Umfrageergebnis anzeigen: Ist Deutschland unschuldig am Großen Krieg?

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84. Du darfst bei dieser Umfrage nicht abstimmen
  • Nein, Deutschland trägt die Alleinschuld!

    5 5,95%
  • Nein, Deutschland trägt eine erhebliche Mitschuld wie andere beteiligte Großmächte!

    28 33,33%
  • Das kann ich net sagen.

    2 2,38%
  • Ja, Deutschland wurde nur unschludig in den Sog von Ereignissen gezogen, zu deren Entstehung es nicht aktiv beigetragen hatte!

    24 28,57%
  • Ja, Deutschland wurde der Krieg aufgezwungen, weil die gegnerischen Mächte die Alleinschuld trifft!

    25 29,76%
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Thema: Unverschuldet?

  1. #21
    GESPERRT
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    Standard AW: Unverschuldet?

    Zitat Zitat von realsniper Beitrag anzeigen
    [...] Dinge wie das unschuldig hineingezogen werden, oder das ständige Geheule von wegen Bündnistreue und die bösen Österreicher...sind Schmand. [...]
    Ich wollt das mit dem Österreichgeheule net einfach so unbelegt stehen lassen, deshalb n kurzer Nachtrag dazu, warum ich das so sage und warum es nicht einfach nur eine weitere Behauptung ist:
    Natürlich wurde das oft vertreten von wegen Bündnistreue Deutschlands, Kriegsbegeisterung Ö-Us usw. Es gibt auch Quellen, die nachzuweisen scheinen, dass Deutschland im Juli tatsächlich an keinem Krieg interessiert zu sein schien. Es gibt Belege über bestimmte dt. Kreise in Wien um den dt. Militärattaché von Kageneck, bei denen die Ansicht vorherrschte, die Serben würden das Ultimatum annehmen, "weil sie Schweine sind" (Vgl. dazu: BA-MA, MSg. 1/1914: Tagebuch Kageneck, 4.8.1914.). Ende Juli hatte Kageneck an Moltke berichtet, dass unter den österreichischen Offizieren die Annahme des Unltimatums durch Serbien mit nur 25% gehandelt wurde (Vgl. dazu: BAB, AA, MW, 155: Kageneck an Moltke, 24.7.1914.), man schien sich bis zuletzt unsicher.
    Daraus könnte man ja schlussfolgern: Wenn sie den Krieg geplant hätten, würde sie nicht so ein Theater voreinader abziehen, wenn sie alle wüssten, dass das Ultimatum nicht angenommen werden SOLL. Oder aber man kommt zu der Frage, ob einige es einfach tatsächlich nicht wussten, was aber hier zu weit vom Thema abdriften müsste.
    Dass die Österreicher 1914 im Allg. auch entsprechende Kriegsbegeisterung verspürten wie wir, kann man auch aus diversen belegen ableiten. Unzählige private Korrespondenz zwischen beteiligten Militärs weisen dies nach, exemplarisch nehme ich mal Gen. Appel (Komm. des. 15. kuk Korps in Sarajewo). Er schrieb an seinen Bekannten Borsch von Aarenau (von 1906-11 war dieser Leiter der Militärkanzlei des Erzhrzg. Franz Ferdinand) folgende Zeilen zu seiner Hoffnung auf den baldigen Schlagabtausch: "Während ich Dir schreibe, läuft Ultimatum Frist in Belgrad ab [...]. Hoffen wir es, sonstn [sic!] müßte man verzweifeln. [...] Mit wonne und Lust opfere ich meine alten Knochen mein Leben, wenn es gelingt den Mechelmörderstaat zu demüthigen [sic!] und dieser Herberge für Mordlbuben ein Ende zu machen [...]. Nur loslassen, - alles andere besorgen wir. [...] Prinz Eugen der edle Ritter! wollte [sic!] dem Kaiser wieder kriegen! Stadt und Festung Belegrad! Hoffentlich singen wir es morgen, bis zur Bewußtlosigkeit und hoffentlich wird es wahr" (Vgl dazu: ÖStA, KA, B/232:11, 79: Appel an Borsch, 25.7.1914.). Letztes spielt auf das letzte größere Engagement ÖUs in Belgrad an im Zuge des 3. (Großen) Türkenkrieges Ende des 17 Jh. Die Stelle mit dem Loslassen richtet sich an die Politik. Dieser General ist natürlich nur exemplarisch herausgegriffen, aber durchaus repräsentativ für die kuk Militärs.

    Und die Österreicher waren sich ihrer "Schuld" in diesem Sinne bewusst, wie sich (zB) aus einer Tagebucheintragung Baernreithers (öst. Politiker) zeigt: "In Deutschland bestand die Befürchtung, daß wir nicht mitgehen würden, wenn uns der Anlaß des Krieges ferner liegen würde. In Algeciras waren wir noch Sekundanten, später nicht mehr, sondern in der Marakkokriese nicht standhaft zu Deutschland. Krieg mußte aber, wie die Dinge sich durch die Schuld der deutschen und österreichisch-ungarischen Diplomatie entwickelt hatten, kommen. Daher ergriff Deutschland nach dem Mord in Sarajewo die Gelegenheit beim Schopfe und benutzte den Anlaß, der sich auf österreichischen Seite ergeben hatte. Das ist die Geschichte des Krieges" (Vgl. dazu: ÖStA, HHS, Nachlaß Baernreither, K6: Tagebücher, Eintrag vom 2.12.1914.). Interessant ist hierbei, dass hier bereits die Schuld eingeräumt wurde die Situation durch diplomatische Versäumnisse bzw. Fehler selbst verursacht zu haben. Ebenfalls auffällig ist die Zuweisung von Schuld, die ebenfalls an Deutschland erfolgt. Dass dem so war bzw. Wien das so interpretierte, lässt sich auch vielfach belegen über Primärquellen, exemplarisch greife ich hier den Ausraster des ö-u. Außenministers Graf Czernin im Sommer 1917 heraus, welcher auf die dt. (im Zuge einer Debatte) vorgetragene Forderung nach einer Fortsetzung des Krieges bis zum Erreichen der dt. (!) Kriegsziele, entgegnete:
    "Krieg ist damals nicht von Österreich allein begonnen! Deutschland hat strenge Form des Ultimatums an Serbien..." (Vgl. dazu: BAB, Rk, Gr. HQ, 21, 2477, Beiheft, HgBKz (Handakten betr. grundlegene Besprechungen über Kriegsziele): Protokoll der deutsch-österreichischen Konferenz für die Reichskanzlei, 14.8.1917.).
    Als Bonus Info, weil es "lustig" ist: So (wie oben) kam es zu den Akten, das sinngemäß fehlende Wort wie "gewünscht/gewollt", sowie deshalb der folgende Widerspruch der dt. Seite durch Michaelis, Kühlmann und Helfferich, wurden ausgelassen. Blöd für die Reichskanzlei ist nur, dass der Protokollant der OHL den gesamten Teil protokollierte, wo der selbe Satz (wie zu erwarten) lautet:
    "Krieg ist damals nicht von Österreich allein begonnen! Deutschland hat strenge Form des Ultimatums an Serbien gefordert" (Vgl. BAB, RA, 2610: Protokoll der deutsch-österreichischen Konferenz für die OHL, 14.8.1917.).
    Und das war nicht erst 1917 so, sondern auch schon direkt zu Anfang, was sich ebenfalls über zahlreiche Quellen belegen lässt, da die Österreicher dies immer wieder zwischen den zeilen, oder gar ganz offen, erwähnten. Als (zB) nach rd einem Monat dringend militärische Soforthilfe der Deutschen von Nöten schien wegen der Übermacht der Russen in Galizien, empfahl Graf Tisza Berchtold solle in Berlin erklären: "Das [sic!] wir den Krieg auf die klipp und klarer Äußerung sowohl Kaiser Wilhelms wie des deutschen Reichskanzlers beschlossen haben, daß sie den Moment für geeignet halten und es mit Freude begrüßen, wenn wir ernst machen" (Vgl. dazu: ÖStA, PA, Kr500, XXXXVII: Tisza an Berchtold, 11.9.1914.).

    Damit hatten die Österreicher ja auch nicht unrecht, Belege dafür gibts ja genug (bzw. sind allgemein bekannt). Berlin drängte Wien zur Kriegserklärung (und zwar pro domo), welche dem Kaiser (Franz Joseph) am 27. Juli zur Unterzeichnung vorgelegt wurde durch den (Berlins Vorgaben folgenden) Berchtold, der diesen Schritt damit begründete, dass der Entente wegen der serbischen Antwort Vermittlungsversuche gelingen könnten, sofern nicht "durch die Kriegserklärung eine klare Situation geschaffen wird" (Vgl dazu: Bittner, Ludwig, Übersberger, Hans (Hg), Österreich-Ungarns Außenpolitik von der bosnischen Krise 1908 bis zum Kriegsausbruch 1914. Diplomatische Aktenstücke des Österreich-Ungarischen Ministeriums des Äußeren, Bd. 8, Leipzig 1930, Dok. 10855: Berchtold an Franz Joseph, 27.7.1914.). Das zeigt auch, dass man in Berlin den Krieg keinefalls verhindern wollte, während man es noch konnte - und zwar explizit nicht (Hier geht es nicht mehr um die Passivität bei der Mäßigung Wiens, sondern dem aktiven Wunsch des Kriegsausbruchs). Und die Vermittlungsversuche wie auch -chancen waren da, bedenkt man, dass (zB) der französische Außenminister Bienvenu-Martin in der Julikrise offiziell erklärt hatte, dass der europäische Konflikt verhindert werden könne, wenn Berlin keinen Druck auf Wien ausübet, den krieg zu erklären (das hätte nämlich die Russen bei einem Eingreifen zum Bösewicht gemacht - man bedenke das Wien nach dem Attentat 1914 für damalige Verhältnisse international sowas war, wie Washington am 11.September 2001 - Die anderen Mächte waren ebenfalls durch das Attentat aufgebracht). In diesem Falle wäre es zu keinem Weltkrieg gekommen, bzw zu einer garantierten Nichtbeteiligung Frankreichs, und der Konflikt wäre lokal geblieben, im Falle eines russ. Eingreifens hätten die Westmächte (bzw. Frankreich - weil hier Bienvenu-Martin "spricht", aber London war ja eh noch weniger geneigt zum Krieg) sich zumindest neutral verhalten, solange Deutschland dies auch tat (Vgl. dazu: Commission de Publication des Documents Relatifs aux Origines de la Guerre de 1914 (Hg), Documents Diplomatiques Francais (1871-1914), Série 3 (1911-1914), Bd. 11, Paris 1929, Dok. 20: Runderlaß von Bienvenu-Martin, 24.7.1914.). Dies wurde ausgeschlagen, da Wien innerhalb der dt. (Kriegs)Politik seinen festen (und elementaren) Platz hatte, dessen Sinn eine Nicht-Kopplung an Berlin ausschloss (man brauchte es als Auslöser, siehe oben das mit "den Anlass, der sich für ÖU ergibt beim Schopfe packen").

    Dass Wien primär nur Werkzeug übergeordneter dt. Interessen wurde (ob wissentlich oder net, ob willig oder net, ist alles egal), bzw. diese Rollenverteilung der beiden, wird auch aus dt. Quellen ersichtlich. So auch (zB) aus der Unterhaltung zwischen dem Direktor der Deutschen Bank, Arthur von Gwinner, und Unterstaatssekretär im Reichsmarineamt Capelle im August 1914, also kurz nach Kriegsausbruch. "Lichnowsky [das war der dt. Botschafter in London] war nur darüber nicht unterrichtet, daß man hier [in der Wilhelmsstraße] gewillt war, zum Konflikt zu treiben. [Auf die Frage Capelles, wer die treibende Kraft denn sei, anwortete Gwinner:] [...] z.B. Herr von Stumm im Auswärtigen Amt. [Auf Capelles Zweifeln hin fügte er an:] [...] Vielleicht ist es eine ganze Gruppe gewesen. Man hat planmäßig darauf hingearbeitet, Österreich zunächst fest zu engagieren, um seiner sicher zu sein. Die ganze Aktion in Serbien ist doch von vornherein in solcher Form eingeleitet worden, daß der konflikt unvermeidlich war" (Vgl dazu: Von Tirpitz, Alfred, Deutsche Ohnmachtspolitik im Weltkriege, Berlin 1926, S. 65ff.).
    Was hier auch interessant erscheint, ist die Tatsache wer da so kurz nach Kriegsausbruch redet - der Direktor der DB. Wenn also der Krieg nicht von langer Hand geplant gewesen wäre, müsste man fragen: "Was sucht der da überhaupt und was will DER uns denn schon dazu erzählen können"?.
    Die Involvierung Gwinners (und anderer) zeigt ein übergeordnetes Konzept, welches dem Krieg zugrunde lag (Wirtschaftsraum, Zollunion, etc - das kann ich alles einzeln easy belegen, aber das spar ich mir weil dat net direkt zum Thema gehört. Aber falls einer rumheilt deshalb, kann ich das gerne nachreichen, das ist kein Ding), und mit einer spontanen, dem Kriegsausbruch geschuldeten, reinen Reaktion nichts zu tun hat. Als (nur ein) Bsp für diese Vorausplanung mit wirschaftlichem Hintergrund greif ich die immer öfter aufkommende Behauptung von der "Nicht-Saturiertheit" des Reichs, welche man nun besonders im Hinblick auf die Wirtschaft und weniger (wie Bismarck damals bezüglich der Saturiertheit) außenpolitisch auslegte. Dass es "eine Schande und Schmach [war], daß wir immer nur zurückweichen" wurde schon vor dem Krieg auch von der mittelparteilichen Gruppe (Stresemann, Vogel, Stadthagen) propagiert, von denen ersterer in einem zweiten Referat (schon 1913) sogar forderte ein "abgeschlossenes Wirtschaftsgebiet zu schaffen, um unseren Rohstoffbedarf, unseren Export sicherzustellen" (Vgl. dazu: BAK, R45 I, Bl. 251.). Da kommt wieder diese "koloniale Ambition" (wie im Beitrag zuvor mal angeschnitten von mir) durch bzw. der Nachweis einer auf wirtschaftliche Dominanz gerichteten Politik (die schon 1913 bestanden hatte und auch dann schon sicherlich nicht von jetzt auf gleich konzipiert worden war).
    Und nicht nur die Involvierung der Wirtschaftskreise, sondern auch (zB) die Einbindung "europäischer Innenpolitik" gehört zu den Aspekten, die von ensprechender vorheriger Planung zeugen, und somit das "Hineinschlittern" widerlegen. Exemplarisch dafür vielleicht diesmal der Theobald, der in einer Einladung zu einer Besprechung in der Reichskanzlei anführte, es ginge darum, schleunigst "Richtlinien für die Behandlung der Seozialdemokraten, Polen und Dänen [...] vorzubereiten" (Vgl dazu: BAB, RdI, 12215/1: Bethmann-Hollweg an den Kriegsminister, den Minister des Innern, die Staatssekretäre des Auswärtigen, des Innern, des Reichsmarineamts, des Reichsjustizamts, des Reichspostamts, 18.7.1914.). Die Überlegungen weisen auf eine Verlagerung bzw. Ausweitung der Innenpolitik (Szialdemokraten) nach jenseits der Vorkriegsgrenzen bzw. diesseits der zukünftig angestrebten (Polen, Dänen) hin. Und das ist nur mit der Prämisse einer dt. Hegemonie in Europa logisch.

    Bedenken wir die Involvierung solcher bestimmter Kreise und die Anzahl an Facetten, so ergibt sich das Vorhandensein eines nicht militärisch-politischen Konzepts. Und gibt es ein solches wirschaftlich und innenpolitisch geprägtes Konzept, dann gibt es auch eine entsprechende Planung zum Auslösen des Krieges, der dann (wie oftmals in der Weltgeschichte) nur zum Katalysator werden würde. Und gibt es diese Planung, ist auch erklärt warum Berlin mutwillig und aktiv die "wenigen" Chancen zur die Vermeidung des Krieges unterminierte.


    Der Theo selbst hatte das Vorandensein eines solches Konzepts nicht verleugnet, ja sogar bestätigt (Vgl. dazu: BAB, RK, Krieg 15, Bd. 10, 2444/5: Bethmann-Hollweg an Erich Brandenburg, 16.8.1916.). Und auch jenseits dieser Kreise gab er sogar Details preis, sowohl auf allgemeiner Ebene (durch die Bestätigung eines übergeordneten Konzepts, siehe oben), wie auch konkret. Als der Historiker Erich Marcks (als Sprecher nationaler Kreise) ihn im März 1916 penertierte mit der Aufforderung die Kriegsziledebatte öffentlich zu machen, gab Theo als Antwort: "ich verstehe diesen von weiten Kreisen gehegten Wunsch und teile ihn. Auch ich sehne den Augenblick herbei, wo [...] die Aufstellung konkreter Ziele, möglich sein wird. [...] In dem Augenblick, wo das Ende oder nur die Richtung, aus der es kommt, zu sehen ist, wird die Zeit gekommen sein, zu sprechen", womit er ja indirekt zugibt, dass
    1) eine tatsächliche Debatte also auch Uneinigkeit existiert, (was auf die vielen Facetten und/oder das übergeordnete Konzept verweist) und,
    2) dass auch diverse Kreise ("aus welcher Richtung es kommt") involviert sein müssen, sowie
    3) eine öffentliche Äußerung über die dt. Kriegsziele nur Andeutung oder Verschleierung seiner eigentlichen Absichten bedeuten würde.
    Im selben Schreiben an Marcks sagt er auch: "Ich habe die unsere Zukunft bestimmende mitteleuropäische Idee in die Debatte geworfen, auf die großen Aufgaben im Osten hingewiesen, konnte im ürbigen aber in meinen Reden über die Sicherung unserer Grenzen [...] für die Beseitigung der Einfallstore Belgien und Polen nicht hinausgehen. Meine Andeutungen schlossen die Einbeziehung Belgiens und Polens in den Machtbereich Mitteleuropas ein, fürwahr kein kleines Ziel. [...] Wir haben gegen unsere Feinde alle Karten unaufgedeckt gelassen" (Vgl dazu: BAB, RK, Krieg 1/2, 2402: Bethmann-Hollweg an Erich Marcks, 17.7.1916.). Das deckt sich wieder mit dem oben erwähnten Konzept.

