, wie man das damals nannte.
    Tatsächlich ist die Sache viel interessanter: Dieser Artikel ist nämlich 1908 von Tirpitz im Zuge der Flottenpropaganda ausgegraben worden (etwas geeigneteres, um England anzuschwärzen, hat er nicht gefunden), und – um den deutschen Flottenbau zu begründen – vom Pressebüro des Admiralstabs in ganz Deutschland verbreitet worden. Von der deutschen Regierung und der deutschen Botschaft in London ist der Artikel dagegen nicht im geringsten ernstgenommen worden.
    Wer dies nachlesen will, sei verwiesen auf die grundlegende Quellensammlung zur deutschen Politik vor dem ersten Weltkrieg: Die große Politik der europäischen Kabinette, hg. Von Friedrich Thimme u. a.., Bd. 28,1, Nr. 10231, 10234, 10235, 10244.
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  6. #6
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    Standard AW: Deutsche Politik im Ersten Weltkrieg

    Woran es politisch scheiterte, war, dass Kaiser Wilhelm II. nicht bereit war, die Aufrüstung der deutschen Kriegsmarine einzustellen, da sich diese im Krieg als nutzlos erwies, eine britische Seeblockade zu verhindern, ein glattes Versagen der deutschen Politik.
    Damit hätte sich Deutschland auf Gedeih und Verderb den Engländern ausgeliefert. Deutschlands Außenhandel und seine Kolonien, ja sogar die Sicherheit seiner Küste wäre spielend einfach von den Englands Flotte bedroht gewesen. Es hing dann alles davon, ob Deutschland in Englands Gunst stand oder nicht. Und wie wir aus der Geschichte gelernt haben sind politische Verträge nur so lange gültig, bis eine der beiden Seiten keinen Nutzen daraus mehr ziehen kann. Englands Hauptgrund für den Krieg war die Venrichtung der deutsche Wirtschaft und die Eroberung seiner Kolonien. Deutschlands Flotte war 1914 keine Bedrohung für die zahlenmäßig weit überlegene englische Flotte, die zudem noch auf die Hilfe der französischen und russischen, je nach dem auch der amerikanischen Flotte hoffen konnte.

    Englands Gründe für den Krieg gegen Deutschland werden im folgenden Gespräch noch einmal deutlich:

    In der Biographie des ehemaligen US-Diplomaten Henry White ist ein Gespräch zwischen White und dem Führer der Konservativenpartei Englands und vormaligen Premierminister Lord Balford überliefert, das beide 1910 in London führten:
    Balford:
    Wir sind wahrscheinlich töricht, dass wir keinen Grund finden, um Deutschland den Krieg zu erklären, ehe es zu viele Schiffe baut und uns unseren Handel wegnimmt.
    White:
    Sie sind im Privatleben ein hochherziger Mann. Wie können sie etwas politisch so unmoralisches erwägen, wie einen Krieg gegen eine harmlose Nation zu provozieren, die genauso gut wie sie das Recht hat, eine Flotte zu unterhalten?
    Wenn sie mit dem deutschen Handel mithalten wollen, arbeiten sie härter!
    Balford:
    Das würde bedeuten, dass wir unsere Lebensstandart senken müssten. Vielleicht wäre ein Krieg einfacher für uns.
    White:
    Ich bin schockiert, dass sie sich zu grundsätzlichen Fragen so äußern können.
    Balford:
    Ist das eine Frage von Recht oder Unrecht? Vielleicht ist das aber eine Frage der Erhaltung unserer Vorherrschaft.

    Das Bündnis mit Rußland scheiterte an den hohen Einfuhrzöllen, die das deutsche Reich über russische Agrarprodukte verhängte; das übrigens noch unter Bismark! => gegenseitiger Streit => Streichung deutscher Kredite => Russland beschafft sich bei Frankreich Kredite => Russland und Frankreich sind damit eh schon auf Gedeih und Verderb aufeinander angewisen.
    Wohl eher an Russlands Panslawismus, dass das riesige Reich nach West expandieren ließ, da dort die meisten Slawen außerhalb Russland lebten. Um Russland nach Westen in Richtung Deutschland und Österreich-Ungarn zu treiben ermutigten die Engländer 1904/5 die Japaner, dem russischen Expansionsdrang im Fernen Osten ein Ende zu setzen und drei Jahre später erfolgte der britisch-russische Vertrag über Persien und Beendigung der kolonialen Streitigkeiten in diesem Gebiet. Damit war Russland entgültig dazu verleitet, nach Westen zu expandieren.

