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...Folglich liegt sein {Fischers} Wert weniger in den damals gewonnen Erkenntnissen, als im methodischen Quatensprung des deutschen Nachkriegshistorismus. Waren tradierte Historiker nach der "Stunde Null" dazu übergegangen, Hitler als einen Ausrutscher, einen Fremdkörper, einen "Betriebsunfall" darzustellen, so taten sie dies vor dem Hintergrund des stilisierten, "guten und anständigen" Kaiserreichs bzw. der Theorie des "Hineinschlitterns" aller (!) damaligen Mächte, wie noch in den 1950ern auf einem europäischen Historikerkongress festgestellt worden war {Fußnote des Autors hier}. Fischer hatte in seinen Arbeiten (bereits vor dem "Griff nach der Weltmacht") jedoch unwiderlegbar aufgezeigt, dass Berlin eben keineswegs "hineingeschlittert" war, ja sogar aktiv auf einen Entscheidungskrieg hingearbeitet hatte. Das jedoch zerstörte die tradierte, nationale Meistererzählung nach 1945, die partout keinerlei Parallelen zwischen 1914/18 und 1939/45 zuzulassen gewillt war bei ihrer Bemühung um eine Rehabilitation deutscher (Nationalstaats)Geschichte. Und diese Erschütterung, dieses Einreißen der tradierten, mit deutschem Mythen-Mörtel verputzten Geschichtsfassade, war wiederum ein zentraler, wenn nicht gar der (!) eigentliche Grund der Kontroverse. Denn fortan wurde dt. Geschichtswissenschaft trotz "Stunde Null" auf eine neue methodische Ebene katapultiert, da nun ein Anschreiben gegen (!) die nationale Meistererzählung erlaubt werden musste, sofern es wissenschaftlich haltbar blieb. Die eigentliche Kontroverse war somit schon nach den Historikertagen 1964 und 1965 {FN des Autors hier} ausgestanden, obwohl die Phalanx, die Ritter & Co. gegen Fischer aufgestellt hatten, noch einige Jahre nicht hinfort gefegt war; der Knackpunkt blieb, dass es dieser "Grand Armeé" tradierter Historiker nicht gelang Fischer wissenschaftlich (!) zu widerlegen, allzu oft verrannte man sich in selbstdiskreditierende Polemik, wie viele Beispiele deutlich zeigten {FN des Autors hier}. Somit lag der eigentliche Wert der Kontroverse (und somit Fischers Arbeiten, auch derer, die noch bis 1979 erscheinen sollten), in der methodischen Wiederbelebung eines nahezu morbiden, verfallenen, tradiert-veralteten Historismus in Deutschland; folglich ist die Kontroverse auch aus heutiger Sicht noch immer als ein Grundbaustein eines jeden methodischen Kurses für das Studium deutscher Geschichte des 20. Jahrhunderts zu betrachten, sowie der Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft im Allgemeinen. ... Als Quellen- und Ideensteinbruch sicherlich heute nur bedingt brauchbar, weil veraltet {hier war die Rede von Fischers Arbeiten}, ermöglicht die Betrachtung der Kontroverse dem angehenden Historiker ein tieferes Verständnis seines Fachs, sofern er es in Deutschland (1) oder eben über Deutschland (2) ausüben möchte. ...