    Und die Beteiligten waren sich auch damals ihrem erheblichen Anteil am Krieg bewusst, wie sich (zB) aus Korrespondenz zwischen Albert Ballin (ein enger Vertrauter vom Theo und vom Jagow) und Jagow, welcher diesem schrieb: "Ich habe Nachsicht für einen Mann, der wie E.E. [das steht für Eure Eminenz] so schwer belastet ist und die entsetzliche Verantwortung zu tragen hat für die Inscenierung [sic!] dieses Krieges, der Deutschland Generationen prächtiger Menschen kostet und es für 100 Jahre zurückwirft" (Vgl. dazu: BAB, AA, WK 18, geh., Bd. 2: Handschriftliches Schreiben Ballin an Jagow, 15.7.1915.). Hier wird klar die Verantwortung für eine "Inszenierung (!) des Krieges" vorgenommen; zudem - das aber nur am Rande - erscheint es schon "gespenstisch", dass Ballin von 100 Jahren spricht, wenn man bedenkt, dass die letzte Folge dieses Krieges (die Reparationen) schlußendlich erst Ende 2010 durch waren (!).
    Und auch im Entscheidungsjahr 1916
    ("Entscheidungsjahr" sag ich jetzt einfach so, wegen vielen entscheidenden Maßnahmen/Aktionen, die fürs Kriegsgeschehen prägnant sein sollten: Die Allierten besetzten nach der Abwehr der osmanischen Offensive seit Anfang 1915 das Ostufer des Suezkanals, dafür kassieren sie eine Niederlage auf Galipoli (Jan), Die Schlacht bei Verdun beginnt sowie ein verschärfter U-Bookrieg gegen bewaffnete Handelsschiffe (Feb), Das brit. Scheitern bei Kut-el-Amara (Apr), das Sykes-Picot-Abkommen (Mai), im selben Monat die österreichische Gegenoffensive nach der 5. Isonzoschlacht und ferner noch die Schlacht am Skagerrak, die erste Brussilow-Offensice (Jun), dem Beginn der Somme-Schlacht im selben Monat, die russ. Rückgewinnung Türk. Armeniens (Aug) und den Kriegseintritt Rumäniens im selben Monat, die Eroberung Bukarests (Dez) durch die Deutschen, sowie gegenseitige Friedensangebote im selben Monat von Entente und Mittelmächten, usw)
    wird weiterhin nicht mit dem Anteil an der Schuld hinterm Berg gehalten. Admiral von Müller, der Obermotz des Kaiserlichen Marinekabinetts, notierte im Dezember (1916) in sein Kriegstagebuch, die Antwortnote der Entente auf das dt. Friedensangebot, welche Berlin eine großen Teil der Schuld Berlin zuschob, enthalte "einige bittere Wahrheiten über unsere Regie des Kriegsausbruchs" (Vgl. dazu: Görtlitz, Walter (Hg): Von Müller, Georg, Regierte der Kaiser? Kriegstagebücher, Aufzeichnungen und Briefe des Chefs des Marine-Kabinetts Admiral G. A. v. Müller, Göttingen 1959, S. 245, Eintragung vom 31.12.1916.).
    Und auch der Theo räumte diese Schuld öffentlich ein, so zB bei den Auseinandersetzungen um den uneingeschränkten U-Bootkrieg, wo er im Oktober 1916 vor dem Hauptausschuss des RT erklärte: "Seit Anfang des Krieges sind wir dem Fehler nicht entgangen, die Kraft unserer Feinde zu unterschätzen. Wir haben diesen Fehler aus der Friedenszeit übernommen. Bei der staunenswerten Entwicklung unseres Volkes in den letzten 20 Jahren erlagen weite Schichten der Versuchung, unsere gewiß gewaltigen Kräfte im Verhältnis zu den Kräften der ürbigen Welt zu überschätzen [...] in der Freude über das eigene Emporkommen [wurden] die Verhältnisse in den anderen Ländern nicht genügend berücksichtigt" (Vgl. dazu: BAB, RT, XVI: Protokolle der Budget-Kommission, Nr. 1301.), auch wenn man das als "Ausraster" abtun könnte - genau darin steckt ja eher die wahre Natur der Dinge.


    Fakt ist, dass Deutschland damals mutwillig den Krieg anheizte (daher die "erhebliche" Mitschuld in der Abstimmung oben. Klar gehören dazu immer zwei Seiten, daher hat Deutschland nicht die Alleinschuld, da die anderen ja darauf eingingen. Trotzdem gehen die meisten - oder anders - die gravierendsten Impulse nunmal von Berlins Politik aus, welche eben schon lange vor der Julikrise übergeordnete Hegemonialpläne verfolgte, sowie konkrete Vorstellung zur Verfahrensweise bei Auslösen des "Entscheidungskampfes" erarbeitet hatte; der Plan, dass Wien bei einem Konflikt mit Serbien UND Russland einen "feindlichen Akt Belgrads" vorweisen kann als Grund, war fester Bestandteil des Gerüsts zur Umsetzung, das Attentat somit ein willkommener Anlass, der nicht erst neue Pläne auslöste, sondern alte Pläne quasi mit fremder Hilfe "abschloss" und/oder zur Umsetzung führe. Dies wird (abschließend nochmal n Bsp) durch dt. amtliche Korrespondenz der Vorkriegsjahre belegt, wie (zB) das Schreiben von Jagow an Tschirinsky vom Frühjahr 1913, in dem die Verfahresweise für diese Situation schon festgelegt präsentiert wird: "Unsere [also Deutschlands] Haltung denke ich mir, le cas échéant, so; Wir erklären in Petersburg, daß österreichisch-montenegrinische und österreichisch-serbische Konflikte Auseinandersetzungen lokaler Natur seien, in die die anderen Mächte keinen Grund einzugreifen hätten und deshalb ruhig bleiben müßten. Dieselbe Erklärung müßten wir auch in Paris und London abgeben mit Andeutung der unausbleibenden Folgen, die eintreten müßten, wenn Rußland Österreich angreift. Es ist für uns sehr wichtig, die Rolle des Provozierten [(!)] zu haben [...]" (Vgl. dazu: BAB, AA, GW (Gesandtschaft Wien), Geh. III, Ganz geh. Sachen 1891-1921: Jagow an Tschirinsky, 28.4.1913.).


    Man kann also feststellen, dass Berlin in den Jahren zuvor eine aktive auf den großen Entscheidungskampf ausgerichtete Geheimpolitik betrieben hatte, wenn auch nie ein Krieg mit GB geplant war (dass man dessen Neutralität erhoffte ist wohl jedem bekannt, daher belege ich das nicht auch noch - geht aber easy, is kein Problem, wie gesagt...).
    Aus dem oben farbig hervorgehobenen Teil würden "Dramatiker" eine Verschwörung ableiten, und wenn man dies als Verschwörung betrachtet, müsste es eine Verschwörung bestimmter Machteliten gegen das dt. Volk sein (da es ja kein Kabinettskrieg mehr war, sondern das "neue" Konzept des Volkskriegs, DER Entscheidungsschlacht im großen Maßstab). Dem mit den Macheliten kann man so zustimmen, "Verschwörung" ist difiziler, da die damaligen Bürger an einem anderen Hebel saßen als wir heute, de jure ein Tatbestand wie der einer "Verschwörung vs. das Volk" nicht gegeben sein konnte. Aber das führt hier zu weit vom Thema ab, wichtig ist nur (oben) - das die Österreicher nicht uns runterzogen, sondern wir eher die mit runter warfen, als Teil unserer Pläne.

    Daher auch die "erhelbliche" Mitschuld Berlins, da man die Chancen hatte den Krieg zu verhindern, diese wahrzunehmen aber nachweislich a priori ausschloss. Ich persönlich tendiere auch zu dem, was der Hillgruber mal die "Politik des kalkulierten Risikos" nannte (Vgl dazu: Hillgruber, Andreas, Riezlers Theorie des kalkulierten Risikos und Bethmann Hollwegs politische Konzeption in der Julikrise 1914, in: Schieder, Wolfgang (Hg), Erster Weltkrieg. Ursachen, Entstehung und Kriegsziele, Köln 1969, S. 240-255, hier: S. 248.), was jedoch auch bedeutet, das es sich (siehe Erklärung oben) um "erhebliche" Schuld - und völlig fernab einer Gewichtung Wiens - handelte.
    Das ist aber auch alles bzw reichts jetzt auch, hab mich wieder n bissle hinreißen lassen (wenn man einmal anfängt, dann...ich glaub deshalb auch meine Berufswahl - ich steh wohl irgendwie auf so nen Sch#+ß, hehe, iSv Rekonstruktion des früher mal währenden). Nun denn, wollt nur nachtragen, worauf das da oben gründet (was ich gesagt hatte).


    MfG
    Sniper

  2. #22
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    Standard AW: Unverschuldet?

    Eine Sache hätt ich noch: Was Option 1 betrifft, so lässt sich diese eine Stimme als (im wahrsten Sinne des Wortes) Einzelfall abtun, nicht aber die 6 Stimmen für Option 5. Könnten die Leute, die der Meinung Nr 5 sind, sich kurz melden und begründen, warum sie das so sehen. Das finde ich nämlich jetzt richig interessant.

    MfG
    Sniper
    Geändert von realsniper (20.12.2012 um 01:44 Uhr) Grund: Hervorhebung FETT

  3. #23
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    Standard AW: Unverschuldet?

    Zitat Zitat von realsniper Beitrag anzeigen
    Eine Sache hätt ich noch: Was Option 1 betrifft, so lässt sich diese eine Stimme als (im wahrsten Sinne des Wortes) Einzelfall abtun, nicht aber die 6 Stimmen für Option 5. Könnten die Leute, die der Meinung Nr 5 sind, sich kurz melden und begründen, warum sie das so sehen. Das finde ich nämlich jetzt richig interessant.

    MfG
    Sniper
    Da wirst du lange warten müssen - bei denen geht es nicht um Beweise [nur Juden brauchen Beweise, sagte man mir mal auf Thiazi ], dahinter steht nicht das Interesse an der Erforschung der Geschichte, sondern das Vermitteln einer Ideologie. Was nach dem 1. WK. schon einmal klappte - sämtliche Probleme auf die Siegermächte abwälzen und daraus politisch zu profitieren - wird seit dem Ende des 2. WK. versucht, allerdings ohne Erfolg.
    Niemand, der sich ehrlich mit der Geschichte des 1. WK. beschäftigt, wird dies unterschlagen:
    Wladimir Freiherr von Giesl, der österreichische Gesandte in Belgrad, war während des gemeinsamen Ministerrates vom 7.Juli 1914 in Wien; er erhielt an diesem Tag vom österreichisch-ungarischen Außenminister Graf Berchtold die Weisung: „Wie immer die Serben reagieren - Sie müssen die Beziehungen abbrechen und [aus Belgrad] abreisen; es muß zum Krieg kommen."

    Als Theodor Wolff in einem Gespräch über den Ausbruch des Krieges mit dem Leiter des Reichskolonialamtes Wilhelm Solf, dem Dramatiker Frank Wedekind und einer Reihe von Offizieren und Politikern im April 1916 die ironische Bemerkung machte, Deutschland sei 1914 „ruchlos überfallen" worden, lachten alle über diesen Witz.

    (Der Erste Weltkrieg Wirkung-Wahrnehmung-Analyse Herausgegeben von Wolfgang Michalka. S.209/210)
    "Places on earth where people are most diligently killing each other are those of ethnic, religious and racial diversity, which we whites are supposed to celebrate!" Jared Taylor
    "Democracy is two wolves and a lamb voting on what to have for lunch. Liberty is a well-armed lamb contesting the vote." Benjamin Franklin

  4. #24
    GESPERRT
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    Standard AW: Unverschuldet?

    Zitat Zitat von Guilelmus Beitrag anzeigen
    Da wirst du lange warten müssen - bei denen geht es nicht um Beweise [nur Juden brauchen Beweise, sagte man mir mal auf Thiazi ], dahinter steht nicht das Interesse an der Erforschung der Geschichte, sondern das Vermitteln einer Ideologie. Was nach dem 1. WK. schon einmal klappte - sämtliche Probleme auf die Siegermächte abwälzen und daraus politisch zu profitieren - wird seit dem Ende des 2. WK. versucht, allerdings ohne Erfolg.
    [...]
    Leider ist das so - hier (überall in diesem Forum) geht es nicht um die rekonstruktion von Fakten, sondern um das konstruieren von Alternativrealitäten, die jedoch nicht konstruiert (mit "festen" Bausteinen), sondern eher kreiiert werden, frei nach Wunschvorstellungen...
    Aber das checkn die Meisten, die sowas tun, erst gar nicht bzw. ebd. Unterschied.


    Dann Rumpel:
    ÜBERTRAG AUS ANDEREM THREAD

    Also hier das ausgelagerte:


    Zitat Zitat von RUMPEL Beitrag anzeigen
    [...]Der Bezug zum Post erklärt sich aus Deiner Bemerkung hinsichtlich der wissenschaftlichen Arbeit eines Historikers.Wenn Historiker bspw mit Zahlen in ihren Büchern arbeiten, sollten sie diese durch - wie von Dir stets verlangt - Quellen belegen können. Dieses scheint mir nicht der Fall zu sein. Insofern trifft Deine Behauptung, Historiker arbeiten "wissenschaftlich", wohl nicht immer zu. Sei es drum..
    [...]
    Das ist nicht korrekt. Überall gibt es Quellenangaben, wenn es sich um zB Zahlenangaben handelt, die sich aus 1000en von Quellen ergeben (so dass eine Aufzählung 5 Seiten mit nur Fußnoten bedeuten müsste), werden Quelleeditionen (dh Bücher, wo Quellen gesammelt wurden - unverändert und undkommentiert). So würde ich zB bei der behauptung die dt. Personlastärke bei den Streitkräften ist in den 10 Jahren von 1890 bis 1900 um 20.000 gestiegen, dann muss ich dazu nicht alle Einberufungen und sonstige Militär- und Verwaltungsakten, wie Chroniken und Sterberegister anführen, sondern einfach eine Edition, die diese zusammengefasst auf einer Seite aufführt (hier wäre das: Sautter, Udo, Deutsche Geschichte seit 1815: Daten, Fakten, Dokumente, Bd. 1: Daten und Fakten, Tübingen 2004, S. 196.). Und was konkrete Inhalte wie zB Korrespondenzen betrifft, gibt es auch Editionen, die nur nummerierte original Dokumente führen, zB sowas wie BAB (Hg), Der Weltkrieg 1914-18, Berlin 1956, usw...
    Kein seriöser Historker verfasst eine wissenschafliche Arbeit, die nicht belegt ist (das geht gar net). Wenn nur Buchttitel angegeben werden, bei denen es sich selbst schon um SekLit und net etwa um Editionen handelt, dann gilt der Verweis den Fußnoten auf der zitierten Seite, wo sich dann die Primärquellen finden (oder eben ein weiteres Stück SekLit, aber nach so 2-3 Büchern spätestens kommt man stets bei der Primärquellen an und prüft sie selbst).

    Zitat Zitat von RUMPEL Beitrag anzeigen
    [...]Namibia - Ich war einige Monate nicht hier. Da habe ich einiges aufzuholen. Aber ich schau mir Deine Beiträge natürlich gern an.

    [...]
    Nein nein, lies dat nicht (brauchste net), ich meinte das ja nur weil Du meintest, ich würde sonst nur Smileys machen und sonst nix. Das war nur ein Bsp für meine üblichen Längen bei Beiträgen. Zum Thema Namibia (Genozid vs. kein Genozid) hatte ich dort aber schon alles (bzw. ausreichend) gesagt, ich würde mich jetzt nur noch wiederholen...

    Zitat Zitat von RUMPEL Beitrag anzeigen
    [...] Natürlich sind Deine Ausführungen in dem anderen Strang interessant, sie beziehen sich aber, und das ist zu bemängeln, fast ausschliesslich auf die Zeit nach dem Attentat bis zum Ausbruch des Krieges, und überdies werden Belege des österreichischen Kriegsteilnehmers aufgeführt, die nicht immer auch Beleg dafür bieten, dass dieses oder jenes tatsächlich so und nicht anders von seiten des DR geäussert wurde. [...]
    Ich hatte daher aber extra auch dt. Quellen (den Theo, den Tirpitz, den Jagow, etc.) miteinbezogen. Und was die Zeitspanne betrifft: ich mach doch hier net ne Darstellung der Kriegsursachen en Detail mit Prequel usw, weil ich
    1. dafür net bezahlt werde und/oder mir dafür eben net die zeit nehmen werde
    und
    2. es doch ohnehin (mehr als) reichlich Forschungsliteratur dazu gibt, wozu also etwas hier machen, was andere schon gemacht hatten in bestimmten Werken.

    Zitat Zitat von RUMPEL Beitrag anzeigen
    [...]Naja, ob dieser Zwang wirklich bestand..? Aber damals sah man das halt so. Gewollt hat man den großen Krieg jedenfalls auf deutscher Seite nicht. Der Kaiser war bei Kriegsausbruch jedenfalls genauso blass und verstört wie es später Adolf Hitler nach der britisch-französischen Kriegserklärung war. Aber man hat den Krieg riskiert durch die Aktion gegen Serbien. DAS ist die deutsche Schuld. Was andere danach daraus gemacht haben, liegt eben außerhalb der deutschen Verantwortung. Hätte man auf Seiten der Entente den Krieg nicht gewollt, wäre es auch nicht dazu gekommen, denn die Serben abzuwatschn ist die eine Seite, ein Weltkrieg die andere.[...]
    Doch gewollt hat man ihn schon, man brauchte nur ein Ereignis wie Sarajevo. Wie ich oben aufgeführt hatte, war der Krieg nur Katalysator, in die kriegsziele waren eine Menge von kreisen involviert, und diese (Kriegsziele) waren keiner plötzlichen Überlegung entsprungen. De facto sollte eine dt. Hegemonie über Europa etabliert werden, das ist nicht gerade das, was man als Überfallener, der keinene Krieg wollte, als erstes anvisieren würde.
    Die Kriegsziele gingen ja nach kurzer Zeit selbst über die Hegemonie in Europa hinaus, bedenkt man die auch geplante koloniale Expansion. Ich erinnere daran, dass man schon nach rd einem Monat (!) über Afrika nachdachte, wohl auch weil selbst Delbrück die Annexionspläne in Europa zu krass (!) geworden waren und er einiges nach Übersee abzulenken gedachte (ich hatte das angeschnitten in meinen Beitrag hier in diesem Thread zuvor, Vgl. Beitrag #18.). Jagow hatte schon Ende August von Solf (dem StSek des Reichskolonialamts) gefordert, ihm eine Konzept für einen territoriale Expansion in Afrika vorzulegen, was dann auch geschah (Beleg folgt, wenn ich mit dem Inhalt durch bin). Darin war vorgesehen, dass zB Angola und die Nordhälfte von Mocambique angegliedert werden würden, beides Gebiete des neutralen Portugals (von einer reaktionären Kriegszielplanung durch den "überraschenden" Krieg kann hier net die Rede sein, das ist Weltpolitik von langer Hand). Neben diesen port. Erwerbungen sollten noch Belg. Kongo und Franz. Äquatorial-Afrika bis zum Tschadsee, sowie eine Vergrößerung Togos um Dahome und im Norden um Teile Senegambiens bis Timbuktu dazu kommen, so dass am Ende ein großer zusammenhängender Mega-Kolonialstaat im Kern Afrikas entstanden wäre, seine Nordgrenze zu den Briten wäre teils der Niger gewesen (Vgl. dazu: BAB, AA, Wk 15, geh. adh.: Jagow an Solf, 25.8.1914; dann Solfs Antworten (mit Karten): Solf an Jagow, 28.8.1914 und 25.9.1914.). Und was den Niger bzw. die Grenze zu den Briten betrifft, das wurde später von Solf sogar noch ausgeweitet, als er nämlich die Annexion Nigerias forderte, welches dann ein Verbindungsstück zwischen dem Togo-Timbuktu-Stück und den östlicheren Erwebungen am Tschadsee geworden wäre (Vgl dazu: BAB, AA, Wk, Bd. 2: Solf an Jagow, 8.9.1916.).

    Das ist Weltpolitik, die nicht aus dem Moment (1914) heraus geboren wird, der Krieg war ein willkommender Kataysator lang geplanter Weltpolitik.
    Aber bleiben wir von mir aus erstmal "nur" in Europa, denn das allein (das "Mitteleuropa-Ding") finde ich spricht schon für sich bzw. was ich (im anderen Beitrag) zuvor meinte, nämlich eine Planung von langer Hand und die Involvierung vieler Kreise, die über Kaiser & Militär hinausgehen.

    Angemerkt (Exkurs) sei hier kurz nur, dass die Pläne zwar auf bestimmten Eliten in Wirschaft und Politik zurückgehen, das dt. Volk (bzw. dessen gewählte Vertreter) ihn aber auch mittrug (!) - gemäß dieser öffentlichen Einstellung konnte es spielend leicht realisiert werden. Ich verweise darauf, dass der Theo schon vor Kriegsausbruch und "Burgfrieden"-Gelaber bereits entsprechende Erkundungen unternommen hatte bezüglich der Einstellung des RT. Und noch am 30. Juli berichtete er gegenüber dem preuß. Staatsministerium, dass "auch von der Sozialdemokratie und dem sozialdemokratischen Parteivorstand nichts Besonderes zu befürchten [ist], wie er aus Verhandlungen mit dem Reichstagsabgeordneten Südekum glaube schließen zu können. Von einem Generalstreik oder Parteistreik oder Sabotage werde keine Rede sein" (Vgl. dazu: Von Montgelas, Max, u.a. (Hg), Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914, Bd. 2, Berlin 1919, 2. Auflage 1922, S. 178, Dok. 456: Protokoll der Sitzung im preußischen Staatsministerium vom 30.7.1914.). Ich meine selbst Erzberger schrieb im September an Theo, dass die von Theo anvisierten Zielsetzungen "das Mindestmaß dessen dar[stellten], was das deutsche Volk in allen seinen Teilen als Forderung beim Friedensschluß" betrachten würde (Vgl dazu: BAB, RK, Gr. Hq. 21, 2476: Denkschrift Erzbergers, weiter an Reichskanzler, 2.9.1914.)
    Das nur als Zwischenvermerk, damit keiner sagt: "das war ne Verschwörung von wenigen Mächtigen blafurzkack" oder sowas...