    Die einzigen Mächte, die sich unversöhnlich gegenüberstanden waren Frankreich und Deutschland, die hatten nur das Ziel den anderen niederzuwerfen. Zu einvernehmlichen Lösungen war man auf keiner Seite bereit.
    Das kann nur falsch sein. Wenn Deutschland nur das Ziel hatte, Frankreich niederzuwerfen, wieso hat man 1870/71 nicht die Chance genützt? Aus welchen Grund hätte man danach Frankreich niederwerfen sollen? Frankreich hatte wohl eher die Gründe dazu: Deutschlands Wirtschaft war der eigenen Wirtschaft überlegen (Frankreich war nach dne USA, Deutschland und England auf Platz vier der Wirtschaftsmächte), Deutschland war die erste Macht auf dem Kontinent und hatte zudem Elsaß-Lothringen zurückbekommen, dass Frankreich nun wieder zurück haben wollte.

    Der Versuch, die Kriegsschuld einseitig auf England zu schieben, führt nicht weiter, das belegt auch der Zeitungsartikel nicht.
    Russland und Frankreich haben ebenfalls genug dazu beigetragen, aber ohne Englands politische Aktionen in Form von Militärabkommen und Beistandspakte wäre es gar nicht so weit gekommen. Russlands Panslawismus und Frankreichs Revanchismus waren nur nützliche Werkzeuge in den Händen skupelloser englischer Politiker, die all ihr politisches Können aufwenden mussten, um diese Kräfte gegen Deutschland zu lenken und sie zu vereinen, was ja auch geschehen ist. England war die treibende Kraft und dort saßen die eigentlichen Nutznießer eines europäischen Krieges mit dem Ziel der Vernichtung der deutschen Wirtschaftskraft, wenn man mal von den USA absieht, welche letztendlich die eigentlichen Gewinner dieses Völkerringens waren.

    Was der deutschen Politik im damaligen Kontext allerdings spezifisch vorzuwerfen ist, ist eine desolate Bündnispolitik! Diese ist jedoch nicht allein die Schuld Kaiser Wilhelms II.
    Und diese "desolate Bündnispolitik" soll ein Grund für die deutsche Kriegsschuld sein? Das sind höchstens politische Fehler, die aber auf keinen Fall zu einem Krieg hätten führen müssen.

    Ich staune immer wieder, wie erfolgreich die deutsche Propaganda im Ersten WK heute noch ist. Daß England der Hauptschuldige am ersten WK war, ist von den deutschen Flottenpropagandisten mit Leidenschaft verbreitet worden, ohne jeden Beweis.
    Und ich kann mich darüber wundern, dass es so schwierig ist, die englische Kriegspropaganda aus den Geschichtsbüchern zu verbannen.
    In folgenden Artikel findet man bezüglich des Flottenthemas genug Beweise auf englische Kriegspropaganda und wie sie heute noch in unseren Geschichtsbüchern weiter lebt:
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    Tatsächlich ist gerade England der Staat gewesen, dessen Regierung am wenigsten schuldig geworden ist.
    Das wird mit den aufgelisteten Ereignissen von 1882 bis 1912 ab absurdum geführt worden. England war Architekt dieses Krieges, Russland und Frankreich nur Schachfiguren, dessen eigene Interessen geziehlt für einen Krieg mit Deutschland missbraucht wurden.
    Ich kann nur die als Quelle verwendete Internetseite weiterempfehlen.

    Also weil 1896 eine englische Zeitung etwas behauptet, muß es 1914 richtig sein.
    Nicht unbedingt, aber wenn man sich weitere Zitate ansieht hat das Zitat schon seine Richtigkeit gehabt.

    Hier müßte zunächst einmal nachgewiesen werden, daß dies die Ansicht der damaligen englischen Regierung war, daß diese jene Meldung "inspiriert" hätte, wie man das damals nannte.
    Oben habe ich weiteres Zitat gebracht, dessen Inhalt verblüffend ähnlich ist.

