Wie polnische Handwerker ganz legal den Berliner Arbeitsmarkt durcheinander wirbeln
Manche Häuslebauer und Grundstücksbesitzer haben diese Situation schon mal erlebt: Da wird eine Berliner Firma beauftragt und plötzlich stehen dann Handwerker vor der Tür, die in Autos mit polnischen Nummernschildern vorfahren. Dabei handelt es sich keineswegs um Schwarzarbeiter, sondern um ganz legal in Berlin tätige selbstständige Handwerker, die von der Firma als Subunternehmer angeheuert worden sind. Sie nutzen eine Lücke im so genannten EU-Beitrittsgesetz, das die Arbeitsmöglichkeiten für Bürger der neuen EU-Staaten regelt. Der Berliner Wirtschaftssenator, die Handwerkskammer und die Gewerkschaften finden diese Kreativität überhaupt nicht gut. Denn immer mehr Berliner Handwerker haben deshalb ihre Arbeit verloren.
Handwerk und Gewerkschaften sprechen von einer regelrechten Invasion polnischer Kleinstunternehmer. Nach Angaben der IG Bau sank die Zahl der Berliner Arbeitnehmer in der Baubranche von 9 078 im Jahr 2003 auf 7 467 im vergangenen Jahr. Zur gleichen Zeit stieg die Zahl der Gewerbeanmeldungen polnischer Staatsangehöriger in den Gewerbeämtern der Bezirke um das Zehnfache: von 289 im Jahr 2003 auf 2 732 im vergangenen Jahr. Besonders beliebt scheint der Bezirk Mitte zu sein: Dort stieg die Zahl der polnischen Gewerbetreibenden von 59 auf 784 (siehe Tabelle). In der Regel melden sich die Handwerker aus Polen in den Bürgerämtern an. Wilfried Nünthel (CDU), Stadtrat für Bürgerdienste in Lichtenberg, sagt, in seinem Bezirk hätten sich 189 Polen angemeldet, die allesamt die gleiche Adresse als Wohn- und Geschäftssitz ihrer deutschen "Niederlassung" angegeben haben. Aus allen Bezirken wird gemeldet, dass oft Busse aus Polen vorfahren, deren Insassen ein Gewerbe beantragen wollen. Ob sie sich dann tatsächlich an der genannten Adresse aufhalten, prüfen die Bezirke aber nicht. Außer der Gewerbeanmeldung für 26 Euro benötigen die Polen auch einen Eintrag in die Handwerksrolle der Berliner Handwerkskammer. "Das ist möglich, weil nach der Novellierung der Handwerksordnung für bestimmte Berufe keine Voraussetzungen wie etwa eine Meisterprüfung erbracht werden müssen", sagt Kammersprecher Wolfgang Rink. Die Folge: Allein die Zahl der Berliner Fliesenlegerbetriebe ist von 230 innerhalb von zwölf Monaten auf 1 204 gestiegen. "Es ist zu vermuten, dass viele noch nie eine Fliese in der Hand hatten", sagt Rink. Zwar ist der deutsche Arbeitsmarkt mit der Dienstleistungsfreiheit und dem EU-Beitrittsgesetz bis 2011 geschützt. Das gilt aber nur für Arbeitnehmer. Polnische Selbstständige, die sich in Deutschland polizeilich melden, können auch Aufträge annehmen.
Für Berliner Firmen ist die Kooperation mit polnischen Subunternehmern eine Gewinn bringende Angelegenheit: Zum einen arbeiten polnische Handwerker und Bauarbeiter für bis zu drei Viertel weniger Geld als die deutschen Kollegen, die normalerweise rund zwölf Euro pro Stunde verdienen. Zum anderen sparen sich die Hauptauftragnehmer Steuern und Versicherungsbeiträge, weil das Sache eines jeden selbstständigen polnischen Kleinstunternehmers ist.
Für die Senatswirtschaftsverwaltung ist das Ganze ein ernstes Problem. "Die Polen arbeiten in Kolonnen und zu festen Arbeitszeiten. Das sind Scheinselbstständige und die sind illegal hier", sagt Christoph Lang, der Sprecher von Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS). Es müssten bei Beschäftigung in Deutschland auch die deutschen Arbeits- und Lohnbedingungen gelten. Auf Bundesebene wird erörtert, wie dieses Problem gelöst werden kann. Bis dahin appelliert die Behörde an die Bezirke und an die Kammern, auffällige Anmeldungen umgehend an den Zoll zu melden.
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