    Also, zurück zum (langatmigen) wirschaftlich ausgerichteten Plan:
    Dieser Plan des zusammenhängenden mitteleuropäischen Wirtschaftsraum sah neben direkter territorialer Expansion eine dt. Hegemonie über noch weitere Teile Europas vor, ein Plan der primär innerhalb dt. Wirschafts-(! nicht Militär)Eliten mehr eingenistet und/oder verbreitet hatte. Maßgeblich Rathenau (aber auch andere, der ist nur exemplarisch), der eigentlich zusammen mit Carl Fürstenberg damals Geschäftsinhaber der Berliner Handelsgesellschaft war, sowie auch Obermotz der AEG, sorgte in seiner Funktion (er war - man merke auf - mit der Kriegs-Rohstoff-Abteilung betraut worden) dafür, dass diese Pläne auch definitiv (falls die Regierung auf einmal doch kalte Füße kriegen würde oder so) ihre Umsetzung in der Formulierung dt. Kriegsziele finden würden. Rathenau propagierte "offen" (natürlich sind das alles damals geheime Akten, ich meine nur "offen" von heute aus betrachtet, wenn es darum geht, ob sie es wollten oder net) ein dt. Mitteleuropa, welches stark genug sein sollte, um den USA und UK ebenbürtig zu werden, ebenso wie den Russen durch das (dann erfolgte) brechen ihrer Herrschaft über die nicht-russischen Völker (welche hier noch beschränkt bleiben auf Polen, Ukrainer, die 3 baltischen Völker und Finnen) und der daraus resultierenden Schwächung St. Petersburgs (Vgl dazu: BAB, RK, Gr. Hq 21, 2476: Brief Rathenaus an den Reichskanzler, 28.8.1914.).

    Ich hatte oben im Beitrag zuvor schonmal Gwinner, den Chef der Deutschen Bank, erwähnt, daher tun wir dies doch direkt wieder und führen wieder seine Beteiligung ins Feld. Er hatte sich ja gegen eine zu plumpe uns ausgereifte direkte Annexionspolitik ausgesprochen und sorgte dafür, dass das Konzept einer weniger "auffälligen" Expansionspolitik, nämlich der wirtschaftlichen, ein wichtiger Hauptfaktor bei der Ausarbeitung dt. Kriegsziele blieb. Zimmermann (der Unterstaastsekretär) hielt Gwinners Gedanken in einer Niederschrift für den Theo & den Jagow fest, welche Gwinners Absicht "Deutschlands wirtschaftliche Vorherrschaft zu etablieren" beinhaltete (Vgl dazu: BAB, RK, Gr. Hq 21, 2476, UStSek an StSek, 3.9.1914.).
    Die Umsetzung einer solchen Politik hat nunmal die Prämisse einer dt. Hegemonie in Europa, diese Hegemonie ist aber nur durch einen Krieg zu haben. Man hätte ein solches Konzept nicht überhaupt über Jahre hinweg entworfen, ohne einen Krieg (als Katalysator) einzuplanen.
    Theo gab sogar zu, dass die Umsetzung dieser Mitteleuropa-Geschichte an einen Siegfrieden Deutschlands gekoppelt war und sich "nur bei einem eventuell von uns zu diktierenden Frieden unter dem Druck politischer Überlegenheit erreichen lassen [würde]" (Vgl. dazu: BAB, RK, Gr. HQ. 21, 2476: Reichskanzler an Delbrück, 16.9.1914.). Und wie gesagt: solche Pläne (wie das Mitteleuropa-Ding) wurden net 1914 geboren (allein schon, weil sie im September 1914 zu ausgereift und langatming waren).

    Vielleicht doch noch, falls es wirklich Leutz (hier, in diesen Thread kommend) gibt, die nix davon wissen, hier nochmal die (ersten) dt. Kriegsziele, wie sie im September 1914 (daher auch "September-Programm"), also nach nur rd. einem Monat Krieg (!), formuliert worden waren (man beachte dabei auch die Stellen an meiner Hervorhegung durch "(!)"):

    "1. Frankreich
    Von den militärischen Stellen zu beurteilen, ob die Abtretung von Belford, des Westabhangs der Vogesen, die Schleifung der Festungen und die Abtretung des Küstestrichs von Dünkirchen bis Boulogne zu fordern ist.
    In jedem Falle abzutreten, weil für die Erzgewinnung unserer Industrie nötig [(!)], das Erzbecken von Briey.
    Ferner eine in Raten zahlbare Kriegsentschädigung; sie muß so hoch sein, daß Frankreich nicht imstande ist, in den nächsten achtzehn bis zwanzig Jahren erhebliche Mittel für Rüstung anzuwenden.
    Des weiteren [sic!]: ein Handelsvertrag, der Frankreich in wirtschaftliche Anhängigkeit [(!)] von Deutschland bringt, es zu unserem Exportland macht, und es ermöglicht, dem englischen handel in Frankreich auszuschalten. Dieser handelsvertrag muß uns finazielle und industrielle Bewegungsfreiheit in Frankreich schaffen - so, daß deutsche Unternehmungen nicht mehr anders als französische behandelt werden können.

    2. Belgien
    Angliederung von Lüttich und Verviers an Preußen, eines Grenzstriches der Provinz Luxemburg an Luxemburg.
    Zweifelhaft bleibt, ob Antwerpen mit einer Verbindung nach Lüttich gleichfalls zu annektieren ist.
    Gleichviel, jedenfalls muß Belgien, wenn es auch als Staat äußerlich bestehen bleibt, zu einem Vasallenstaat herabsinken, in etwa militärisch
    wichtigen Hafenplätzen ein besatzungsrecht zugestehen, seine Küste militärisch zur Verfügung stellen, wirtschaftliche zu einer deutschen Provinz werden. Bei einer solchen Lösung, die die Vorteile der Annexion, nicht aber ihre innenpolitisch nicht zu beseitigenden Nachteile hat, kann franz. Flandern mit Dünkirchen, Calais und Boulogne, mit größenteils flämischer Bevölkerung diesem unveränderten Belgien ohne Gefahr angegliedert werden. Den militärischen Wert dieser Position England gegenüber werden die zuständigen Stellen zu beurteilen haben.

    3. Luxemburg
    Wird deutscher Bundesstaat und erhält einen Streifen aus der jetzt belgischen Provinz Luxemburg und eventuell die Ecke von Longwy.

    4. Es ist zu erreichen die Gründung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsverbandes durch gemeinsame Zollabmachungen, unter Einschluß von Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Österreich-Ungarn, Polen und eventuell Italien, Schweden und Norwegen. Dieser Verband, wohl ohne gemeinsame konstitutionelle Spitze, unter äußerlicher Gleichberechtigung seiner Mitgleider, aber tatsächlich unter deutscher Führung [(!)], muß die wirtschaftliche Vorherrschaft Deutschlands über Mitteleuropa stabilisieren.

    5. Die Frage der kolonialen Erwerbungen, unter denen in erster Linie die Schaffung eines zusammenhängenden mittelafrikanischen Kolonialreichs anzustreben ist, desgleichen die Rußland gegenüber zu erreichenden Ziele werden später geprüft.
    Als grundlage der mit Frankreich und Belgien zu treffenden wirtschaftlichen Abmachungen ist eine kurze provisorische für einen eventuellen Präliminarfrieden geegnete Formel zu finden.

    6. Holland
    Es wird zu erwägen sein, durch welche Mittel und Maßnahmen Holland in ein engeres Verhältnis zu dem Deutschen Reich gebracht werden kann.
    Dies engere Verhältnis müßte bei Eigenart der Holländer von jedem Gefühl des Zwangs für sie frei sein, an dem Gang des holländischen Lebens nichts ändern, ihnen auch keine veränderten militärischen Pflichten bringen, Holland also äußerlich unabhängig belassen, innerlich aber in Abhängigkeit von uns bringen. Vielleicht ein die Kolonien einschließendes Schutz- und Trutzbündnis, jedenfalls enger Zollanschluß, eventuell die Abtretung von Antwerpen an Holland gegen das Zugeständnis eines deutschen Besatzungsrechts für die Befestigung Antwerpens wie für die Scheldemündung wäre zu erwägen"
    (Vgl dazu: BAB, RK, GR. Hq. 21, 2476: Reichskanzler an Delbrück, 9.9.1914.).

    Das sind eindeutig keine Kriegsziele die man formulierte aus Überlegungen heraus, die man erst vor einem Monat auszubauen begonnen hatte - das ist Politik der langen Hand. ZB das Einbeziehen Belgiens & Luxemburgs (ohne deutschen Einmarsch "neutralen) Staaten, oder der neutral bleibenden Niederlande, sowie auf der anderen Seite der Polen, usw...das zeigt doch deutlich die Absicht zur Hegemonie, und ein Krieg ist die einzige Möglichkeit zur Umsetzung solcher Pläne. Anders als wirtschaftlich wurden die Annexionen auch net bewertet; so schrieb Delbrück (zB) zurück an den Theo "Die Annexion des Erzbeckens von Briey kann überflüssig werden, wenn Frankreich und Deutschland ein Wirtschaftsgebiet werden" (Vgl. dazu: BAB, RK, Hq. 21, 2476: Delbrück an reichskanzler, 13.9.1914.), die Kriegsziele waren einem wirtschaftlichen Konzept einer dt. Hegemonie in Europa geschuldet, und sowas entstand net in einem Monat. Es war von langer Hand vorbereitete Weltpolitik, was ich auch (exemplarisch) 1915 an Theos Aufforderung an Tripitz zweigt, wonach Tirpitz sich zu der zukünftigen Gestaltung der beglischen Verhältnisse zu äußern hatte, dabei jedoch nicht nur vom Standpunkt seines Ressorts ausgehen sollte, sondern "von dem ganz allgemeinen [Standpunkt] der zukünftigen deutsche Wetlmachtstellung" (Vgl. dazu: BAB, RK, Gr. Hq 21, 2476: Reichskanzler an Staatssekretär des Reichsmarineamtes, 8.1.1915.).


    Solche Facetten (wie gesagt, wir befinden uns ganz am Anfang des Krieges) sind nicht "neu" sondern über größere Zeiträume konzipiert worden. Es geht aus den Quellen eindeutig hervor, dass man den Krieg sehr wohl gewollt hat (das hier ist ja nur exemplarisch hier, ich könnte Dich mit 1000ed überschütten, aber bedenke, ich mach das hier pro bono bzw. hab auch noch anderes zu tun als mich hier einzuloggen, daher geht das nicht solange ich meine Freizeit opfere). Man hat ihn nicht zwangsläufig 1914 gewollt - ging ja auch net - denn die Rede ist net davon, dass man ihn bewusst auslöste (das ist Quatsch). Die Rede ist davon, dass, als es einen möglichen Auslöser gab, dieser systematisch - lange gehegten Plänen folgend - gezielt zum Anheizen benutzt wurde, der Krieg als Katalysator musste ohnehin her. Dieser Umstand verhinderte a priori ein Einlenken bzw. eine Verhinderung des Krieges. Dass die anderen mitzogen ist dann klar, das galt ja immer für alle: in dem Moment wo sich der erste Unbeteiligte einmischt, sind fortan Alle beteiligt...Dh klar liegt das Betragen anderer Mächte außerhalb unserer Verantwortung, aber unabsehbar war das ja gerade net, sondern quasi naturgesetzmäßigkeit. Daher kann man so net argumentieren, nach dem Motto: die hätten auch sagen können, nee, wir machen net mit. Zudem geht es ja net darum, ob man den Krieg auf Seiten der Entente gewollt hatte, nachdem er schon angefangen war. Klar, dann haben sie es "dankend" angenommen, aber gravierendsten & stärksten Impulse gingen nunmal von Berlin aus. Man hätte sich rausgehalten, aber nur wir waren dazu (gemäß dem Plan bzw. der Notwendigkeit eines krieges, siehe oben) nicht dazu bereit. Dh die "schuld" am krieg trifft maßgeblich uns. Dh NICHT "Alleinschuld", das net, aber das ist auch eine ganz andere Kiste, das heisst sowas wie "die meiste Schuld" (wegen dem Konzept bzw. seiner Umsetzung, siehe oben). Wie ich schon ursprünglich sagte (Vgl Beitrag #18.) hatte die dt. Geheimpolitik spätestens (!) im Zuge der zweiten M-Krise 1911 systematisch auf einen Krieg hingesteuert und dafür entsprecheden Pläne ausgearbeitet. Das meine ich mit "die meiste" Schuld - in unserem politischen (!) Konzept für die Zukunft war eine Hegemonie Deutschlands vorgesehen, und diese war ohne Krieg nicht zu haben (und das war auch denen klar, waren ja net dämlich, daher der Schluss: sie planten (auch) den Krieg (mit) ein).

    Die Balkankriege 1912/13 gelten ja allgemein als "Vorspiel" zum WW1, aber das nicht nur wegen der zeitlichen Nähe, sondern hauptsächlich, weil dort schon innerhalb der Geheimdiplomatie solche Erwägungen, wie später (1914) gemacht worden waren (was wieder zeigt, dass es diese schon im Vorfeld gab - das hier groß aufzuzeigen würde wieder zu lange dauern, aber wäre problemlos machbar was die Quellen betrifft, aber dann eher im eigens dafür konzipierten Thread, für den ich aber jetzt keinen direkten Bedarf sehe). Dass Berlin damals Wien zur Zurückhaltung nötigte, erklärt sich daraus, dass man mit den Vorbereitungen noch nicht weit genug war (1914 glaubte man dann weit genug zu sein), was sich aus (exemplarisch) Theos Note ableiten lässt, als er von einer Intervention abriet mit den Worten (Unterstreichung vorgenommen durch realsniper): "Eine gewaltsame Lösung aber, selbst wenn manche Interessen der österreichischen Monarchie auf eine solche hindrängen sollten, in einem Augenblick herbeizuführen, in dem uns eine, wenn auch nur entfernte Aussicht eröffnet, den Konflikt unter für uns wesentlich günstigeren Bedingungen auszutragen, würde ich für einen Fehler [...] halten" (Vgl. dazu: Lepsius, Johannes, u.a. (Hg), Die Große Politik der Europäischen Kabinette, 1871-1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, Berlin 1922(ff), Bd. 34 I, Dok. 12818: Bethmann-Hollweg an Berchtold, 10.2.1913.). Man hielt sie nur solange zurück, bis man selbst soweit war (dass man das konnte bzw. das dort (Wien, St. Petersburg) ein permanenter Brennpunkt war, wäre Off- Topic, führt es doch in die 1880er Jahre zurück und in die Eigendynamik von Bismarcks Bündnispolitik bzw. seinem Logikfehler innerhlab ebd. - kann ich aber auch aufzeigen, nur eben net hier). Tschirinsky erläuterte die dt. Politk dieser Tage (bzw. Jahre vor dem Ausbruch des WW1) gegenüber von Berchtold, welcher dieses in seinem tagebuch im Eintrag vom 5. Mai 1913 wie folgt festhielt: "Alle letzten Kriege seien gewonnen worden von jenen, die sich Jahre darauf vorbereitet [...]. Wir [gemeint ist also Österreich-Ungarn] sollten uns auf einen Krieg vorbereiten, der uns Serbien und Monenegro und Nordalbanien, Italien Valona, Deutschland des Sieg über den Panslawismus zu bringen hätte" (Zit nach: Hantsch, Hugo, Leopold Graf Berchtold, Wien 1963, S. 420.).


    Es wurde "global" bzw. europäisch sehr sehr weit gedacht, und zwar in Berlin, Wien wurde von uns als Instrument mit hineingezogen (bzw. war unentbehrlich für unsere Politik). Und auch dies geschah schon im Vorfeld durch aktive (permanente) dt (!) Bestrebungen, die Österreicher auf einen kommenden Krieg einzustimmen, wie sich aus dem Bericht Berchtolds über seine Unterredung mit Wilhelm II. ableiten lässt (er wird darin schon nicht gelogen haben, handelte es sich doch um keine öffentliche Korrespondenz (noch einen für die Nachwelt/Forschung konzipierte Darstellung), sondern einen reinen Dialog von Kaiser zu Kaiser, bei welchem Berchtold nur als "Zusteller" fungierte), bei welcher Wilhelm II. wie folgt zitiert wurde: "Der Krieg zwischen Ost und West sei auf die Dauer unvermeidlich und wenn dann Österreich-Ungarn in seiner Flanke der Invasion einer respektablen Militärmacht ausgesetzt sein, so könne dies für den Ausgang des Völkerringens verhängnisvoll werden. [...] Und wenn sie [also die Österreicher] glauben, daß ihr Heil von Belgrad zu erwarten sei, dann müsse ihnen dieser Glaube genommen werden. Mit Serbien könne es für Österreich-Ungarn kein anderes Verhältnis geben, als jenes der Abhängigkeit des Kleineren vom Größeren. [...] [Der Kaiser - Wilhelm II - könne sich keinerlei andere Ordnung vorstellen], als die Vormachtstellung der Monarchie gegenüber allen dortigen Staatswesen" (Vgl dazu:Bittner, Ludwig, Übersberger, Hans (Hg), Österreich-Ungarns Außenpolitik von der bosnischen Krise 1908 bis zum Kriegsausbruch 1914. Diplomatische Aktenstücke des Österreich-Ungarischen Ministeriums des Äußeren, Bd. 7, Leipzig 1930, Dok. 8934: Bericht Berchtolds nach Wien, 28.10.1913.). Der Krieg wird als unvermeidlich bezeichnet, die österreichische Grundhaltung in der Balkanpolitik quasi vorgegeben (bzw. mitgeteilt, was der Kaiser (wilhelm II.) und die dt. Politik preferieren), ein Ausgleich bzw. eine gemäßgte Balkanaktivität Wiens wird nicht ins Auge gefasst (weil man in Berlin Wien ja - wie schon im Beitrag zuvor gesagt - als Werkzeug unbegingt brauchte, siehe "die Rolle des Provozierten" haben), ja explizit ausgeschlossen. Das mit dem Provozierten war sogar so tief in das Grundkonzept eingeflossen, dass man (bzw. idF der Theo, aber er war ja net der einzige) glaubte, solange man diese Rolle einnehmen würde, London aus dem Kriege gehalten werden könnte (und schon allein deshalb war es unumgänglich an Wien als Instrument zur Auslösung festzuhalten, um vor London dann als "der Provozierte" (dann durch Russland & Frankreich) darzustehen). Theo berichtete im Zuge der Londoner Konferenz ab Ende 1912, er halte es für "nach vielen Anzeichen zum mindesten zweifelhaft, ob England aktiv eingreifen würde, wenn Rußland und Frankreich direkt als die Provozierenden erschienen [...] [, England aber dann erst zugunsten eines] niedergeworfenen Frankreichs nachträglich - zunächst wohl diplomatisch - eintreten würde" (Vgl. dazu: BAB, AA, Abt. England 78, geh., Bd. 31: Reichskanzler an Deutschen Kaiser, 18.12.1912.). Diese Kalkulation (siehe Hillgruber, Beitrag zuvor) war da, und das schon lange vor dem Sommer 1914; und warum sollte man auf & für etwas kalkulieren, dass man nicht auch in naher Zukunft vor hat Realität werden zu lassen (idF den europäischen Krieg)? Zudem wusste man in Berlin (trotz der Einschätzung vom Theo, von der ich nicht beweisen kann, dass er wissentlich von einer solch fehlgeleiteten Annahme ausging) nachweislich, dass London der msetzung im Wege stehen würde, wie sich am Bericht Lichnowskys zeigt, wo er klar herausstellt, dass "Englands Politik uns gegenüber eine friedliche und freundschaftliche ist, daß aber keine britische Regierung es mit den Lebensinteressen des landes vereinbar halten würde, eine weitere Schwächung Frankreichs zuzulassen" (Vgl dazu: BAB, AA, Abt. England 78, geh., Bd. 31: Lichnowsky an Reichskanzler, 9.12.1912.).