  7. #7
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    Standard AW: Deutsche Politik im Ersten Weltkrieg

    Zitat Zitat von Neutraler
    Damit hätte sich Deutschland auf Gedeih und Verderb den Engländern ausgeliefert. Deutschlands Außenhandel und seine Kolonien, ja sogar die Sicherheit seiner Küste wäre spielend einfach von den Englands Flotte bedroht gewesen.
    Das Argument zieht nun wirklich nicht,

    1. Deutschland war nicht in der Lage, mit seiner Flotte seine Kolonien ohne Einvernehmen mit England zu schützen, es reichte nicht einmal um eine brit. Seeblockade zu durchbrechen!

    2. Zum Schutz des schier unendlichen deutschen Küstenstreifens hätten einige U-Boote, Schiffsminen, ggf. wohlplatzierte Bunkeranlagen ausgereicht, zumindest soweit, dass der Aufwand für die Briten in keinem Verhältnis zum Nutzen gestanden hätte!

    Selbst die haushoch unterlegenen konföderierten Staaten von Amerika (Küste ein wenig größer )konnten der in einem nicht vergleichbaren Ausmaße überlegenen Flotte der Vereinigten Staaten erhebliche Verluste zufügen, mit nicht annäherend dengleichen Ressourcen wie das deutsche Reich!

    Das Gespräch wurde 1910 geführt, als längst feststand, dass Deutschland nicht von seiner Flottenpolitik abrücken würde.

    Wohl eher an Russlands Panslawismus, dass das riesige Reich nach West expandieren ließ, da dort die meisten Slawen außerhalb Russland lebten. Um Russland nach Westen in Richtung Deutschland und Österreich-Ungarn zu treiben ermutigten die Engländer 1904/5 die Japaner, dem russischen Expansionsdrang im Fernen Osten ein Ende zu setzen und drei Jahre später erfolgte der britisch-russische Vertrag über Persien und Beendigung der kolonialen Streitigkeiten in diesem Gebiet. Damit war Russland entgültig dazu verleitet, nach Westen zu expandieren.
    Nein, die Würfel waren für Russland viel viel früher bereits gefallen, spätestens in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts, vermutlich noch früher! Nachdem Deutschland Russland keine Kredite mehr gewährte und mit Schutzzöllen vor unlösbare wirtschaftliche Probleme stellte, kam es zum Bündnis mit Frankreich.

    Dieses versuchte Kaiser Wilhelm II. mit dem Zaren auszuräumen, doch der Zar, der sich zwischenzeitlich überrumpeln ließ, konnte an den Realitäten nichts ändern, trotz guter Beziehungen der Romanows zum deutschen Kaiserhaus!

    Das kann nur falsch sein. Wenn Deutschland nur das Ziel hatte, Frankreich niederzuwerfen, wieso hat man 1870/71 nicht die Chance genützt?
    Weil es Deutschland zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab und man lieber die Chance zur Reichsgründung nutzen wollte, als sich in Frankreich womöglich zu Tode zu siegen und ggf. durch zu forsches Auftreten neue Gegner auf den Plan zu rufen? Ich bin mir nichtmal sicher, ob Preußen die Kapazitäten gehabt hätte, ganz Frankreich zu besetzen und dauerhaft zu kontrollieren!

    Danach gab es übrigens die von Bismark eine zeitlang forcierte "Krieg in Sicht Politik" als Reaktion auf die Aufrüstung des franz. Heeres auf ein für Bismark inakzeptables Maß. Die Reaktion: Der Krieg wäre bestenfalls in einer Konstellation möglich gewesen, wie sie im ersten WK vorlag!

    EDIT: [Links nur für registrierte Nutzer]

    (keider nur Wikipedia, aber immer noch besser, als irgendwelche Gedächtniszitate von mir und aus Büchern schreibe ich verständlicherweise ungern ab! die isolation einseitig auf bismarks nachfolger zu schieben, ist meines wissens schlichtweg falsch!)

