Ohne Übersetzer, Führer und Handwerker wäre der Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan deutlich schwieriger. Nach dem Abzug der deutschen Soldaten sind viele dieser sogenannten Ortskräfte in Gefahr: Sie könnten als Kollaborateure gelten. Der erste dieser Männer bekommt nun Asyl in Deutschland.
In der Debatte um den Schutz von Ortskräften nach dem weitgehenden Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan hat die Bundesregierung erstmals einem bedrohten Afghanen Asyl zugesagt. "Ein erster Fall ist positiv beschieden worden", hieß es aus Berliner Regierungskreisen. Die Anzahl solcher Fälle, die derzeit geprüft würden, liege "im niedrigen zweistelligen Bereich". Insgesamt beschäftigen das Bundesverteidigungs- und das Bundesinnenministerium sowie das Auswärtige Amt rund 1500 afghanische Ortskräfte, bei denen es sich etwa um Übersetzer, Handwerker und Reinigungskräfte handelt. Rund 450 davon sind Übersetzer bei der Bundeswehr.
Viele Ortskräfte befürchten, nach dem weitgehenden Abzug der Bundeswehr bis Ende 2014 von den Taliban als Kollaborateure bestraft zu werden. Aus Regierungskreisen hieß es, jeder Antrag einer Ortskraft, die sich als gefährdet einstufe, werde einzeln und gewissenhaft geprüft: "Jeder kann sich bei seiner Dienststelle melden." In diesen Tagen werde ein Faltblatt veröffentlicht, das die Ortskräfte schriftlich auf ihre Möglichkeiten hinweise. Federführend sei das Bundesinnenministerium, das auf Basis von Empfehlungen der jeweiligen Dienststellen in Afghanistan entscheide.
Bildung für Dableiber
Aus der Bundesregierung hieß es zudem, die betroffenen Ministerien hätten einen neuen Weiterbildungsfonds aufgelegt. Mit dem "großzügig angelegten" Budget könne Ortskräften in Afghanistan auf Antrag eine berufliche Fortbildung oder auch ein Universitätsstudium finanziert werden. Außerdem sei eine Datenbank mit Profilen von Ortskräften zur Weitervermittlung etwa an die staatliche Entwicklungsorganisation GIZ geschaffen worden. Sie wird ihre Arbeit in Afghanistan nach 2014 weitgehend unverändert fortsetzen.
Aus der Bundesregierung verlautete, die Ängste der Ortskräfte würden ernst genommen. Die Gefährdung im relativ ruhigen Einsatzgebiet der Bundeswehr in Nordafghanistan sei aber eine andere als im umkämpften Süden. Seit Beginn des Einsatzes vor gut elf Jahren sei keine deutsche Ortskraft getötet worden. Eine Ortskraft habe eine Schusswunde erlitten. Dagegen wurden etwa bei den Briten in Südafghanistan dem Vernehmen nach etwa 20 Ortskräfte getötet.
Aus den Berliner Regierungskreisen hieß es, alle Ortskräfte nach Deutschland zu holen, könnte "ein falsches Signal" nach Afghanistan senden. Es handele sich oft um hoch qualifizierte Arbeitskräfte, die dringend in Afghanistan gebraucht würden. Afghanische Regierung und das Oberhaus des Parlaments (Meschrano Dschirga) hätten ausdrücklich gebeten, nicht alle Ortskräfte außer Landes zu schaffen.
Die Bundeswehr will ihr Feldlager in Kundus im Herbst schließen. Bereits zuvor wird in der Nachbarprovinz Baghlan der Außenposten OP North an die Afghanen übergeben. Aus dem Standort in Feisabad zog die Truppe bereits im vergangenen Jahr ab. Von Anfang 2014 an wird die Bundeswehr als letztes Feldlager das Camp Marmal im nordafghanischen Masar-i-Scharif betreiben. Der Einsatz der Internationalen Schutztruppe Isaf läuft Ende 2014 aus.
Die Bundeswehr soll sich nach dem Willen der Bundesregierung aber auch danach noch an der Ausbildung von afghanischen Sicherheitskräften beteiligen. Die Mission soll allerdings deutlich kleiner sein als der derzeitige Einsatz im Rahmen der Isaf.