    Abschließend dazu (und zu diesem Beitrag für heute generell - ich wollte noch in andere Threads rein bevor ich gleich gehen muss) vielleicht noch ein anderer Aspekt, der uns (Dt.) die "Vorzeitigkeit" in Bezug auf die Kriegsplanung nachweist. Gemäß der neuen Doktrin eines solchen Krieges wie des Großen Europäischen Krieges, nämlich weg vom Kabinettskrieg hin zum Volkskrieg, wurden bereits früh zahlreiche Überlegungen (auch des Kaisers!) angestellt und über Verwaltungsakten und sonst. amtl. Korrespondenz) festgehalten. Das belege ich hier zum Ende kurz (wieder nur exemplarisch - es gibt mehr) mit dem Kaiser selbst, welcher in der selben Unterredung wie oben schon davon sprach, dass es sich bei der Situation am Balkan nicht um Sachverhalte handeln würde, "die durch Diplomatiearbeit geschaffen und gestaltet worden sind, sondern um einen weltgeschichtlichen Prozeß [(!)], in die Kategorie der Völkerwanderung einzureihen, in diesem Falle um ein mächtiges Vordringen der Slawenmacht" (Vgl dazu: Dok. 8934, wie die letzte Anmerkung zuvor, siehe oben.). Und sowas ließ auch er andauernd ab, Gesülze vom Kampf der europäischen Volksgruppen gegen einander, so auch in seiner persönlichen "Einschätzung" der Lage 1912, als er schrieb: "England wird aus Haß und Neid gegen Deutschland unbedingt Frankreich und Rußland beistehen. Der ev. Existenzkampf [(!)], den die Germanen in Europa gegen die von Romanen unterstützten Slaven zu fechten haben werden, findet die Angelsachsen auf der Seite der Slaven [...]. Grund: Neidhammel, Angst unseres Zugroßwerdens!" (Vgl dazu: BAB, AA, Abt. England 78, geh., Bd. 31: Kaiser an Kiderlen-Wächter, 8.12.1914.). Damit folgte er nur führenden Militärs, die um die notwendige Mobilisierung der Bürger für einen Volkskrieg wussten. Müller (den hatte ich zuvor auch schon zitiert, der Obermotz des Marinekabinetts, siehe Beitag zuvor) zB forderte "durch die Presse das Volk darüber aufzuklären, welche großen nationalen Interessen auch für Deutschland bei einem durch den österreichisch-serbischen Konflikt entstehenden Krieg auf dem Spiele ständen. [...] Das Volk dürfe nicht in die Lage versetzt werden, sich erst bei Ausbruch eines großen europäischen Krieges die Frage vorzulegen, für welche Interessen Deutschland in diesem Kriege zu kämpfen habe. Das Volk müsse vielmehr schon vorher [(!)] mit dem Gedanken an einen solchen Krieg vertraut gemacht werden" (Vgl. dazu: BAB, AA, Abt. Deutschland 137, geh., Bd. 7: v. Müller an Deutschen Kaiser, 8.12.1912.), was ürbrigens auch für eine Politik von langer Hand spricht. Und der Kaiser surfte auf dieser Welle mit und zeigte nur weiter seine Haltung der Determiniertheit wenn er so n Blech abließ wie "Der Kampf zwischen Slawen und Germanen ist nicht mehr zu umgehen, er kommt sicher. Wann? Das findet sich" (Vgl. dazu: Lepsius, Johannes, u.a. (Hg), Die Große Politik der Europäischen Kabinette, 1871-1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, Berlin 1922(ff), Bd. 34 II, S. 811: Schlussbemerkung Wilhelms II. zum Schreiben Pourtalès an Bethmann-Hollweg, 6.5.1913.). Und auch hier, besonders im letzten Teil (Wann? Das findet sich), erkennt man das warten auf den richtigen Augenblick, bei entschlossenem Festhalten an der a priori Unvermeidbarkeit eines Krieges.

    Das könnte ich ewig so weiter machen, aber ich muss echt mal los jetzt, wieder viel zu lange hier zusammengetragen und v.a. eingetippt, dat wars für jetzt.

    MfG

    Sniper

  5. #25
    Enfant terrible Benutzerbild von Cinnamon
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    Standard AW: Unverschuldet?

    Zitat Zitat von Guilelmus Beitrag anzeigen
    Da wirst du lange warten müssen - bei denen geht es nicht um Beweise [nur Juden brauchen Beweise, sagte man mir mal auf Thiazi ], dahinter steht nicht das Interesse an der Erforschung der Geschichte, sondern das Vermitteln einer Ideologie. Was nach dem 1. WK. schon einmal klappte - sämtliche Probleme auf die Siegermächte abwälzen und daraus politisch zu profitieren - wird seit dem Ende des 2. WK. versucht, allerdings ohne Erfolg.
    Niemand, der sich ehrlich mit der Geschichte des 1. WK. beschäftigt, wird dies unterschlagen:
    Wladimir Freiherr von Giesl, der österreichische Gesandte in Belgrad, war während des gemeinsamen Ministerrates vom 7.Juli 1914 in Wien; er erhielt an diesem Tag vom österreichisch-ungarischen Außenminister Graf Berchtold die Weisung: „Wie immer die Serben reagieren - Sie müssen die Beziehungen abbrechen und [aus Belgrad] abreisen; es muß zum Krieg kommen."

    Als Theodor Wolff in einem Gespräch über den Ausbruch des Krieges mit dem Leiter des Reichskolonialamtes Wilhelm Solf, dem Dramatiker Frank Wedekind und einer Reihe von Offizieren und Politikern im April 1916 die ironische Bemerkung machte, Deutschland sei 1914 „ruchlos überfallen" worden, lachten alle über diesen Witz.

    (Der Erste Weltkrieg Wirkung-Wahrnehmung-Analyse Herausgegeben von Wolfgang Michalka. S.209/210)
    Das korrespondiert ja auch eher mit den tatsächlichen Kriegszielen, als das, was die Heroisierer des 1. WK uns immer erzählen. Es ging ja prinzipiell um die Erweiterung des eigenen Machtbereiches. Der Tod des österreichischen Thronfolgerpaares war da nur der willkommene Anlass, der Krieg selbst war längst geplant und beschlossen. Im Endeffekt wusste jeder, dass er, wenn er verliert, sehr hoch verlieren wird.

    Dazu kommt, dass die Briten sich arg von der deutschen Flottenpolitik unter Wilhelm II. provoziert gefühlt haben, während die Franzosen die Demütigung durch die Kaiserausrufung in Versailles rächen wollten. Im Endeffekt fühlten sich Europas Großmächte dann sowieso noch darin bestätigt, dass sie den Versuch der Bildung eines deutschen Nationalstaates 1848 verhindert hatten. Immerhin wollten sie Deutschland ja als Puffer zwischen sich und sahen voraus, dass es Europa destabilisieren würde, wenn im Herzen Europas noch eine Großmacht entsteht, zumal noch unter preußiischer Führung. Deutschlands Verhängnis war nicht, dass es zu erfolgreich war, sondern dass seine Bildung als Staat zu wenig im Einklang mit den Interessen des restlichen Europas stand. Wir hätten unseren Nationalstaat wohl auch billiger haben können, bspw. durch eine weniger dominante Rolle Preußens und weniger Streben nach dem Status als Großmacht. Dann hätten wir auch beständigen Frieden haben können, zumindest sehr wahrscheinlich.
    Mit Zimt und Zucker

  6. #26
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    Standard AW: Unverschuldet?

    Zitat Zitat von realsniper Beitrag anzeigen
    Leider ist das so - hier (überall in diesem Forum) geht es nicht um die rekonstruktion von Fakten, sondern um das konstruieren von Alternativrealitäten, die jedoch nicht konstruiert (mit "festen" Bausteinen), sondern eher kreiiert werden, frei nach Wunschvorstellungen...
    Aber das checkn die Meisten, die sowas tun, erst gar nicht bzw. ebd. Unterschied.
    Wenn sie wenigstens eine Herausforderung darstellen würden, aber jedes trisomerische Kleinkind hat eine schnellere Auffassungsgabe als diese Althunnen und zelotischen Hitlerkids. Mehr als tausendfach widerlegte Verschwörungstheorien kommen da nicht...

    Zitat Zitat von realsniper Beitrag anzeigen
    (...)
    Ich meine selbst Erzberger schrieb im September an Theo, dass die von Theo anvisierten Zielsetzungen "das Mindestmaß dessen dar[stellten], was das deutsche Volk in allen seinen Teilen als Forderung beim Friedensschluß" betrachten würde (Vgl dazu: BAB, RK, Gr. Hq. 21, 2476: Denkschrift Erzbergers, weiter an Reichskanzler, 2.9.1914.)
    Das nur als Zwischenvermerk, damit keiner sagt: "das war ne Verschwörung von wenigen Mächtigen blafurzkack" oder sowas...
    Naja, aber Erzberger gehörte zu den Mächtigen, und Liberalismus und Imperialismus gehen Hand in Hand, was für die USA die Hegemonie durch Demokratie ist, war für das Deutsche Reich die Hegemonie über Mitteleuropa (und Mittelafrika).
    Wären sie die preußisch-deutschen Imperialisten und NS ihrer Sache so sicher gewesen, hätten sie ja nicht diese umfangreiche Propaganda zur Irreführung des Volkes betrieben [„mitten im Frieden überfällt uns der Feind", „ab 5:45 wird zurückgeschossen" usw.] - denke nur an die Zentralstelle zur Erforschung der Kriegsschuldfrage - es sind die Propagandalügen u.a. dieser pseudowissenschaftlichen Quellen, die hier mit solch autistischer Rage verteidigt werden.

    Zitat Zitat von Cinnamon Beitrag anzeigen
    Das korrespondiert ja auch eher mit den tatsächlichen Kriegszielen, als das, was die Heroisierer des 1. WK uns immer erzählen. Es ging ja prinzipiell um die Erweiterung des eigenen Machtbereiches. Der Tod des österreichischen Thronfolgerpaares war da nur der willkommene Anlass, der Krieg selbst war längst geplant und beschlossen. Im Endeffekt wusste jeder, dass er, wenn er verliert, sehr hoch verlieren wird.
    Als Kaiserin „Sisi" Elisabeth in der Schweiz von einem Italiener ermordet wurde, gab es keine Pläne der Schweiz oder Italien den Krieg zu erklären...
    Natürlich, wenn geschossen wird, geht es immer um Macht, das ist bei uns höheren Primaten nicht anderst als bei Ameisen.
    Zitat Zitat von Cinnamon Beitrag anzeigen
    Dazu kommt, dass die Briten sich arg von der deutschen Flottenpolitik unter Wilhelm II. provoziert gefühlt haben, während die Franzosen die Demütigung durch die Kaiserausrufung in Versailles rächen wollten. Im Endeffekt fühlten sich Europas Großmächte dann sowieso noch darin bestätigt, dass sie den Versuch der Bildung eines deutschen Nationalstaates 1848 verhindert hatten. Immerhin wollten sie Deutschland ja als Puffer zwischen sich und sahen voraus, dass es Europa destabilisieren würde, wenn im Herzen Europas noch eine Großmacht entsteht, zumal noch unter preußiischer Führung. Deutschlands Verhängnis war nicht, dass es zu erfolgreich war, sondern dass seine Bildung als Staat zu wenig im Einklang mit den Interessen des restlichen Europas stand. Wir hätten unseren Nationalstaat wohl auch billiger haben können, bspw. durch eine weniger dominante Rolle Preußens und weniger Streben nach dem Status als Großmacht. Dann hätten wir auch beständigen Frieden haben können, zumindest sehr wahrscheinlich.
    Was die wenigsten wissen, ursprünglich war die Flottenrüstung gegen die USA vorgesehen (siehe Operationsplan III).
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    Hätte eine alliierte Absicht bestanden, das Deutsche Reich aufzulösen, dann hätten sie es getan, aber gerade GB war nicht erpicht darauf einen deutschen Hegemon gegen einen französischen zu tauschen, deswegen versuchten sie ja zweimal, 1914 und 1939, einen Krieg zu verhindern und mit den deutschen imperialistischen Ambitionen in's Geschäft zu kommen (siehe auch die gescheiterte Haldane-Mission
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    und deswegen drückten sie ja beim Versailler-Vertrag so auf die Bremse. Hätte Frankreich bekommen, was es wollte, wären z.B alle Linksrheinischen Gebiete annektiert worden. Das „Streben nach Großmacht" ist nichts typisch deutsches, sondern typisch für alle Machtkonzentrationen (Reiche, Staaten, Konzerne), besonderst Reiche mit einer jungen, erfolgs- und beutehungrigen männlichen Bevölkerung neigen dazu, ihe Machtansprüche kriegerisch auszuweiten. Das war noch nie anderst, und wird auch nicht anderst sein. Noch haben „wir" den technologischen Vorsprung, aber die demographische Bombe haben andere.*



    *
    "Places on earth where people are most diligently killing each other are those of ethnic, religious and racial diversity, which we whites are supposed to celebrate!" Jared Taylor
    "Democracy is two wolves and a lamb voting on what to have for lunch. Liberty is a well-armed lamb contesting the vote." Benjamin Franklin

  7. #27
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    Standard AW: Unverschuldet?

    Zitat Zitat von Guilelmus Beitrag anzeigen
    Wenn sie wenigstens eine Herausforderung darstellen würden, aber jedes trisomerische Kleinkind hat eine schnellere Auffassungsgabe als diese Althunnen und zelotischen Hitlerkids. Mehr als tausendfach widerlegte Verschwörungstheorien kommen da nicht...


    Naja, aber Erzberger gehörte zu den Mächtigen, und Liberalismus und Imperialismus gehen Hand in Hand, was für die USA die Hegemonie durch Demokratie ist, war für das Deutsche Reich die Hegemonie über Mitteleuropa (und Mittelafrika).
    Wären sie die preußisch-deutschen Imperialisten und NS ihrer Sache so sicher gewesen, hätten sie ja nicht diese umfangreiche Propaganda zur Irreführung des Volkes betrieben [„mitten im Frieden überfällt uns der Feind", „ab 5:45 wird zurückgeschossen" usw.] - denke nur an die Zentralstelle zur Erforschung der Kriegsschuldfrage - es sind die Propagandalügen u.a. dieser pseudowissenschaftlichen Quellen, die hier mit solch autistischer Rage verteidigt werden.


    Als Kaiserin „Sisi" Elisabeth in der Schweiz von einem Italiener ermordet wurde, gab es keine Pläne der Schweiz oder Italien den Krieg zu erklären...
    Natürlich, wenn geschossen wird, geht es immer um Macht, das ist bei uns höheren Primaten nicht anderst als bei Ameisen.

    Was die wenigsten wissen, ursprünglich war die Flottenrüstung gegen die USA vorgesehen (siehe Operationsplan III).
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    Hätte eine alliierte Absicht bestanden, das Deutsche Reich aufzulösen, dann hätten sie es getan, aber gerade GB war nicht erpicht darauf einen deutschen Hegemon gegen einen französischen zu tauschen, deswegen versuchten sie ja zweimal, 1914 und 1939, einen Krieg zu verhindern und mit den deutschen imperialistischen Ambitionen in's Geschäft zu kommen (siehe auch die gescheiterte Haldane-Mission
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    und deswegen drückten sie ja beim Versailler-Vertrag so auf die Bremse. Hätte Frankreich bekommen, was es wollte, wären z.B alle Linksrheinischen Gebiete annektiert worden. Das „Streben nach Großmacht" ist nichts typisch deutsches, sondern typisch für alle Machtkonzentrationen (Reiche, Staaten, Konzerne), besonderst Reiche mit einer jungen, erfolgs- und beutehungrigen männlichen Bevölkerung neigen dazu, ihe Machtansprüche kriegerisch auszuweiten. Das war noch nie anderst, und wird auch nicht anderst sein. Noch haben „wir" den technologischen Vorsprung, aber die demographische Bombe haben andere.*



    *
    Ja. Die Briten haben beständig eine deutschfreundliche Politik gefahren und waren sehr erpicht darauf, in Europa ein Gleichgewicht zwischen den Mächten zu halten. Leider haben das die damaligen deutschen Regierungen nicht richtig zu würdigen gewusst. Immerhin hätten sie sonst z. B. die unnötigen Provokationen gegenüber Großbritannien unterlassen etc. Die britische Öffentlichkeit war ja auch damals extrem gegen den Versailler Vertrag, der vielen Briten viel zu hart erschienen ist.

    Auch später, im Zweiten Weltkrieg, haben die Briten im Vorfeld ja laufend auf Frieden hingearbeitet. Hitler trieb es ja erst soweit, dass die Briten schon um ihr Gesicht zu wahren in den Krieg ziehen mussten. Anfangs gab es ja auch zwischen Deutschland und Großbritannien und sogar Frankreich nur ein paar wenige Scharmützel, aber keine ernsthaften Kampfhandlungen. Die kamen erst später, als die deutsche Luftwaffe Coventry zerstörte. Immerhin wurde Großbritannien ja seit der Schlacht von Hastings nie wieder von einer fremden Macht erobert und dieser Angriff ging damit gewissermaßen an einen der Kernpunkte des britischen Nationalbewusstseins heran.

    Die deutschfreundliche Haltung vieler Briten zeigte sich dann wieder 1990. Die Thatcherregierung war ja ursprünglich gegen die Wiedervereinigung. Aber die britische Öffentlichkeit und das House of Commons waren mehrheitlich für die britische Zustimmung zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten, und so lenkte Thatcher ein.
    Mit Zimt und Zucker

  8. #28
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    Standard AW: Unverschuldet?

    Zitat Zitat von Guilelmus Beitrag anzeigen
    Wenn sie wenigstens eine Herausforderung darstellen würden, aber jedes trisomerische Kleinkind hat eine schnellere Auffassungsgabe als diese Althunnen und zelotischen Hitlerkids. Mehr als tausendfach widerlegte Verschwörungstheorien kommen da nicht...[…]



    Ja, und daher ist es auch sinnlos weiter über die zu reden. Denen kann man nicht helfen, weil sie beschlossen haben, dumm zu bleiben (davon zeugt ihre par tout Nichtbereitschaft sich mit Quellen und Gegendarstellungen überhaupt auseinanderzusetzen, noch wenigstens eine Fundierung der eigenen (unfundierbaren – sonst hätte jemand schon eine Forschungsarbeit darüber verfasst, das hätte sich keiner entgehen lassen als Historiker) Seite überhaupt zu versuchen. Eigentlich sind sie der Worte nicht wert – sind ja nicht meine Kinder, also warum soll ich mich darum kümmern, dass sie net weiter dumm bleiben. Sch#+ß drauf, hehe, sollen sie doch – das ist dann das Problem ihrer Eltern, bzw. später noch das viel größere und tiefer einschneidende Problem ihrer Nachkommen irgendwann, wenn sie denn Frauen finden, die sich schwängern lassen von offensichtlich (!) dümmlichen Männchen.
    Nun denn…



    Zitat Zitat von Guilelmus Beitrag anzeigen
    […]
    Naja, aber Erzberger gehörte zu den Mächtigen, und Liberalismus und Imperialismus gehen Hand in Hand, was für die USA die Hegemonie durch Demokratie ist, war für das Deutsche Reich die Hegemonie über Mitteleuropa (und Mittelafrika).
    Wären sie die preußisch-deutschen Imperialisten und NS ihrer Sache so sicher gewesen, hätten sie ja nicht diese umfangreiche Propaganda zur Irreführung des Volkes betrieben [„mitten im Frieden überfällt uns der Feind", „ab 5:45 wird zurückgeschossen" usw.] - denke nur an die Zentralstelle zur Erforschung der Kriegsschuldfrage - es sind die Propagandalügen u.a. dieser pseudowissenschaftlichen Quellen, die hier mit solch autistischer Rage verteidigt werden.[…]


    Ich hatte Erzberger net speziell nennen wollen, es war nur ein Bsp, dass mir zufällig beim Zusammentragen der anderen Quellen in die Hände fiel. Er steht dabei stellvertretend für den RT, selbst SPD-Politiker waren damals einer solchen Politik net abgeneigt.