    Frankreich hatte wohl eher die Gründe dazu: Deutschlands Wirtschaft war der eigenen Wirtschaft überlegen (Frankreich war nach dne USA, Deutschland und England auf Platz vier der Wirtschaftsmächte), Deutschland war die erste Macht auf dem Kontinent und hatte zudem Elsaß-Lothringen zurückbekommen, dass Frankreich nun wieder zurück haben wollte.
    Und dieser Tatsache waren sich eben auch die Deutschen bewußt! Deswegen waren die an einer Niederwerfung Frankreichs interessiert, was einige Militärs auch in die Tat umsetzen wollten, während des russisch-japan. Krieges!

    Es wäre der Beginn einer Hegemonialpolitik gewesen, die vielleicht zum Scheitern verurteilt gewesen wäre, allerdings wären die Chancen wohl höher gewesen als im ersten WK!

    Russland und Frankreich haben ebenfalls genug dazu beigetragen, aber ohne Englands politische Aktionen in Form von Militärabkommen und Beistandspakte wäre es gar nicht so weit gekommen.
    Ohne Russlands auch nicht!
    Übrigens sparst du bei den Kriegsschuldüberlegungen immer das deutsche Reich aus, das ist Diskriminierung!

    Und diese "desolate Bündnispolitik" soll ein Grund für die deutsche Kriegsschuld sein? Das sind höchstens politische Fehler, die aber auf keinen Fall zu einem Krieg hätten führen müssen.
    Es ging in meinen Betrachtungen nicht um die deutsche Kriegsschuld, sondern inwieweit Kaiser Wilhelm II. die Schuld für die Fehlentscheidungen traf!

    Das deutsche Reich hatte in seiner Geburtsstunde einen Erbfeind, entweder hätte es sich mit ihm unter Zugeständnissen verständigen oder aber sich durch eine vernünftige Bündnispolitik absichern müssen.

    Beides hat die deutsche Politik nicht zu Stande gebracht!

    Entschuldige bitte, aber das deutsche Reich von jeder Kriegsschuld loszusprechen, ist abwegig. Es hat in keinster Weise eine konsequente Friedenspolitik betrieben, sondern den Krieg genauso in Kauf genommen, wie andere Mächte.

    Noch 1918 hätte Deutschland auf die Wilson Note eingehen und sich mit den USA verständigen können. Stattdessen hat es in völliger Überschätzung der eigenen Kapazitäten alles auf eine Karte gesetzt und den totalen Sieg angestrebt; übrigens haben viele Militärs ob der Entscheidungen Ludendorffs den Kopf geschüttelt!

    Da ändern auch irgendwelche deutschenfeindlichen Zitate nichts daran, guck, was der alldeutsche Verband so von sich gegeben hat, den könnte man an dieser Stelle genauso zitieren, wie irgendeinen deutschenfeindlichen Zeitungsartikel!
    Geändert von Praetorianer (22.10.2005 um 17:31 Uhr)

  8. #8
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    Neutraler schrieb: "Englands Hauptgrund für den Krieg war die Venrichtung der deutsche Wirtschaft und die Eroberung seiner Kolonien. Deutschlands Flotte war 1914 keine Bedrohung für die zahlenmäßig weit überlegene englische Flotte, die zudem noch auf die Hilfe der französischen und russischen, je nach dem auch der amerikanischen Flotte hoffen konnte.

    Englands Gründe für den Krieg gegen Deutschland werden im folgenden Gespräch noch einmal deutlich:

    In der Biographie des ehemaligen US-Diplomaten Henry White ist ein Gespräch zwischen White und dem Führer der Konservativenpartei Englands und vormaligen Premierminister Lord Balford überliefert, das beide 1910 in London führten:
    Balford:
    Wir sind wahrscheinlich töricht, dass wir keinen Grund finden, um Deutschland den Krieg zu erklären, ehe es zu viele Schiffe baut und uns unseren Handel wegnimmt.
    White:
    Sie sind im Privatleben ein hochherziger Mann. Wie können sie etwas politisch so unmoralisches erwägen, wie einen Krieg gegen eine harmlose Nation zu provozieren, die genauso gut wie sie das Recht hat, eine Flotte zu unterhalten?
    Wenn sie mit dem deutschen Handel mithalten wollen, arbeiten sie härter!
    Balford:
    Das würde bedeuten, dass wir unsere Lebensstandart senken müssten. Vielleicht wäre ein Krieg einfacher für uns.
    White:
    Ich bin schockiert, dass sie sich zu grundsätzlichen Fragen so äußern können.
    Balford:
    Ist das eine Frage von Recht oder Unrecht? Vielleicht ist das aber eine Frage der Erhaltung unserer Vorherrschaft.""

