In diesem Forum scheinen die Meinungen über Patriotismus, Nationalismus und Nationalsozialismus weit auseinanderzugehen. Dabei habe ich manchmal den Eindruck, daß diese Begriffe von verschiedenen Seiten verschieden definiert werden. Ich möchte an dieser Stelle meine Sicht der Dinge darstellen und beginne dabei mit zwei Zitaten:
Ich wünschte sehr, daß es in jedem Staat Männer geben möchte, die über die Vorurteile der Völkerschaft hinweg wären und genau wüßten, wo Patriotismus Tugend zu sein aufhört.
Gotthold Ephraim LessingDie Zitate zeigen folgendes:Der Patriot will, daß der Zweck des Menschengeschlechts zuerst in derjenigen Nation erreicht werde, deren Mitglied er ist.
Johann Gottlieb Fichte
1. Patriotismus ist eine Tugend.
2. Übersteigerter Patriotismus ist keine Tugend mehr.
3. Patriotismus verfolgt einen höheren Zweck und geht nicht auf Kosten anderer Nationen (->Chauvinismus). Man könnte Fichte in diesem Fall auch modern interpretieren mit "Think globally - act locally".
Nationalismus definiert sich für mich als übersteigerter Patriotismus. Er hat zwischen den Weltkriegen diese Bedeutung erlangt, nachdem er lange Zeit im 19. Jahrhundert, verbunden mit den Idealen der frz. Revolution, nämlich Selbstbestimmung, Volkssouveränität und Demokratie, semantisch durchaus positiv besetzt war und bei der Entwicklung der Nationalstaaten eine bedeutende Rolle spielte.
Zuviel des Guten ist manchmal kontraproduktiv.
Lessings Zitat möchte ich hinzufügen, daß heutzutage eine allerdings gesunde Portion Patriotismus vielen Deutschen fehlt. Es ist bezeichnend für die deutsche Mentalität, von einem Extrem in das andere zu verfallen und so den deutschen Sonderweg (Historikerdeutsch für Weg in die Sackgasse) zu zementieren: Etliche Bürger haben eine instinktive Scheu vor allem, was auch nur ansatzweise nach Nation oder Vaterland klingt. Andere präsentieren sich derart chauvinistisch, daß man bisweilen daran zu zweifeln beginnt, ob es möglich ist, aus der Geschichte zu lernen.
Den Nationalsozialismus, der das dunkelste Kapitel der langen deutschen Geschichte darstellt, sollte man mit Patriotismus in keiner Weise in Verbindung bringen. Hitler und seine Nazischergen sowie alle, die deren Taten, Ideale und Moral hochhalten taten und tun ihrem Land in keiner Weise einen Gefallen. Im Gegenteil. Wer einen Nazi definiert als einen Deutschen, der sein Land liebt und Gutes für sein Land bewirkt, über den komme ich aus dem Kopfschütteln nicht hinaus. Den Begriff Nazi so zu definieren empfinde ich als beleidigend. Hitler hat Deutschland nicht geliebt. Er hat es in seine dunkelsten Stunden geführt und dann schändlich und treulos verlassen.
Grüße JohnGerade weil der Patriotismus darin besteht, die gesamte Überlieferung eines Volkes bedingungslos zu akzeptieren - so wie wir wohl oder übel unsere gesamte Vergangenheit akzeptieren, ja selbst die Handlungen, die wir heute bereuen - ist er gehalten, die Vergangenheit ständig einem Destillationsprozeß zu unterwerfen und nur das Beste in die Zukunft hinüberzuprojezieren. In der Dimension der Zukunft ist der Patriotismus das Gegenteil von dem, was er in der Vergangenheit ist.
José Ortega y Gasset, Aufstand der Massen