    Und:
    „autistische Rage“ gefällt mir, merk ich mir, hehe . Benutz ich fortan bestimmt mal ab und an.

    Zitat Zitat von Cinnamon Beitrag anzeigen
    Ja. Die Briten haben beständig eine deutschfreundliche Politik gefahren und waren sehr erpicht darauf, in Europa ein Gleichgewicht zwischen den Mächten zu halten. Leider haben das die damaligen deutschen Regierungen nicht richtig zu würdigen gewusst. Immerhin hätten sie sonst z. B. die unnötigen Provokationen gegenüber Großbritannien unterlassen etc. Die britische Öffentlichkeit war ja auch damals extrem gegen den Versailler Vertrag, der vielen Briten viel zu hart erschienen ist.

    Auch später, im Zweiten Weltkrieg, haben die Briten im Vorfeld ja laufend auf Frieden hingearbeitet. Hitler trieb es ja erst soweit, dass die Briten schon um ihr Gesicht zu wahren in den Krieg ziehen mussten. Anfangs gab es ja auch zwischen Deutschland und Großbritannien und sogar Frankreich nur ein paar wenige Scharmützel, aber keine ernsthaften Kampfhandlungen. Die kamen erst später, als die deutsche Luftwaffe Coventry zerstörte. Immerhin wurde Großbritannien ja seit der Schlacht von Hastings nie wieder von einer fremden Macht erobert und dieser Angriff ging damit gewissermaßen an einen der Kernpunkte des britischen Nationalbewusstseins heran.

    Die deutschfreundliche Haltung vieler Briten zeigte sich dann wieder 1990. Die Thatcherregierung war ja ursprünglich gegen die Wiedervereinigung. Aber die britische Öffentlichkeit und das House of Commons waren mehrheitlich für die britische Zustimmung zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten, und so lenkte Thatcher ein.


    RISCHTISCH.

    Tatsächlich waren die Briten grundsätzlich seit 1870 fair solange sie dies konnten. Aber wir hatten selbst dafür gesorgt, dass wir sie in den 20 Jahren vor dem Kriegsausbruch 1914 immer weiter von uns abgedrängt hatten – Wenn es eine tatsächliche Möglichkeit zum schmieden einer beständigen Allianz im Europa der Jahrhundertwende gab, dann wäre es eine aus Berlin & Rom gewesen. Aber wir habens vermasselt, und vielleicht ist das auch der Grund, warum dieses Kaputten hier das oftmals leugnen: weil es ihnen einfach peinlich ist (was ich zwar net verstehe, weil WIR doch nicht damals gelebt hatten, aber nun gut…). Aber dafür wäre ein sep. Thread nötig, die dt-brit. Beziehungen seit 1870 sind ein doch so komplexes Thema, dass ich das hier einerseits wegen der Zeit, andererseits, weil’s dann doch off-topic wäre, ausbreiten kann.

    Dass sie 1990 gegen eine deutsche Vereinigung waren, ergibt sich aber auch als historischer Erfahrung. Wir urteilen darüber ganz anders, denn für uns ist das alles schon Geschichte. 1989/90 war das noch net allzu lange (historisch betrachtet wäre „lang“ mindestens 100, wenn net mehr Jahre) her, dass ein geeintes Deutschland mächtig Palava gemacht hatte. Eigentlich teilten alle West-Siegermächte diese Sorge, tatsächlich (und das ist das „verrückte“) waren es die Russen, die sich direkt nach Zusammenbruch der DDR dafür aussprachen – das einzige Problem was es zu klären gab war die Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO oder dem (noch bestehenden) Warschauer Pakt.
    Aber auch das wäre jetzt off Topic, daher nochmal zurück zu 1914:
    Tatsächlich hatten sich die Briten – wie gesagt – so lange und dem Maße fair verhalten, wie die dt. Außenpolitik nach Bismarck dies zuließ.

    Die hätten MIT uns Politik betrieben, aber wir trieben sie konstant über mehr als 20 Jahre lang in die Wahl, die sie 1914 trafen. Das will nur keiner hier hören, außerdem wissen wir doch, dass ich (wie Du ja jetzt auch) „antideutsch“ bin, weil ich es wage eine Wahrheit auszusprechen, die wieder unsere (angeblich so) weiße Weste befleckt.


    MfG

    Sniper

  9. #29
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    Standard AW: Unverschuldet?

    Zitat Zitat von realsniper Beitrag anzeigen
    Leider ist das so - hier (überall in diesem Forum) geht es nicht um die rekonstruktion von Fakten, sondern um das konstruieren von Alternativrealitäten, die jedoch nicht konstruiert (mit "festen" Bausteinen), sondern eher kreiiert werden, frei nach Wunschvorstellungen...
    Aber das checkn die Meisten, die sowas tun, erst gar nicht bzw. ebd. Unterschied.


    Dann Rumpel:
    ÜBERTRAG AUS ANDEREM THREAD

    Also hier das ausgelagerte:




    Das ist nicht korrekt. Überall gibt es Quellenangaben, wenn es sich um zB Zahlenangaben handelt, die sich aus 1000en von Quellen ergeben (so dass eine Aufzählung 5 Seiten mit nur Fußnoten bedeuten müsste), werden Quelleeditionen (dh Bücher, wo Quellen gesammelt wurden - unverändert und undkommentiert). So würde ich zB bei der behauptung die dt. Personlastärke bei den Streitkräften ist in den 10 Jahren von 1890 bis 1900 um 20.000 gestiegen, dann muss ich dazu nicht alle Einberufungen und sonstige Militär- und Verwaltungsakten, wie Chroniken und Sterberegister anführen, sondern einfach eine Edition, die diese zusammengefasst auf einer Seite aufführt (hier wäre das: Sautter, Udo, Deutsche Geschichte seit 1815: Daten, Fakten, Dokumente, Bd. 1: Daten und Fakten, Tübingen 2004, S. 196.). Und was konkrete Inhalte wie zB Korrespondenzen betrifft, gibt es auch Editionen, die nur nummerierte original Dokumente führen, zB sowas wie BAB (Hg), Der Weltkrieg 1914-18, Berlin 1956, usw...
    Kein seriöser Historker verfasst eine wissenschafliche Arbeit, die nicht belegt ist (das geht gar net). Wenn nur Buchttitel angegeben werden, bei denen es sich selbst schon um SekLit und net etwa um Editionen handelt, dann gilt der Verweis den Fußnoten auf der zitierten Seite, wo sich dann die Primärquellen finden (oder eben ein weiteres Stück SekLit, aber nach so 2-3 Büchern spätestens kommt man stets bei der Primärquellen an und prüft sie selbst).



    Nein nein, lies dat nicht (brauchste net), ich meinte das ja nur weil Du meintest, ich würde sonst nur Smileys machen und sonst nix. Das war nur ein Bsp für meine üblichen Längen bei Beiträgen. Zum Thema Namibia (Genozid vs. kein Genozid) hatte ich dort aber schon alles (bzw. ausreichend) gesagt, ich würde mich jetzt nur noch wiederholen...



    Ich hatte daher aber extra auch dt. Quellen (den Theo, den Tirpitz, den Jagow, etc.) miteinbezogen. Und was die Zeitspanne betrifft: ich mach doch hier net ne Darstellung der Kriegsursachen en Detail mit Prequel usw, weil ich
    1. dafür net bezahlt werde und/oder mir dafür eben net die zeit nehmen werde
    und
    2. es doch ohnehin (mehr als) reichlich Forschungsliteratur dazu gibt, wozu also etwas hier machen, was andere schon gemacht hatten in bestimmten Werken.



    Doch gewollt hat man ihn schon, man brauchte nur ein Ereignis wie Sarajevo. Wie ich oben aufgeführt hatte, war der Krieg nur Katalysator, in die kriegsziele waren eine Menge von kreisen involviert, und diese (Kriegsziele) waren keiner plötzlichen Überlegung entsprungen. De facto sollte eine dt. Hegemonie über Europa etabliert werden, das ist nicht gerade das, was man als Überfallener, der keinene Krieg wollte, als erstes anvisieren würde.
    Die Kriegsziele gingen ja nach kurzer Zeit selbst über die Hegemonie in Europa hinaus, bedenkt man die auch geplante koloniale Expansion. Ich erinnere daran, dass man schon nach rd einem Monat (!) über Afrika nachdachte, wohl auch weil selbst Delbrück die Annexionspläne in Europa zu krass (!) geworden waren und er einiges nach Übersee abzulenken gedachte (ich hatte das angeschnitten in meinen Beitrag hier in diesem Thread zuvor, Vgl. Beitrag #18.). Jagow hatte schon Ende August von Solf (dem StSek des Reichskolonialamts) gefordert, ihm eine Konzept für einen territoriale Expansion in Afrika vorzulegen, was dann auch geschah (Beleg folgt, wenn ich mit dem Inhalt durch bin). Darin war vorgesehen, dass zB Angola und die Nordhälfte von Mocambique angegliedert werden würden, beides Gebiete des neutralen Portugals (von einer reaktionären Kriegszielplanung durch den "überraschenden" Krieg kann hier net die Rede sein, das ist Weltpolitik von langer Hand). Neben diesen port. Erwerbungen sollten noch Belg. Kongo und Franz. Äquatorial-Afrika bis zum Tschadsee, sowie eine Vergrößerung Togos um Dahome und im Norden um Teile Senegambiens bis Timbuktu dazu kommen, so dass am Ende ein großer zusammenhängender Mega-Kolonialstaat im Kern Afrikas entstanden wäre, seine Nordgrenze zu den Briten wäre teils der Niger gewesen (Vgl. dazu: BAB, AA, Wk 15, geh. adh.: Jagow an Solf, 25.8.1914; dann Solfs Antworten (mit Karten): Solf an Jagow, 28.8.1914 und 25.9.1914.). Und was den Niger bzw. die Grenze zu den Briten betrifft, das wurde später von Solf sogar noch ausgeweitet, als er nämlich die Annexion Nigerias forderte, welches dann ein Verbindungsstück zwischen dem Togo-Timbuktu-Stück und den östlicheren Erwebungen am Tschadsee geworden wäre (Vgl dazu: BAB, AA, Wk, Bd. 2: Solf an Jagow, 8.9.1916.).

    Das ist Weltpolitik, die nicht aus dem Moment (1914) heraus geboren wird, der Krieg war ein willkommender Kataysator lang geplanter Weltpolitik.
    Aber bleiben wir von mir aus erstmal "nur" in Europa, denn das allein (das "Mitteleuropa-Ding") finde ich spricht schon für sich bzw. was ich (im anderen Beitrag) zuvor meinte, nämlich eine Planung von langer Hand und die Involvierung vieler Kreise, die über Kaiser & Militär hinausgehen.

    Angemerkt (Exkurs) sei hier kurz nur, dass die Pläne zwar auf bestimmten Eliten in Wirschaft und Politik zurückgehen, das dt. Volk (bzw. dessen gewählte Vertreter) ihn aber auch mittrug (!) - gemäß dieser öffentlichen Einstellung konnte es spielend leicht realisiert werden. Ich verweise darauf, dass der Theo schon vor Kriegsausbruch und "Burgfrieden"-Gelaber bereits entsprechende Erkundungen unternommen hatte bezüglich der Einstellung des RT. Und noch am 30. Juli berichtete er gegenüber dem preuß. Staatsministerium, dass "auch von der Sozialdemokratie und dem sozialdemokratischen Parteivorstand nichts Besonderes zu befürchten [ist], wie er aus Verhandlungen mit dem Reichstagsabgeordneten Südekum glaube schließen zu können. Von einem Generalstreik oder Parteistreik oder Sabotage werde keine Rede sein" (Vgl. dazu: Von Montgelas, Max, u.a. (Hg), Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914, Bd. 2, Berlin 1919, 2. Auflage 1922, S. 178, Dok. 456: Protokoll der Sitzung im preußischen Staatsministerium vom 30.7.1914.). Ich meine selbst Erzberger schrieb im September an Theo, dass die von Theo anvisierten Zielsetzungen "das Mindestmaß dessen dar[stellten], was das deutsche Volk in allen seinen Teilen als Forderung beim Friedensschluß" betrachten würde (Vgl dazu: BAB, RK, Gr. Hq. 21, 2476: Denkschrift Erzbergers, weiter an Reichskanzler, 2.9.1914.)
    Das nur als Zwischenvermerk, damit keiner sagt: "das war ne Verschwörung von wenigen Mächtigen blafurzkack" oder sowas...

    Also, zurück zum (langatmigen) wirschaftlich ausgerichteten Plan:
    Dieser Plan des zusammenhängenden mitteleuropäischen Wirtschaftsraum sah neben direkter territorialer Expansion eine dt. Hegemonie über noch weitere Teile Europas vor, ein Plan der primär innerhalb dt. Wirschafts-(! nicht Militär)Eliten mehr eingenistet und/oder verbreitet hatte. Maßgeblich Rathenau (aber auch andere, der ist nur exemplarisch), der eigentlich zusammen mit Carl Fürstenberg damals Geschäftsinhaber der Berliner Handelsgesellschaft war, sowie auch Obermotz der AEG, sorgte in seiner Funktion (er war - man merke auf - mit der Kriegs-Rohstoff-Abteilung betraut worden) dafür, dass diese Pläne auch definitiv (falls die Regierung auf einmal doch kalte Füße kriegen würde oder so) ihre Umsetzung in der Formulierung dt. Kriegsziele finden würden. Rathenau propagierte "offen" (natürlich sind das alles damals geheime Akten, ich meine nur "offen" von heute aus betrachtet, wenn es darum geht, ob sie es wollten oder net) ein dt. Mitteleuropa, welches stark genug sein sollte, um den USA und UK ebenbürtig zu werden, ebenso wie den Russen durch das (dann erfolgte) brechen ihrer Herrschaft über die nicht-russischen Völker (welche hier noch beschränkt bleiben auf Polen, Ukrainer, die 3 baltischen Völker und Finnen) und der daraus resultierenden Schwächung St. Petersburgs (Vgl dazu: BAB, RK, Gr. Hq 21, 2476: Brief Rathenaus an den Reichskanzler, 28.8.1914.).

    Ich hatte oben im Beitrag zuvor schonmal Gwinner, den Chef der Deutschen Bank, erwähnt, daher tun wir dies doch direkt wieder und führen wieder seine Beteiligung ins Feld. Er hatte sich ja gegen eine zu plumpe uns ausgereifte direkte Annexionspolitik ausgesprochen und sorgte dafür, dass das Konzept einer weniger "auffälligen" Expansionspolitik, nämlich der wirtschaftlichen, ein wichtiger Hauptfaktor bei der Ausarbeitung dt. Kriegsziele blieb. Zimmermann (der Unterstaastsekretär) hielt Gwinners Gedanken in einer Niederschrift für den Theo & den Jagow fest, welche Gwinners Absicht "Deutschlands wirtschaftliche Vorherrschaft zu etablieren" beinhaltete (Vgl dazu: BAB, RK, Gr. Hq 21, 2476, UStSek an StSek, 3.9.1914.).
    Die Umsetzung einer solchen Politik hat nunmal die Prämisse einer dt. Hegemonie in Europa, diese Hegemonie ist aber nur durch einen Krieg zu haben. Man hätte ein solches Konzept nicht überhaupt über Jahre hinweg entworfen, ohne einen Krieg (als Katalysator) einzuplanen.
    Theo gab sogar zu, dass die Umsetzung dieser Mitteleuropa-Geschichte an einen Siegfrieden Deutschlands gekoppelt war und sich "nur bei einem eventuell von uns zu diktierenden Frieden unter dem Druck politischer Überlegenheit erreichen lassen [würde]" (Vgl. dazu: BAB, RK, Gr. HQ. 21, 2476: Reichskanzler an Delbrück, 16.9.1914.). Und wie gesagt: solche Pläne (wie das Mitteleuropa-Ding) wurden net 1914 geboren (allein schon, weil sie im September 1914 zu ausgereift und langatming waren).

    Vielleicht doch noch, falls es wirklich Leutz (hier, in diesen Thread kommend) gibt, die nix davon wissen, hier nochmal die (ersten) dt. Kriegsziele, wie sie im September 1914 (daher auch "September-Programm"), also nach nur rd. einem Monat Krieg (!), formuliert worden waren (man beachte dabei auch die Stellen an meiner Hervorhegung durch "(!)"):

    "1. Frankreich
    Von den militärischen Stellen zu beurteilen, ob die Abtretung von Belford, des Westabhangs der Vogesen, die Schleifung der Festungen und die Abtretung des Küstestrichs von Dünkirchen bis Boulogne zu fordern ist.
    In jedem Falle abzutreten, weil für die Erzgewinnung unserer Industrie nötig [(!)], das Erzbecken von Briey.
    Ferner eine in Raten zahlbare Kriegsentschädigung; sie muß so hoch sein, daß Frankreich nicht imstande ist, in den nächsten achtzehn bis zwanzig Jahren erhebliche Mittel für Rüstung anzuwenden.
    Des weiteren [sic!]: ein Handelsvertrag, der Frankreich in wirtschaftliche Anhängigkeit [(!)] von Deutschland bringt, es zu unserem Exportland macht, und es ermöglicht, dem englischen handel in Frankreich auszuschalten. Dieser handelsvertrag muß uns finazielle und industrielle Bewegungsfreiheit in Frankreich schaffen - so, daß deutsche Unternehmungen nicht mehr anders als französische behandelt werden können.

    2. Belgien
    Angliederung von Lüttich und Verviers an Preußen, eines Grenzstriches der Provinz Luxemburg an Luxemburg.
    Zweifelhaft bleibt, ob Antwerpen mit einer Verbindung nach Lüttich gleichfalls zu annektieren ist.
    Gleichviel, jedenfalls muß Belgien, wenn es auch als Staat äußerlich bestehen bleibt, zu einem Vasallenstaat herabsinken, in etwa militärisch
    wichtigen Hafenplätzen ein besatzungsrecht zugestehen, seine Küste militärisch zur Verfügung stellen, wirtschaftliche zu einer deutschen Provinz werden. Bei einer solchen Lösung, die die Vorteile der Annexion, nicht aber ihre innenpolitisch nicht zu beseitigenden Nachteile hat, kann franz. Flandern mit Dünkirchen, Calais und Boulogne, mit größenteils flämischer Bevölkerung diesem unveränderten Belgien ohne Gefahr angegliedert werden. Den militärischen Wert dieser Position England gegenüber werden die zuständigen Stellen zu beurteilen haben.

    3. Luxemburg
    Wird deutscher Bundesstaat und erhält einen Streifen aus der jetzt belgischen Provinz Luxemburg und eventuell die Ecke von Longwy.

    4. Es ist zu erreichen die Gründung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsverbandes durch gemeinsame Zollabmachungen, unter Einschluß von Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Österreich-Ungarn, Polen und eventuell Italien, Schweden und Norwegen. Dieser Verband, wohl ohne gemeinsame konstitutionelle Spitze, unter äußerlicher Gleichberechtigung seiner Mitgleider, aber tatsächlich unter deutscher Führung [(!)], muß die wirtschaftliche Vorherrschaft Deutschlands über Mitteleuropa stabilisieren.

    5. Die Frage der kolonialen Erwerbungen, unter denen in erster Linie die Schaffung eines zusammenhängenden mittelafrikanischen Kolonialreichs anzustreben ist, desgleichen die Rußland gegenüber zu erreichenden Ziele werden später geprüft.
    Als grundlage der mit Frankreich und Belgien zu treffenden wirtschaftlichen Abmachungen ist eine kurze provisorische für einen eventuellen Präliminarfrieden geegnete Formel zu finden.

    6. Holland
    Es wird zu erwägen sein, durch welche Mittel und Maßnahmen Holland in ein engeres Verhältnis zu dem Deutschen Reich gebracht werden kann.
    Dies engere Verhältnis müßte bei Eigenart der Holländer von jedem Gefühl des Zwangs für sie frei sein, an dem Gang des holländischen Lebens nichts ändern, ihnen auch keine veränderten militärischen Pflichten bringen, Holland also äußerlich unabhängig belassen, innerlich aber in Abhängigkeit von uns bringen. Vielleicht ein die Kolonien einschließendes Schutz- und Trutzbündnis, jedenfalls enger Zollanschluß, eventuell die Abtretung von Antwerpen an Holland gegen das Zugeständnis eines deutschen Besatzungsrechts für die Befestigung Antwerpens wie für die Scheldemündung wäre zu erwägen"
    (Vgl dazu: BAB, RK, GR. Hq. 21, 2476: Reichskanzler an Delbrück, 9.9.1914.).