    Zunächst einmal regierten 1914 in England die Liberalen und nicht die Konservativen. Aber das ist typisch. Da sich schlechterdings keine Belege für englische Kriegs- oder Angriffsabsichten finden lassen,müssen derart dubiose Quellen herhalten. Man sehe sich doch den Wortlaut einmal genauer an: "Wir sind wahrscheinlich töricht, dass wir keinen Grund finden, um Deutschland den Krieg zu erklären, ehe es zu viele Schiffe baut und uns unseren Handel wegnimmt." Mit anderen Worten: Dieser Herr Balford erwartete also gerade, daß England Deutschland nicht angreifen würde.

    "In folgenden Artikel findet man bezüglich des Flottenthemas genug Beweise auf englische Kriegspropaganda und wie sie heute noch in unseren Geschichtsbüchern weiter lebt:
    http://www.swg-hamburg.de/Geschicht...litical_co.html"

    Den Link habe ich mir angeschaut, aber auch dort finde ich nichts über englische Kriegspropaganda, lediglich eine Kritik an diversen deutschen Historikern.
    Was schließlich die "Vernichtung der deutschen Wirtschaft" betraf, so ist das - unter dem Schlagwort "englischer Handelsneid" - ebenfalls nichts als deutsche Flottenpropaganda. Tatsächlich war Deutschland Englands wichtigster Außenhandelspartner, und die Hauptgegner des englischen Kriegseintritts 1914 kamen gerade aus der englischen Wirtschaft.

    "Um Russland nach Westen in Richtung Deutschland und Österreich-Ungarn zu treiben ermutigten die Engländer 1904/5 die Japaner, dem russischen Expansionsdrang im Fernen Osten ein Ende zu setzen und drei Jahre später erfolgte der britisch-russische Vertrag über Persien und Beendigung der kolonialen Streitigkeiten in diesem Gebiet. Damit war Russland entgültig dazu verleitet, nach Westen zu expandieren."

    Über den russisch-japanischen Krieg war niemand glücklicher als die deutsche Reichsregierung, da durch diesen der potentielle Hauptgegner Rußland geschwächt wurde, während das englisch-russische Verhältnis dadurch extrem belastet worden ist (alle japanischen Großkampfschiffe sind in englischen Werften gebaut worden).

    Wenn schließlich Russland und England eine Einigung in kolonialen Streitigkeiten erzielten, so wäre erst einmal nachzuweisen, daß dies gegen Deutschland gerichtet war.
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  9. #9
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    Standard AW: Deutsche Politik im Ersten Weltkrieg

    Angesichts des immer wieder hervortretenden Antisemitismus vieler User im Forum hier, wäre es vielleicht gar nicht so schlecht sich bei dem Thema eingehender mit Walther Rathenau zu beschäftigen, einen Deutschen jüdischen Glaubens, ohne dessen brillantes Management in Sachen Rohstoffen die deutsche Front kaum ein halbes Jahr durchgehalten hätte.

    Weiterhin sei auf die später von den Nationalsozialisten verfolgten Patrioten Haber und Bosch hingewiesen, die (zusammen mit Mittasch) das nach ihnen benannte Haber-Bosch Verfahren entwickelten, ohne das niemals hätte SPrengstoff in größerem Maßstab hätte produziert werden können, da man vom Chile-Salpeter abgeschnitten war!

  10. #10
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    "Weiterhin sei auf die später von den Nationalsozialisten verfolgten Patrioten Haber und Bosch hingewiesen, die (zusammen mit Mittasch) das nach ihnen benannte Haber-Bosch Verfahren entwickelten, ohne das niemals hätte SPrengstoff in größerem Maßstab hätte produziert werden können, da man vom Chile-Salpeter abgeschnitten war!"
    In der Tat. Ohne die beiden wäre die deutsche Armee spätestens nach einem halben Jahr ohne Munition dagestanden.
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