Joint Venture in Berlin
Tausende Menschen zur Hanfparade in der Hauptstadt erwartet. Bundesregierung sieht keinen Anlass, ihre Drogenpolitik grundlegend zu ändern
Von Markus Bernhardt
Repression ist der falsche Weg: Hanfparade in Berlin am 12. August 2017
Foto: Maurizio Gambarini/dpa |
Samstag, 12 Uhr, Neptunbrunnen am Berliner Alexanderplatz
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Trotz anhaltender Debatten um die Legalisierung von Cannabis in der Bundesrepublik sowie dessen Freigabe in Teilen der USA, in Kanada und kürzlich selbst in Georgien, weigert sich die Bundesregierung, ihre äußerst umstrittene Drogenpolitik einem Realitätscheck zu unterziehen. Zwar musste die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), erst im Juni dieses Jahres anlässlich einer neuen Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) eingestehen, dass der Konsum von Cannabis zunehme. Zu der Erkenntnis, dass ihre bisherige Verbots- und Repressionspolitik offensichtlich gescheitert ist, ließ sich die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD jedoch nicht bewegen. Die BZgA-Studie hatte ergeben, dass 16,8 Prozent der 18- bis 25jährigen nach eigenen Angaben mindestens einmal Cannabis in den vergangenen zwölf Monaten konsumierten. Im Jahr 2008 waren es noch 11,6 Prozent. Bei Männern in dieser Altersgruppe erhöhte sich der Anteil noch deutlicher: von 14,8 Prozent im Jahr 2008 auf aktuell 22,9 Prozent.
Im ebenfalls Ende Juni veröffentlichten »Alternativen Drogen- und Suchbericht 2018« mahnten die Herausgeber – unter anderem der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik – »sinnvolle Reformen« an. Während anderswo auf der Welt zunehmend von Strafen abgesehen werde, gehe Deutschland einen Schritt zurück: »Die Innenminister der Länder haben sich gerade auf die vergleichsweise niedrige Menge von sechs Gramm Cannabis geeinigt, bis zu der ein Strafverfahren eingestellt werden kann; nicht muss«, monierten die Experten. Kurz zuvor habe »die deutsche Polizei ein Allzeithoch bei den sogenannten Rauschgiftdelikten vermeldet, und niemand fragt, wer da eigentlich kriminalisiert wird«.
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Um den politischen Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen, findet an diesem Sonnabend in Berlin die sogenannte Hanfparade statt. Die größte Demonstration für die Legalisierung von Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel in der BRD findet seit 1997 jährlich in der Bundeshauptstadt statt. Auch in diesem Jahr werden mehrere Tausend Teilnehmer erwartet – im letzten Jahr waren es über 12.000 Menschen.
Unterstützung findet die Forderung nach einer Entkriminalisierung von Cannabisprodukten unterdessen nicht nur bei Ärzten, Wissenschaftlern und Konsumenten, sondern auch bei Polizeibeamten. Erst Ende Juni hatte Hubert Wimber, der Vorsitzender der deutschen Sektion von »Law Enforcement Against Prohibition« (LEAP, Strafverfolger gegen Prohibition) ist und Polizeipräsident von Münster war, auf Zahlen des Bundeskriminalamtes verwiesen (
jW berichtete). Demzufolge wurden 2017 insgesamt 330.580 polizeiliche Ermittlungsverfahren – 166.236 davon gegen Cannabiskonsumenten – auf Grundlage des Betäubungsmittelstrafrechts eingeleitet. Dies, obwohl die »Kriminalität« in diesem Bereich im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent zurückgegangen sei. Wimber forderte als Konsequenz daraus, Cannabiskonsum zu legalisieren – auch, um Strafverfolgungsbehörden zu entlasten.