    Das sind eindeutig keine Kriegsziele die man formulierte aus Überlegungen heraus, die man erst vor einem Monat auszubauen begonnen hatte - das ist Politik der langen Hand. ZB das Einbeziehen Belgiens & Luxemburgs (ohne deutschen Einmarsch "neutralen) Staaten, oder der neutral bleibenden Niederlande, sowie auf der anderen Seite der Polen, usw...das zeigt doch deutlich die Absicht zur Hegemonie, und ein Krieg ist die einzige Möglichkeit zur Umsetzung solcher Pläne. Anders als wirtschaftlich wurden die Annexionen auch net bewertet; so schrieb Delbrück (zB) zurück an den Theo "Die Annexion des Erzbeckens von Briey kann überflüssig werden, wenn Frankreich und Deutschland ein Wirtschaftsgebiet werden" (Vgl. dazu: BAB, RK, Hq. 21, 2476: Delbrück an reichskanzler, 13.9.1914.), die Kriegsziele waren einem wirtschaftlichen Konzept einer dt. Hegemonie in Europa geschuldet, und sowas entstand net in einem Monat. Es war von langer Hand vorbereitete Weltpolitik, was ich auch (exemplarisch) 1915 an Theos Aufforderung an Tripitz zweigt, wonach Tirpitz sich zu der zukünftigen Gestaltung der beglischen Verhältnisse zu äußern hatte, dabei jedoch nicht nur vom Standpunkt seines Ressorts ausgehen sollte, sondern "von dem ganz allgemeinen [Standpunkt] der zukünftigen deutsche Wetlmachtstellung" (Vgl. dazu: BAB, RK, Gr. Hq 21, 2476: Reichskanzler an Staatssekretär des Reichsmarineamtes, 8.1.1915.).


    Solche Facetten (wie gesagt, wir befinden uns ganz am Anfang des Krieges) sind nicht "neu" sondern über größere Zeiträume konzipiert worden. Es geht aus den Quellen eindeutig hervor, dass man den Krieg sehr wohl gewollt hat (das hier ist ja nur exemplarisch hier, ich könnte Dich mit 1000ed überschütten, aber bedenke, ich mach das hier pro bono bzw. hab auch noch anderes zu tun als mich hier einzuloggen, daher geht das nicht solange ich meine Freizeit opfere). Man hat ihn nicht zwangsläufig 1914 gewollt - ging ja auch net - denn die Rede ist net davon, dass man ihn bewusst auslöste (das ist Quatsch). Die Rede ist davon, dass, als es einen möglichen Auslöser gab, dieser systematisch - lange gehegten Plänen folgend - gezielt zum Anheizen benutzt wurde, der Krieg als Katalysator musste ohnehin her. Dieser Umstand verhinderte a priori ein Einlenken bzw. eine Verhinderung des Krieges. Dass die anderen mitzogen ist dann klar, das galt ja immer für alle: in dem Moment wo sich der erste Unbeteiligte einmischt, sind fortan Alle beteiligt...Dh klar liegt das Betragen anderer Mächte außerhalb unserer Verantwortung, aber unabsehbar war das ja gerade net, sondern quasi naturgesetzmäßigkeit. Daher kann man so net argumentieren, nach dem Motto: die hätten auch sagen können, nee, wir machen net mit. Zudem geht es ja net darum, ob man den Krieg auf Seiten der Entente gewollt hatte, nachdem er schon angefangen war. Klar, dann haben sie es "dankend" angenommen, aber gravierendsten & stärksten Impulse gingen nunmal von Berlin aus. Man hätte sich rausgehalten, aber nur wir waren dazu (gemäß dem Plan bzw. der Notwendigkeit eines krieges, siehe oben) nicht dazu bereit. Dh die "schuld" am krieg trifft maßgeblich uns. Dh NICHT "Alleinschuld", das net, aber das ist auch eine ganz andere Kiste, das heisst sowas wie "die meiste Schuld" (wegen dem Konzept bzw. seiner Umsetzung, siehe oben). Wie ich schon ursprünglich sagte (Vgl Beitrag #18.) hatte die dt. Geheimpolitik spätestens (!) im Zuge der zweiten M-Krise 1911 systematisch auf einen Krieg hingesteuert und dafür entsprecheden Pläne ausgearbeitet. Das meine ich mit "die meiste" Schuld - in unserem politischen (!) Konzept für die Zukunft war eine Hegemonie Deutschlands vorgesehen, und diese war ohne Krieg nicht zu haben (und das war auch denen klar, waren ja net dämlich, daher der Schluss: sie planten (auch) den Krieg (mit) ein).

    Die Balkankriege 1912/13 gelten ja allgemein als "Vorspiel" zum WW1, aber das nicht nur wegen der zeitlichen Nähe, sondern hauptsächlich, weil dort schon innerhalb der Geheimdiplomatie solche Erwägungen, wie später (1914) gemacht worden waren (was wieder zeigt, dass es diese schon im Vorfeld gab - das hier groß aufzuzeigen würde wieder zu lange dauern, aber wäre problemlos machbar was die Quellen betrifft, aber dann eher im eigens dafür konzipierten Thread, für den ich aber jetzt keinen direkten Bedarf sehe). Dass Berlin damals Wien zur Zurückhaltung nötigte, erklärt sich daraus, dass man mit den Vorbereitungen noch nicht weit genug war (1914 glaubte man dann weit genug zu sein), was sich aus (exemplarisch) Theos Note ableiten lässt, als er von einer Intervention abriet mit den Worten (Unterstreichung vorgenommen durch realsniper): "Eine gewaltsame Lösung aber, selbst wenn manche Interessen der österreichischen Monarchie auf eine solche hindrängen sollten, in einem Augenblick herbeizuführen, in dem uns eine, wenn auch nur entfernte Aussicht eröffnet, den Konflikt unter für uns wesentlich günstigeren Bedingungen auszutragen, würde ich für einen Fehler [...] halten" (Vgl. dazu: Lepsius, Johannes, u.a. (Hg), Die Große Politik der Europäischen Kabinette, 1871-1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, Berlin 1922(ff), Bd. 34 I, Dok. 12818: Bethmann-Hollweg an Berchtold, 10.2.1913.). Man hielt sie nur solange zurück, bis man selbst soweit war (dass man das konnte bzw. das dort (Wien, St. Petersburg) ein permanenter Brennpunkt war, wäre Off- Topic, führt es doch in die 1880er Jahre zurück und in die Eigendynamik von Bismarcks Bündnispolitik bzw. seinem Logikfehler innerhlab ebd. - kann ich aber auch aufzeigen, nur eben net hier). Tschirinsky erläuterte die dt. Politk dieser Tage (bzw. Jahre vor dem Ausbruch des WW1) gegenüber von Berchtold, welcher dieses in seinem tagebuch im Eintrag vom 5. Mai 1913 wie folgt festhielt: "Alle letzten Kriege seien gewonnen worden von jenen, die sich Jahre darauf vorbereitet [...]. Wir [gemeint ist also Österreich-Ungarn] sollten uns auf einen Krieg vorbereiten, der uns Serbien und Monenegro und Nordalbanien, Italien Valona, Deutschland des Sieg über den Panslawismus zu bringen hätte" (Zit nach: Hantsch, Hugo, Leopold Graf Berchtold, Wien 1963, S. 420.).


    Es wurde "global" bzw. europäisch sehr sehr weit gedacht, und zwar in Berlin, Wien wurde von uns als Instrument mit hineingezogen (bzw. war unentbehrlich für unsere Politik). Und auch dies geschah schon im Vorfeld durch aktive (permanente) dt (!) Bestrebungen, die Österreicher auf einen kommenden Krieg einzustimmen, wie sich aus dem Bericht Berchtolds über seine Unterredung mit Wilhelm II. ableiten lässt (er wird darin schon nicht gelogen haben, handelte es sich doch um keine öffentliche Korrespondenz (noch einen für die Nachwelt/Forschung konzipierte Darstellung), sondern einen reinen Dialog von Kaiser zu Kaiser, bei welchem Berchtold nur als "Zusteller" fungierte), bei welcher Wilhelm II. wie folgt zitiert wurde: "Der Krieg zwischen Ost und West sei auf die Dauer unvermeidlich und wenn dann Österreich-Ungarn in seiner Flanke der Invasion einer respektablen Militärmacht ausgesetzt sein, so könne dies für den Ausgang des Völkerringens verhängnisvoll werden. [...] Und wenn sie [also die Österreicher] glauben, daß ihr Heil von Belgrad zu erwarten sei, dann müsse ihnen dieser Glaube genommen werden. Mit Serbien könne es für Österreich-Ungarn kein anderes Verhältnis geben, als jenes der Abhängigkeit des Kleineren vom Größeren. [...] [Der Kaiser - Wilhelm II - könne sich keinerlei andere Ordnung vorstellen], als die Vormachtstellung der Monarchie gegenüber allen dortigen Staatswesen" (Vgl dazu:Bittner, Ludwig, Übersberger, Hans (Hg), Österreich-Ungarns Außenpolitik von der bosnischen Krise 1908 bis zum Kriegsausbruch 1914. Diplomatische Aktenstücke des Österreich-Ungarischen Ministeriums des Äußeren, Bd. 7, Leipzig 1930, Dok. 8934: Bericht Berchtolds nach Wien, 28.10.1913.). Der Krieg wird als unvermeidlich bezeichnet, die österreichische Grundhaltung in der Balkanpolitik quasi vorgegeben (bzw. mitgeteilt, was der Kaiser (wilhelm II.) und die dt. Politik preferieren), ein Ausgleich bzw. eine gemäßgte Balkanaktivität Wiens wird nicht ins Auge gefasst (weil man in Berlin Wien ja - wie schon im Beitrag zuvor gesagt - als Werkzeug unbegingt brauchte, siehe "die Rolle des Provozierten" haben), ja explizit ausgeschlossen. Das mit dem Provozierten war sogar so tief in das Grundkonzept eingeflossen, dass man (bzw. idF der Theo, aber er war ja net der einzige) glaubte, solange man diese Rolle einnehmen würde, London aus dem Kriege gehalten werden könnte (und schon allein deshalb war es unumgänglich an Wien als Instrument zur Auslösung festzuhalten, um vor London dann als "der Provozierte" (dann durch Russland & Frankreich) darzustehen). Theo berichtete im Zuge der Londoner Konferenz ab Ende 1912, er halte es für "nach vielen Anzeichen zum mindesten zweifelhaft, ob England aktiv eingreifen würde, wenn Rußland und Frankreich direkt als die Provozierenden erschienen [...] [, England aber dann erst zugunsten eines] niedergeworfenen Frankreichs nachträglich - zunächst wohl diplomatisch - eintreten würde" (Vgl. dazu: BAB, AA, Abt. England 78, geh., Bd. 31: Reichskanzler an Deutschen Kaiser, 18.12.1912.). Diese Kalkulation (siehe Hillgruber, Beitrag zuvor) war da, und das schon lange vor dem Sommer 1914; und warum sollte man auf & für etwas kalkulieren, dass man nicht auch in naher Zukunft vor hat Realität werden zu lassen (idF den europäischen Krieg)? Zudem wusste man in Berlin (trotz der Einschätzung vom Theo, von der ich nicht beweisen kann, dass er wissentlich von einer solch fehlgeleiteten Annahme ausging) nachweislich, dass London der msetzung im Wege stehen würde, wie sich am Bericht Lichnowskys zeigt, wo er klar herausstellt, dass "Englands Politik uns gegenüber eine friedliche und freundschaftliche ist, daß aber keine britische Regierung es mit den Lebensinteressen des landes vereinbar halten würde, eine weitere Schwächung Frankreichs zuzulassen" (Vgl dazu: BAB, AA, Abt. England 78, geh., Bd. 31: Lichnowsky an Reichskanzler, 9.12.1912.).

    Abschließend dazu (und zu diesem Beitrag für heute generell - ich wollte noch in andere Threads rein bevor ich gleich gehen muss) vielleicht noch ein anderer Aspekt, der uns (Dt.) die "Vorzeitigkeit" in Bezug auf die Kriegsplanung nachweist. Gemäß der neuen Doktrin eines solchen Krieges wie des Großen Europäischen Krieges, nämlich weg vom Kabinettskrieg hin zum Volkskrieg, wurden bereits früh zahlreiche Überlegungen (auch des Kaisers!) angestellt und über Verwaltungsakten und sonst. amtl. Korrespondenz) festgehalten. Das belege ich hier zum Ende kurz (wieder nur exemplarisch - es gibt mehr) mit dem Kaiser selbst, welcher in der selben Unterredung wie oben schon davon sprach, dass es sich bei der Situation am Balkan nicht um Sachverhalte handeln würde, "die durch Diplomatiearbeit geschaffen und gestaltet worden sind, sondern um einen weltgeschichtlichen Prozeß [(!)], in die Kategorie der Völkerwanderung einzureihen, in diesem Falle um ein mächtiges Vordringen der Slawenmacht" (Vgl dazu: Dok. 8934, wie die letzte Anmerkung zuvor, siehe oben.). Und sowas ließ auch er andauernd ab, Gesülze vom Kampf der europäischen Volksgruppen gegen einander, so auch in seiner persönlichen "Einschätzung" der Lage 1912, als er schrieb: "England wird aus Haß und Neid gegen Deutschland unbedingt Frankreich und Rußland beistehen. Der ev. Existenzkampf [(!)], den die Germanen in Europa gegen die von Romanen unterstützten Slaven zu fechten haben werden, findet die Angelsachsen auf der Seite der Slaven [...]. Grund: Neidhammel, Angst unseres Zugroßwerdens!" (Vgl dazu: BAB, AA, Abt. England 78, geh., Bd. 31: Kaiser an Kiderlen-Wächter, 8.12.1914.). Damit folgte er nur führenden Militärs, die um die notwendige Mobilisierung der Bürger für einen Volkskrieg wussten. Müller (den hatte ich zuvor auch schon zitiert, der Obermotz des Marinekabinetts, siehe Beitag zuvor) zB forderte "durch die Presse das Volk darüber aufzuklären, welche großen nationalen Interessen auch für Deutschland bei einem durch den österreichisch-serbischen Konflikt entstehenden Krieg auf dem Spiele ständen. [...] Das Volk dürfe nicht in die Lage versetzt werden, sich erst bei Ausbruch eines großen europäischen Krieges die Frage vorzulegen, für welche Interessen Deutschland in diesem Kriege zu kämpfen habe. Das Volk müsse vielmehr schon vorher [(!)] mit dem Gedanken an einen solchen Krieg vertraut gemacht werden" (Vgl. dazu: BAB, AA, Abt. Deutschland 137, geh., Bd. 7: v. Müller an Deutschen Kaiser, 8.12.1912.), was ürbrigens auch für eine Politik von langer Hand spricht. Und der Kaiser surfte auf dieser Welle mit und zeigte nur weiter seine Haltung der Determiniertheit wenn er so n Blech abließ wie "Der Kampf zwischen Slawen und Germanen ist nicht mehr zu umgehen, er kommt sicher. Wann? Das findet sich" (Vgl. dazu: Lepsius, Johannes, u.a. (Hg), Die Große Politik der Europäischen Kabinette, 1871-1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, Berlin 1922(ff), Bd. 34 II, S. 811: Schlussbemerkung Wilhelms II. zum Schreiben Pourtalès an Bethmann-Hollweg, 6.5.1913.). Und auch hier, besonders im letzten Teil (Wann? Das findet sich), erkennt man das warten auf den richtigen Augenblick, bei entschlossenem Festhalten an der a priori Unvermeidbarkeit eines Krieges.

    Das könnte ich ewig so weiter machen, aber ich muss echt mal los jetzt, wieder viel zu lange hier zusammengetragen und v.a. eingetippt, dat wars für jetzt.

    MfG

    Sniper
    Was hat jetzt Gillelmus Einwand >>>>
    Niemand, der sich ehrlich mit der Geschichte des 1. WK. beschäftigt, wird dies unterschlagen:
    Wladimir Freiherr von Giesl, der österreichische Gesandte in Belgrad, war während des gemeinsamen Ministerrates vom 7.Juli 1914 in Wien; er erhielt an diesem Tag vom österreichisch-ungarischen Außenminister Graf Berchtold die Weisung: „Wie immer die Serben reagieren - Sie müssen die Beziehungen abbrechen und [aus Belgrad] abreisen; es muß zum Krieg kommen."
    <<< mit einer deutschen Kriegsschuld zu tun? Darauf hätte ich von Dir gern etwas mehr gehört oder gelesen. Stattdessen beklagst Du, wie Gillelmus, angebliche Wunschvorstellungen der hiesigen User.

    Doch gewollt hat man ihn schon, man brauchte nur ein Ereignis wie Sarajevo. Wie ich oben aufgeführt hatte, war der Krieg nur Katalysator, in die kriegsziele waren eine Menge von kreisen involviert, und diese (Kriegsziele) waren keiner plötzlichen Überlegung entsprungen. De facto sollte eine dt. Hegemonie über Europa etabliert werden, das ist nicht gerade das, was man als Überfallener, der keinene Krieg wollte, als erstes anvisieren würde.
    Nochmals: Nein. Gewollt war der Große Krieg nicht. Man hat ihn sicher riskiert wie auch schon zuvor (Agadir..) DAS hab ich ja auch eingeräumt. Und ganz sicher glaubte man, vermutlich auch der Kaiser, dass es wieder in dieser Krise so ablaufen würde wie in den Krisensituationen zuvor. Ich sagte schon, dass in den Tagen der Krise seit dem Anschlag auf das Thronfolgerpaar auch immer eine andere Option zur Verfügung gestanden hätte. Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass sich der Ring um das Deutsche Reich längst geschlossen hatte, und was immer man seitens Berlin unternahm, nie konnte man den Eindruck dort gewinnen, dass irgend jemand aus der Entente Cordiale bereit war, Deutschland/Österreich-Ungarn aus der gestellten Falle entkommen zu lassen.

    War nicht die gesamte Entente-Politik, geboren während der Faschoda-Krise. darauf ausgerichtet, das Deutsche Reich militärisch einzukreisen, um es beizeiten erwürgen zu können? So hat man es damals in Deutschland empfunden. Und Ö-H ? Welche Chance blieb den Habsburgern nach der Aufkündigung der Rückversicherungsvertrages unter Caprivi? Es konnte jederzeit durch Russland - allein gelassen und ohne die moralischen Streicheleinheiten Wilhelms - zerschlagen werden. Und über Russlands Mittelmeerambitionen müssen wir uns nicht streiten oder?

    Dass Frankreich, rachesüchtig wie es war und darauf aus, das Elsass und Lothringen wieder unter die Trikolre zu bekommen, die Gelegenheit ergriff und sich mit Russland - gegen wen denn wohl ? - verbündete, ist auch nicht zu bestreiten. Und England? Trotz guter Handelbeziehungen mit dem DR, was übrigens auch auf F zutraf, - nie waren die deutschen und französischen Montanindustrien enger wirtschaftlich verbunden wie seinerzeit - sah man die industriellen und wirtschaftlichen Erfolge, natürlich auch das ergeizige Flottenprogramm des Kaisers, mit sehr gemischten Gefühlen.

    Über einen bevorstehenden Krieg sprach man doch in den Jahren vor 1914 in ganz Europa. Jeder erwartete, dass dies eines Tages passieren würde. Und dass man sich eben auch in D und in Österreich auf diesen Moment vorbereitete, ist m. E. nach selbstverständlich. Insoweit sind Deine Fussnoten-Zitate, der und/oder jener habe irgendwann etwas über deutsche Kriegsabsichten von sich gegeben, ziemlich belanglos. Sowas geschah an nahezu jedem Stammtisch in ganz Europa, und jeder interpretierte die jeweiligen "Kriegsziele" seines Landes auf seine Weise.

    Und DASS die Serben, deren Regierung ja von den Plänen der Mörder Kenntnis hatte, zur Verantwort zu ziehen waren, ist aus österreichischer Sicht, es war ja nicht die erste schlechte Erfahrung mit den Serben, durchaus verständlich. Wenngleich Wilhelm selbst, was nicht noch bewiesen werden muss, anfänglich in der Frage der österreichischen Aktion gegen Serbien ausserordentlich zurückhaltend war.

    Also nochmal: Was sollte denn das Kriegsziel D und Ö-H gewesen sein? Serbien selbst wohl kaum. Noch mehr "Fremdvölkisches und noch mehr Serben vertrug Ö-H gar nicht. Und die Methapher hinsichtlich der von Dir so hervorgehobenen "serbischen Schweine" ist so neu auch nicht gewesen zum damaligen Zeitpunkt. Auch Bismarck legte keinen gesteigerten Wert auf serbische Schweine und bosnische Zwetschgenbäume... oder waren es Apfelbäume? Deshalb bevorzugte er ja u.a. die "klein"deutsche Lösung.

    Und über Serbien hinaus? Nein, da gab es an und für sich keine Ambitionen. Man war mit den industriellen Erfolgen recht gut bedient und zufrieden und bemühte sich, seine wirtschaftlichen Verbindungen auszubauen. Die Badgdad-Bahn war ja nur eines dieser ergeizigen Ziele... für GB aber an dieser Stelle vermutlich DAS Alarm-Signal schlechthin, auch wenn man es nicht zugab. Die Rolle der Deutschen Bank bei der Finanzierung des Bahn-Projekts sollte man auch nicht unterschlagen, und es erklärt vielleicht Deine Frage, "was der Kerl eigentlich da zu suchen" hatte? Aber wem sag ich das?

    Nein nein, es ist schon so. Wenngleich Ö-H allen Grund hatte, Serbien abzuwatschn und man dafür in der Entente durchaus Verständnis gehabt haben musste, ist für mich schlicht nicht erkennbar, dass die Entente einen Krieg zwischen Ö-H und Serbien zum Welt´krieg ausweiten musste.

    Ich könnte auch noch stundenlang so weiter machen. Aber bezahlt werde ich dafür auch nicht.

  10. #30
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    Standard AW: Unverschuldet?

    Zitat Zitat von realsniper Beitrag anzeigen
    Leider ist das so - hier (überall in diesem Forum) geht es nicht um die rekonstruktion von Fakten, sondern um das konstruieren von Alternativrealitäten, die jedoch nicht konstruiert (mit "festen" Bausteinen), sondern eher kreiiert werden, frei nach Wunschvorstellungen...
    Aber das checkn die Meisten, die sowas tun, erst gar nicht bzw. ebd. Unterschied.


    Dann Rumpel:
    ÜBERTRAG AUS ANDEREM THREAD

    Also hier das ausgelagerte:




    Das ist nicht korrekt. Überall gibt es Quellenangaben, wenn es sich um zB Zahlenangaben handelt, die sich aus 1000en von Quellen ergeben (so dass eine Aufzählung 5 Seiten mit nur Fußnoten bedeuten müsste), werden Quelleeditionen (dh Bücher, wo Quellen gesammelt wurden - unverändert und undkommentiert). So würde ich zB bei der behauptung die dt. Personlastärke bei den Streitkräften ist in den 10 Jahren von 1890 bis 1900 um 20.000 gestiegen, dann muss ich dazu nicht alle Einberufungen und sonstige Militär- und Verwaltungsakten, wie Chroniken und Sterberegister anführen, sondern einfach eine Edition, die diese zusammengefasst auf einer Seite aufführt (hier wäre das: Sautter, Udo, Deutsche Geschichte seit 1815: Daten, Fakten, Dokumente, Bd. 1: Daten und Fakten, Tübingen 2004, S. 196.). Und was konkrete Inhalte wie zB Korrespondenzen betrifft, gibt es auch Editionen, die nur nummerierte original Dokumente führen, zB sowas wie BAB (Hg), Der Weltkrieg 1914-18, Berlin 1956, usw...
    Kein seriöser Historker verfasst eine wissenschafliche Arbeit, die nicht belegt ist (das geht gar net). Wenn nur Buchttitel angegeben werden, bei denen es sich selbst schon um SekLit und net etwa um Editionen handelt, dann gilt der Verweis den Fußnoten auf der zitierten Seite, wo sich dann die Primärquellen finden (oder eben ein weiteres Stück SekLit, aber nach so 2-3 Büchern spätestens kommt man stets bei der Primärquellen an und prüft sie selbst).



    Nein nein, lies dat nicht (brauchste net), ich meinte das ja nur weil Du meintest, ich würde sonst nur Smileys machen und sonst nix. Das war nur ein Bsp für meine üblichen Längen bei Beiträgen. Zum Thema Namibia (Genozid vs. kein Genozid) hatte ich dort aber schon alles (bzw. ausreichend) gesagt, ich würde mich jetzt nur noch wiederholen...



    Ich hatte daher aber extra auch dt. Quellen (den Theo, den Tirpitz, den Jagow, etc.) miteinbezogen. Und was die Zeitspanne betrifft: ich mach doch hier net ne Darstellung der Kriegsursachen en Detail mit Prequel usw, weil ich
    1. dafür net bezahlt werde und/oder mir dafür eben net die zeit nehmen werde
    und
    2. es doch ohnehin (mehr als) reichlich Forschungsliteratur dazu gibt, wozu also etwas hier machen, was andere schon gemacht hatten in bestimmten Werken.



    Doch gewollt hat man ihn schon, man brauchte nur ein Ereignis wie Sarajevo. Wie ich oben aufgeführt hatte, war der Krieg nur Katalysator, in die kriegsziele waren eine Menge von kreisen involviert, und diese (Kriegsziele) waren keiner plötzlichen Überlegung entsprungen. De facto sollte eine dt. Hegemonie über Europa etabliert werden, das ist nicht gerade das, was man als Überfallener, der keinene Krieg wollte, als erstes anvisieren würde.
    Die Kriegsziele gingen ja nach kurzer Zeit selbst über die Hegemonie in Europa hinaus, bedenkt man die auch geplante koloniale Expansion. Ich erinnere daran, dass man schon nach rd einem Monat (!) über Afrika nachdachte, wohl auch weil selbst Delbrück die Annexionspläne in Europa zu krass (!) geworden waren und er einiges nach Übersee abzulenken gedachte (ich hatte das angeschnitten in meinen Beitrag hier in diesem Thread zuvor, Vgl. Beitrag #18.). Jagow hatte schon Ende August von Solf (dem StSek des Reichskolonialamts) gefordert, ihm eine Konzept für einen territoriale Expansion in Afrika vorzulegen, was dann auch geschah (Beleg folgt, wenn ich mit dem Inhalt durch bin). Darin war vorgesehen, dass zB Angola und die Nordhälfte von Mocambique angegliedert werden würden, beides Gebiete des neutralen Portugals (von einer reaktionären Kriegszielplanung durch den "überraschenden" Krieg kann hier net die Rede sein, das ist Weltpolitik von langer Hand). Neben diesen port. Erwerbungen sollten noch Belg. Kongo und Franz. Äquatorial-Afrika bis zum Tschadsee, sowie eine Vergrößerung Togos um Dahome und im Norden um Teile Senegambiens bis Timbuktu dazu kommen, so dass am Ende ein großer zusammenhängender Mega-Kolonialstaat im Kern Afrikas entstanden wäre, seine Nordgrenze zu den Briten wäre teils der Niger gewesen (Vgl. dazu: BAB, AA, Wk 15, geh. adh.: Jagow an Solf, 25.8.1914; dann Solfs Antworten (mit Karten): Solf an Jagow, 28.8.1914 und 25.9.1914.). Und was den Niger bzw. die Grenze zu den Briten betrifft, das wurde später von Solf sogar noch ausgeweitet, als er nämlich die Annexion Nigerias forderte, welches dann ein Verbindungsstück zwischen dem Togo-Timbuktu-Stück und den östlicheren Erwebungen am Tschadsee geworden wäre (Vgl dazu: BAB, AA, Wk, Bd. 2: Solf an Jagow, 8.9.1916.).

    Das ist Weltpolitik, die nicht aus dem Moment (1914) heraus geboren wird, der Krieg war ein willkommender Kataysator lang geplanter Weltpolitik.
    Aber bleiben wir von mir aus erstmal "nur" in Europa, denn das allein (das "Mitteleuropa-Ding") finde ich spricht schon für sich bzw. was ich (im anderen Beitrag) zuvor meinte, nämlich eine Planung von langer Hand und die Involvierung vieler Kreise, die über Kaiser & Militär hinausgehen.

    Angemerkt (Exkurs) sei hier kurz nur, dass die Pläne zwar auf bestimmten Eliten in Wirschaft und Politik zurückgehen, das dt. Volk (bzw. dessen gewählte Vertreter) ihn aber auch mittrug (!) - gemäß dieser öffentlichen Einstellung konnte es spielend leicht realisiert werden. Ich verweise darauf, dass der Theo schon vor Kriegsausbruch und "Burgfrieden"-Gelaber bereits entsprechende Erkundungen unternommen hatte bezüglich der Einstellung des RT. Und noch am 30. Juli berichtete er gegenüber dem preuß. Staatsministerium, dass "auch von der Sozialdemokratie und dem sozialdemokratischen Parteivorstand nichts Besonderes zu befürchten [ist], wie er aus Verhandlungen mit dem Reichstagsabgeordneten Südekum glaube schließen zu können. Von einem Generalstreik oder Parteistreik oder Sabotage werde keine Rede sein" (Vgl. dazu: Von Montgelas, Max, u.a. (Hg), Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914, Bd. 2, Berlin 1919, 2. Auflage 1922, S. 178, Dok. 456: Protokoll der Sitzung im preußischen Staatsministerium vom 30.7.1914.). Ich meine selbst Erzberger schrieb im September an Theo, dass die von Theo anvisierten Zielsetzungen "das Mindestmaß dessen dar[stellten], was das deutsche Volk in allen seinen Teilen als Forderung beim Friedensschluß" betrachten würde (Vgl dazu: BAB, RK, Gr. Hq. 21, 2476: Denkschrift Erzbergers, weiter an Reichskanzler, 2.9.1914.)
    Das nur als Zwischenvermerk, damit keiner sagt: "das war ne Verschwörung von wenigen Mächtigen blafurzkack" oder sowas...

    Also, zurück zum (langatmigen) wirschaftlich ausgerichteten Plan:
    Dieser Plan des zusammenhängenden mitteleuropäischen Wirtschaftsraum sah neben direkter territorialer Expansion eine dt. Hegemonie über noch weitere Teile Europas vor, ein Plan der primär innerhalb dt. Wirschafts-(! nicht Militär)Eliten mehr eingenistet und/oder verbreitet hatte. Maßgeblich Rathenau (aber auch andere, der ist nur exemplarisch), der eigentlich zusammen mit Carl Fürstenberg damals Geschäftsinhaber der Berliner Handelsgesellschaft war, sowie auch Obermotz der AEG, sorgte in seiner Funktion (er war - man merke auf - mit der Kriegs-Rohstoff-Abteilung betraut worden) dafür, dass diese Pläne auch definitiv (falls die Regierung auf einmal doch kalte Füße kriegen würde oder so) ihre Umsetzung in der Formulierung dt. Kriegsziele finden würden. Rathenau propagierte "offen" (natürlich sind das alles damals geheime Akten, ich meine nur "offen" von heute aus betrachtet, wenn es darum geht, ob sie es wollten oder net) ein dt. Mitteleuropa, welches stark genug sein sollte, um den USA und UK ebenbürtig zu werden, ebenso wie den Russen durch das (dann erfolgte) brechen ihrer Herrschaft über die nicht-russischen Völker (welche hier noch beschränkt bleiben auf Polen, Ukrainer, die 3 baltischen Völker und Finnen) und der daraus resultierenden Schwächung St. Petersburgs (Vgl dazu: BAB, RK, Gr. Hq 21, 2476: Brief Rathenaus an den Reichskanzler, 28.8.1914.).

    Ich hatte oben im Beitrag zuvor schonmal Gwinner, den Chef der Deutschen Bank, erwähnt, daher tun wir dies doch direkt wieder und führen wieder seine Beteiligung ins Feld. Er hatte sich ja gegen eine zu plumpe uns ausgereifte direkte Annexionspolitik ausgesprochen und sorgte dafür, dass das Konzept einer weniger "auffälligen" Expansionspolitik, nämlich der wirtschaftlichen, ein wichtiger Hauptfaktor bei der Ausarbeitung dt. Kriegsziele blieb. Zimmermann (der Unterstaastsekretär) hielt Gwinners Gedanken in einer Niederschrift für den Theo & den Jagow fest, welche Gwinners Absicht "Deutschlands wirtschaftliche Vorherrschaft zu etablieren" beinhaltete (Vgl dazu: BAB, RK, Gr. Hq 21, 2476, UStSek an StSek, 3.9.1914.).
    Die Umsetzung einer solchen Politik hat nunmal die Prämisse einer dt. Hegemonie in Europa, diese Hegemonie ist aber nur durch einen Krieg zu haben. Man hätte ein solches Konzept nicht überhaupt über Jahre hinweg entworfen, ohne einen Krieg (als Katalysator) einzuplanen.
    Theo gab sogar zu, dass die Umsetzung dieser Mitteleuropa-Geschichte an einen Siegfrieden Deutschlands gekoppelt war und sich "nur bei einem eventuell von uns zu diktierenden Frieden unter dem Druck politischer Überlegenheit erreichen lassen [würde]" (Vgl. dazu: BAB, RK, Gr. HQ. 21, 2476: Reichskanzler an Delbrück, 16.9.1914.). Und wie gesagt: solche Pläne (wie das Mitteleuropa-Ding) wurden net 1914 geboren (allein schon, weil sie im September 1914 zu ausgereift und langatming waren).

    Vielleicht doch noch, falls es wirklich Leutz (hier, in diesen Thread kommend) gibt, die nix davon wissen, hier nochmal die (ersten) dt. Kriegsziele, wie sie im September 1914 (daher auch "September-Programm"), also nach nur rd. einem Monat Krieg (!), formuliert worden waren (man beachte dabei auch die Stellen an meiner Hervorhegung durch "(!)"):

    "1. Frankreich
    Von den militärischen Stellen zu beurteilen, ob die Abtretung von Belford, des Westabhangs der Vogesen, die Schleifung der Festungen und die Abtretung des Küstestrichs von Dünkirchen bis Boulogne zu fordern ist.
    In jedem Falle abzutreten, weil für die Erzgewinnung unserer Industrie nötig [(!)], das Erzbecken von Briey.
    Ferner eine in Raten zahlbare Kriegsentschädigung; sie muß so hoch sein, daß Frankreich nicht imstande ist, in den nächsten achtzehn bis zwanzig Jahren erhebliche Mittel für Rüstung anzuwenden.
    Des weiteren [sic!]: ein Handelsvertrag, der Frankreich in wirtschaftliche Anhängigkeit [(!)] von Deutschland bringt, es zu unserem Exportland macht, und es ermöglicht, dem englischen handel in Frankreich auszuschalten. Dieser handelsvertrag muß uns finazielle und industrielle Bewegungsfreiheit in Frankreich schaffen - so, daß deutsche Unternehmungen nicht mehr anders als französische behandelt werden können.

    2. Belgien
    Angliederung von Lüttich und Verviers an Preußen, eines Grenzstriches der Provinz Luxemburg an Luxemburg.
    Zweifelhaft bleibt, ob Antwerpen mit einer Verbindung nach Lüttich gleichfalls zu annektieren ist.
    Gleichviel, jedenfalls muß Belgien, wenn es auch als Staat äußerlich bestehen bleibt, zu einem Vasallenstaat herabsinken, in etwa militärisch
    wichtigen Hafenplätzen ein besatzungsrecht zugestehen, seine Küste militärisch zur Verfügung stellen, wirtschaftliche zu einer deutschen Provinz werden. Bei einer solchen Lösung, die die Vorteile der Annexion, nicht aber ihre innenpolitisch nicht zu beseitigenden Nachteile hat, kann franz. Flandern mit Dünkirchen, Calais und Boulogne, mit größenteils flämischer Bevölkerung diesem unveränderten Belgien ohne Gefahr angegliedert werden. Den militärischen Wert dieser Position England gegenüber werden die zuständigen Stellen zu beurteilen haben.

    3. Luxemburg
    Wird deutscher Bundesstaat und erhält einen Streifen aus der jetzt belgischen Provinz Luxemburg und eventuell die Ecke von Longwy.

    4. Es ist zu erreichen die Gründung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsverbandes durch gemeinsame Zollabmachungen, unter Einschluß von Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Österreich-Ungarn, Polen und eventuell Italien, Schweden und Norwegen. Dieser Verband, wohl ohne gemeinsame konstitutionelle Spitze, unter äußerlicher Gleichberechtigung seiner Mitgleider, aber tatsächlich unter deutscher Führung [(!)], muß die wirtschaftliche Vorherrschaft Deutschlands über Mitteleuropa stabilisieren.

    5. Die Frage der kolonialen Erwerbungen, unter denen in erster Linie die Schaffung eines zusammenhängenden mittelafrikanischen Kolonialreichs anzustreben ist, desgleichen die Rußland gegenüber zu erreichenden Ziele werden später geprüft.
    Als grundlage der mit Frankreich und Belgien zu treffenden wirtschaftlichen Abmachungen ist eine kurze provisorische für einen eventuellen Präliminarfrieden geegnete Formel zu finden.

    6. Holland
    Es wird zu erwägen sein, durch welche Mittel und Maßnahmen Holland in ein engeres Verhältnis zu dem Deutschen Reich gebracht werden kann.
    Dies engere Verhältnis müßte bei Eigenart der Holländer von jedem Gefühl des Zwangs für sie frei sein, an dem Gang des holländischen Lebens nichts ändern, ihnen auch keine veränderten militärischen Pflichten bringen, Holland also äußerlich unabhängig belassen, innerlich aber in Abhängigkeit von uns bringen. Vielleicht ein die Kolonien einschließendes Schutz- und Trutzbündnis, jedenfalls enger Zollanschluß, eventuell die Abtretung von Antwerpen an Holland gegen das Zugeständnis eines deutschen Besatzungsrechts für die Befestigung Antwerpens wie für die Scheldemündung wäre zu erwägen"
    (Vgl dazu: BAB, RK, GR. Hq. 21, 2476: Reichskanzler an Delbrück, 9.9.1914.).

    Das sind eindeutig keine Kriegsziele die man formulierte aus Überlegungen heraus, die man erst vor einem Monat auszubauen begonnen hatte - das ist Politik der langen Hand. ZB das Einbeziehen Belgiens & Luxemburgs (ohne deutschen Einmarsch "neutralen) Staaten, oder der neutral bleibenden Niederlande, sowie auf der anderen Seite der Polen, usw...das zeigt doch deutlich die Absicht zur Hegemonie, und ein Krieg ist die einzige Möglichkeit zur Umsetzung solcher Pläne. Anders als wirtschaftlich wurden die Annexionen auch net bewertet; so schrieb Delbrück (zB) zurück an den Theo "Die Annexion des Erzbeckens von Briey kann überflüssig werden, wenn Frankreich und Deutschland ein Wirtschaftsgebiet werden" (Vgl. dazu: BAB, RK, Hq. 21, 2476: Delbrück an reichskanzler, 13.9.1914.), die Kriegsziele waren einem wirtschaftlichen Konzept einer dt. Hegemonie in Europa geschuldet, und sowas entstand net in einem Monat. Es war von langer Hand vorbereitete Weltpolitik, was ich auch (exemplarisch) 1915 an Theos Aufforderung an Tripitz zweigt, wonach Tirpitz sich zu der zukünftigen Gestaltung der beglischen Verhältnisse zu äußern hatte, dabei jedoch nicht nur vom Standpunkt seines Ressorts ausgehen sollte, sondern "von dem ganz allgemeinen [Standpunkt] der zukünftigen deutsche Wetlmachtstellung" (Vgl. dazu: BAB, RK, Gr. Hq 21, 2476: Reichskanzler an Staatssekretär des Reichsmarineamtes, 8.1.1915.).


    Solche Facetten (wie gesagt, wir befinden uns ganz am Anfang des Krieges) sind nicht "neu" sondern über größere Zeiträume konzipiert worden. Es geht aus den Quellen eindeutig hervor, dass man den Krieg sehr wohl gewollt hat (das hier ist ja nur exemplarisch hier, ich könnte Dich mit 1000ed überschütten, aber bedenke, ich mach das hier pro bono bzw. hab auch noch anderes zu tun als mich hier einzuloggen, daher geht das nicht solange ich meine Freizeit opfere). Man hat ihn nicht zwangsläufig 1914 gewollt - ging ja auch net - denn die Rede ist net davon, dass man ihn bewusst auslöste (das ist Quatsch). Die Rede ist davon, dass, als es einen möglichen Auslöser gab, dieser systematisch - lange gehegten Plänen folgend - gezielt zum Anheizen benutzt wurde, der Krieg als Katalysator musste ohnehin her. Dieser Umstand verhinderte a priori ein Einlenken bzw. eine Verhinderung des Krieges. Dass die anderen mitzogen ist dann klar, das galt ja immer für alle: in dem Moment wo sich der erste Unbeteiligte einmischt, sind fortan Alle beteiligt...Dh klar liegt das Betragen anderer Mächte außerhalb unserer Verantwortung, aber unabsehbar war das ja gerade net, sondern quasi naturgesetzmäßigkeit. Daher kann man so net argumentieren, nach dem Motto: die hätten auch sagen können, nee, wir machen net mit. Zudem geht es ja net darum, ob man den Krieg auf Seiten der Entente gewollt hatte, nachdem er schon angefangen war. Klar, dann haben sie es "dankend" angenommen, aber gravierendsten & stärksten Impulse gingen nunmal von Berlin aus. Man hätte sich rausgehalten, aber nur wir waren dazu (gemäß dem Plan bzw. der Notwendigkeit eines krieges, siehe oben) nicht dazu bereit. Dh die "schuld" am krieg trifft maßgeblich uns. Dh NICHT "Alleinschuld", das net, aber das ist auch eine ganz andere Kiste, das heisst sowas wie "die meiste Schuld" (wegen dem Konzept bzw. seiner Umsetzung, siehe oben). Wie ich schon ursprünglich sagte (Vgl Beitrag #18.) hatte die dt. Geheimpolitik spätestens (!) im Zuge der zweiten M-Krise 1911 systematisch auf einen Krieg hingesteuert und dafür entsprecheden Pläne ausgearbeitet. Das meine ich mit "die meiste" Schuld - in unserem politischen (!) Konzept für die Zukunft war eine Hegemonie Deutschlands vorgesehen, und diese war ohne Krieg nicht zu haben (und das war auch denen klar, waren ja net dämlich, daher der Schluss: sie planten (auch) den Krieg (mit) ein).

    Die Balkankriege 1912/13 gelten ja allgemein als "Vorspiel" zum WW1, aber das nicht nur wegen der zeitlichen Nähe, sondern hauptsächlich, weil dort schon innerhalb der Geheimdiplomatie solche Erwägungen, wie später (1914) gemacht worden waren (was wieder zeigt, dass es diese schon im Vorfeld gab - das hier groß aufzuzeigen würde wieder zu lange dauern, aber wäre problemlos machbar was die Quellen betrifft, aber dann eher im eigens dafür konzipierten Thread, für den ich aber jetzt keinen direkten Bedarf sehe). Dass Berlin damals Wien zur Zurückhaltung nötigte, erklärt sich daraus, dass man mit den Vorbereitungen noch nicht weit genug war (1914 glaubte man dann weit genug zu sein), was sich aus (exemplarisch) Theos Note ableiten lässt, als er von einer Intervention abriet mit den Worten (Unterstreichung vorgenommen durch realsniper): "Eine gewaltsame Lösung aber, selbst wenn manche Interessen der österreichischen Monarchie auf eine solche hindrängen sollten, in einem Augenblick herbeizuführen, in dem uns eine, wenn auch nur entfernte Aussicht eröffnet, den Konflikt unter für uns wesentlich günstigeren Bedingungen auszutragen, würde ich für einen Fehler [...] halten" (Vgl. dazu: Lepsius, Johannes, u.a. (Hg), Die Große Politik der Europäischen Kabinette, 1871-1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, Berlin 1922(ff), Bd. 34 I, Dok. 12818: Bethmann-Hollweg an Berchtold, 10.2.1913.). Man hielt sie nur solange zurück, bis man selbst soweit war (dass man das konnte bzw. das dort (Wien, St. Petersburg) ein permanenter Brennpunkt war, wäre Off- Topic, führt es doch in die 1880er Jahre zurück und in die Eigendynamik von Bismarcks Bündnispolitik bzw. seinem Logikfehler innerhlab ebd. - kann ich aber auch aufzeigen, nur eben net hier). Tschirinsky erläuterte die dt. Politk dieser Tage (bzw. Jahre vor dem Ausbruch des WW1) gegenüber von Berchtold, welcher dieses in seinem tagebuch im Eintrag vom 5. Mai 1913 wie folgt festhielt: "Alle letzten Kriege seien gewonnen worden von jenen, die sich Jahre darauf vorbereitet [...]. Wir [gemeint ist also Österreich-Ungarn] sollten uns auf einen Krieg vorbereiten, der uns Serbien und Monenegro und Nordalbanien, Italien Valona, Deutschland des Sieg über den Panslawismus zu bringen hätte" (Zit nach: Hantsch, Hugo, Leopold Graf Berchtold, Wien 1963, S. 420.).


    Es wurde "global" bzw. europäisch sehr sehr weit gedacht, und zwar in Berlin, Wien wurde von uns als Instrument mit hineingezogen (bzw. war unentbehrlich für unsere Politik). Und auch dies geschah schon im Vorfeld durch aktive (permanente) dt (!) Bestrebungen, die Österreicher auf einen kommenden Krieg einzustimmen, wie sich aus dem Bericht Berchtolds über seine Unterredung mit Wilhelm II. ableiten lässt (er wird darin schon nicht gelogen haben, handelte es sich doch um keine öffentliche Korrespondenz (noch einen für die Nachwelt/Forschung konzipierte Darstellung), sondern einen reinen Dialog von Kaiser zu Kaiser, bei welchem Berchtold nur als "Zusteller" fungierte), bei welcher Wilhelm II. wie folgt zitiert wurde: "Der Krieg zwischen Ost und West sei auf die Dauer unvermeidlich und wenn dann Österreich-Ungarn in seiner Flanke der Invasion einer respektablen Militärmacht ausgesetzt sein, so könne dies für den Ausgang des Völkerringens verhängnisvoll werden. [...] Und wenn sie [also die Österreicher] glauben, daß ihr Heil von Belgrad zu erwarten sei, dann müsse ihnen dieser Glaube genommen werden. Mit Serbien könne es für Österreich-Ungarn kein anderes Verhältnis geben, als jenes der Abhängigkeit des Kleineren vom Größeren. [...] [Der Kaiser - Wilhelm II - könne sich keinerlei andere Ordnung vorstellen], als die Vormachtstellung der Monarchie gegenüber allen dortigen Staatswesen" (Vgl dazu:Bittner, Ludwig, Übersberger, Hans (Hg), Österreich-Ungarns Außenpolitik von der bosnischen Krise 1908 bis zum Kriegsausbruch 1914. Diplomatische Aktenstücke des Österreich-Ungarischen Ministeriums des Äußeren, Bd. 7, Leipzig 1930, Dok. 8934: Bericht Berchtolds nach Wien, 28.10.1913.). Der Krieg wird als unvermeidlich bezeichnet, die österreichische Grundhaltung in der Balkanpolitik quasi vorgegeben (bzw. mitgeteilt, was der Kaiser (wilhelm II.) und die dt. Politik preferieren), ein Ausgleich bzw. eine gemäßgte Balkanaktivität Wiens wird nicht ins Auge gefasst (weil man in Berlin Wien ja - wie schon im Beitrag zuvor gesagt - als Werkzeug unbegingt brauchte, siehe "die Rolle des Provozierten" haben), ja explizit ausgeschlossen. Das mit dem Provozierten war sogar so tief in das Grundkonzept eingeflossen, dass man (bzw. idF der Theo, aber er war ja net der einzige) glaubte, solange man diese Rolle einnehmen würde, London aus dem Kriege gehalten werden könnte (und schon allein deshalb war es unumgänglich an Wien als Instrument zur Auslösung festzuhalten, um vor London dann als "der Provozierte" (dann durch Russland & Frankreich) darzustehen). Theo berichtete im Zuge der Londoner Konferenz ab Ende 1912, er halte es für "nach vielen Anzeichen zum mindesten zweifelhaft, ob England aktiv eingreifen würde, wenn Rußland und Frankreich direkt als die Provozierenden erschienen [...] [, England aber dann erst zugunsten eines] niedergeworfenen Frankreichs nachträglich - zunächst wohl diplomatisch - eintreten würde" (Vgl. dazu: BAB, AA, Abt. England 78, geh., Bd. 31: Reichskanzler an Deutschen Kaiser, 18.12.1912.). Diese Kalkulation (siehe Hillgruber, Beitrag zuvor) war da, und das schon lange vor dem Sommer 1914; und warum sollte man auf & für etwas kalkulieren, dass man nicht auch in naher Zukunft vor hat Realität werden zu lassen (idF den europäischen Krieg)? Zudem wusste man in Berlin (trotz der Einschätzung vom Theo, von der ich nicht beweisen kann, dass er wissentlich von einer solch fehlgeleiteten Annahme ausging) nachweislich, dass London der msetzung im Wege stehen würde, wie sich am Bericht Lichnowskys zeigt, wo er klar herausstellt, dass "Englands Politik uns gegenüber eine friedliche und freundschaftliche ist, daß aber keine britische Regierung es mit den Lebensinteressen des landes vereinbar halten würde, eine weitere Schwächung Frankreichs zuzulassen" (Vgl dazu: BAB, AA, Abt. England 78, geh., Bd. 31: Lichnowsky an Reichskanzler, 9.12.1912.).

    Abschließend dazu (und zu diesem Beitrag für heute generell - ich wollte noch in andere Threads rein bevor ich gleich gehen muss) vielleicht noch ein anderer Aspekt, der uns (Dt.) die "Vorzeitigkeit" in Bezug auf die Kriegsplanung nachweist. Gemäß der neuen Doktrin eines solchen Krieges wie des Großen Europäischen Krieges, nämlich weg vom Kabinettskrieg hin zum Volkskrieg, wurden bereits früh zahlreiche Überlegungen (auch des Kaisers!) angestellt und über Verwaltungsakten und sonst. amtl. Korrespondenz) festgehalten. Das belege ich hier zum Ende kurz (wieder nur exemplarisch - es gibt mehr) mit dem Kaiser selbst, welcher in der selben Unterredung wie oben schon davon sprach, dass es sich bei der Situation am Balkan nicht um Sachverhalte handeln würde, "die durch Diplomatiearbeit geschaffen und gestaltet worden sind, sondern um einen weltgeschichtlichen Prozeß [(!)], in die Kategorie der Völkerwanderung einzureihen, in diesem Falle um ein mächtiges Vordringen der Slawenmacht" (Vgl dazu: Dok. 8934, wie die letzte Anmerkung zuvor, siehe oben.). Und sowas ließ auch er andauernd ab, Gesülze vom Kampf der europäischen Volksgruppen gegen einander, so auch in seiner persönlichen "Einschätzung" der Lage 1912, als er schrieb: "England wird aus Haß und Neid gegen Deutschland unbedingt Frankreich und Rußland beistehen. Der ev. Existenzkampf [(!)], den die Germanen in Europa gegen die von Romanen unterstützten Slaven zu fechten haben werden, findet die Angelsachsen auf der Seite der Slaven [...]. Grund: Neidhammel, Angst unseres Zugroßwerdens!" (Vgl dazu: BAB, AA, Abt. England 78, geh., Bd. 31: Kaiser an Kiderlen-Wächter, 8.12.1914.). Damit folgte er nur führenden Militärs, die um die notwendige Mobilisierung der Bürger für einen Volkskrieg wussten. Müller (den hatte ich zuvor auch schon zitiert, der Obermotz des Marinekabinetts, siehe Beitag zuvor) zB forderte "durch die Presse das Volk darüber aufzuklären, welche großen nationalen Interessen auch für Deutschland bei einem durch den österreichisch-serbischen Konflikt entstehenden Krieg auf dem Spiele ständen. [...] Das Volk dürfe nicht in die Lage versetzt werden, sich erst bei Ausbruch eines großen europäischen Krieges die Frage vorzulegen, für welche Interessen Deutschland in diesem Kriege zu kämpfen habe. Das Volk müsse vielmehr schon vorher [(!)] mit dem Gedanken an einen solchen Krieg vertraut gemacht werden" (Vgl. dazu: BAB, AA, Abt. Deutschland 137, geh., Bd. 7: v. Müller an Deutschen Kaiser, 8.12.1912.), was ürbrigens auch für eine Politik von langer Hand spricht. Und der Kaiser surfte auf dieser Welle mit und zeigte nur weiter seine Haltung der Determiniertheit wenn er so n Blech abließ wie "Der Kampf zwischen Slawen und Germanen ist nicht mehr zu umgehen, er kommt sicher. Wann? Das findet sich" (Vgl. dazu: Lepsius, Johannes, u.a. (Hg), Die Große Politik der Europäischen Kabinette, 1871-1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, Berlin 1922(ff), Bd. 34 II, S. 811: Schlussbemerkung Wilhelms II. zum Schreiben Pourtalès an Bethmann-Hollweg, 6.5.1913.). Und auch hier, besonders im letzten Teil (Wann? Das findet sich), erkennt man das warten auf den richtigen Augenblick, bei entschlossenem Festhalten an der a priori Unvermeidbarkeit eines Krieges.

    Das könnte ich ewig so weiter machen, aber ich muss echt mal los jetzt, wieder viel zu lange hier zusammengetragen und v.a. eingetippt, dat wars für jetzt.

    MfG

    Sniper
    Was hat jetzt Gillelmus Einwand >>>>
    Niemand, der sich ehrlich mit der Geschichte des 1. WK. beschäftigt, wird dies unterschlagen:
    Wladimir Freiherr von Giesl, der österreichische Gesandte in Belgrad, war während des gemeinsamen Ministerrates vom 7.Juli 1914 in Wien; er erhielt an diesem Tag vom österreichisch-ungarischen Außenminister Graf Berchtold die Weisung: „Wie immer die Serben reagieren - Sie müssen die Beziehungen abbrechen und [aus Belgrad] abreisen; es muß zum Krieg kommen."
    <<< mit einer deutschen Kriegsschuld zu tun? Darauf hätte ich von Dir gern etwas mehr gehört oder gelesen. Stattdessen beklagst Du, wie Gillelmus, angebliche Wunschvorstellungen der hiesigen User.

    Doch gewollt hat man ihn schon, man brauchte nur ein Ereignis wie Sarajevo. Wie ich oben aufgeführt hatte, war der Krieg nur Katalysator, in die kriegsziele waren eine Menge von kreisen involviert, und diese (Kriegsziele) waren keiner plötzlichen Überlegung entsprungen. De facto sollte eine dt. Hegemonie über Europa etabliert werden, das ist nicht gerade das, was man als Überfallener, der keinene Krieg wollte, als erstes anvisieren würde.
    Nochmals: Nein. Gewollt war der Große Krieg nicht. Man hat ihn sicher riskiert wie auch schon zuvor (Agadir..) DAS hab ich ja auch eingeräumt. Und ganz sicher glaubte man, vermutlich auch der Kaiser, dass es wieder in dieser Krise so ablaufen würde wie in den Krisensituationen zuvor. Ich sagte schon, dass in den Tagen der Krise seit dem Anschlag auf das Thronfolgerpaar auch immer eine andere Option zur Verfügung gestanden hätte. Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass sich der Ring um das Deutsche Reich längst geschlossen hatte, und was immer man seitens Berlin unternahm, nie konnte man den Eindruck dort gewinnen, dass irgend jemand aus der Entente Cordiale bereit war, Deutschland/Österreich-Ungarn aus der gestellten Falle entkommen zu lassen.

    War nicht die gesamte Entente-Politik, geboren während der Faschoda-Krise. darauf ausgerichtet, das Deutsche Reich militärisch einzukreisen, um es beizeiten erwürgen zu können? So hat man es damals in Deutschland empfunden. Und Ö-H ? Welche Chance blieb den Habsburgern nach der Aufkündigung der Rückversicherungsvertrages unter Caprivi? Es konnte jederzeit durch Russland - allein gelassen und ohne die moralischen Streicheleinheiten Wilhelms - zerschlagen werden. Und über Russlands Mittelmeerambitionen müssen wir uns nicht streiten oder?

    Dass Frankreich, rachesüchtig wie es war und darauf aus, das Elsass und Lothringen wieder unter die Trikolre zu bekommen, die Gelegenheit ergriff und sich mit Russland - gegen wen denn wohl ? - verbündete, ist auch nicht zu bestreiten. Und England? Trotz guter Handelbeziehungen mit dem DR, was übrigens auch auf F zutraf, - nie waren die deutschen und französischen Montanindustrien enger wirtschaftlich verbunden wie seinerzeit - sah man die industriellen und wirtschaftlichen Erfolge, natürlich auch das ergeizige Flottenprogramm des Kaisers, mit sehr gemischten Gefühlen.

    Über einen bevorstehenden Krieg sprach man doch in den Jahren vor 1914 in ganz Europa. Jeder erwartete, dass dies eines Tages passieren würde. Und dass man sich eben auch in D und in Österreich auf diesen Moment vorbereitete, ist m. E. nach selbstverständlich. Insoweit sind Deine Fussnoten-Zitate, der und/oder jener habe irgendwann etwas über deutsche Kriegsabsichten von sich gegeben, ziemlich belanglos. Sowas geschah an nahezu jedem Stammtisch in ganz Europa, und jeder interpretierte die jeweiligen "Kriegsziele" seines Landes auf seine Weise.

    Und DASS die Serben, deren Regierung ja von den Plänen der Mörder Kenntnis hatte, zur Verantwort zu ziehen waren, ist aus österreichischer Sicht, es war ja nicht die erste schlechte Erfahrung mit den Serben, durchaus verständlich. Wenngleich Wilhelm selbst, was nicht noch bewiesen werden muss, anfänglich in der Frage der österreichischen Aktion gegen Serbien ausserordentlich zurückhaltend war.

    Also nochmal: Was sollte denn das Kriegsziel D und Ö-H gewesen sein? Serbien selbst wohl kaum. Noch mehr "Fremdvölkisches und noch mehr Serben vertrug Ö-H gar nicht. Und die Methapher hinsichtlich der von Dir so hervorgehobenen "serbischen Schweine" ist so neu auch nicht gewesen zum damaligen Zeitpunkt. Auch Bismarck legte keinen gesteigerten Wert auf serbische Schweine und bosnische Zwetschgenbäume... oder waren es Apfelbäume? Deshalb bevorzugte er ja u.a. die "klein"deutsche Lösung.

    Und über Serbien hinaus? Nein, da gab es an und für sich keine Ambitionen. Man war mit den industriellen Erfolgen recht gut bedient und zufrieden und bemühte sich, seine wirtschaftlichen Verbindungen auszubauen. Die Badgdad-Bahn war ja nur eines dieser ergeizigen Ziele... für GB aber an dieser Stelle vermutlich DAS Alarm-Signal schlechthin, auch wenn man es nicht zugab. Die Rolle der Deutschen Bank bei der Finanzierung des Bahn-Projekts sollte man auch nicht unterschlagen, und es erklärt vielleicht Deine Frage, "was der Kerl eigentlich da zu suchen" hatte? Aber wem sag ich das?

    Nein nein, es ist schon so. Wenngleich Ö-H allen Grund hatte, Serbien abzuwatschn und man dafür in der Entente durchaus Verständnis gehabt haben musste, ist für mich schlicht nicht erkennbar, dass die Entente einen Krieg zwischen Ö-H und Serbien zum Welt´krieg ausweiten musste.

    Ich könnte auch noch stundenlang so weiter machen. Aber bezahlt werde ich dafür auch nicht.

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