Zitat Zitat von realsniper Beitrag anzeigen
[...] Dinge wie das unschuldig hineingezogen werden, oder das ständige Geheule von wegen Bündnistreue und die bösen Österreicher...sind Schmand. [...]
Ich wollt das mit dem Österreichgeheule net einfach so unbelegt stehen lassen, deshalb n kurzer Nachtrag dazu, warum ich das so sage und warum es nicht einfach nur eine weitere Behauptung ist:
Natürlich wurde das oft vertreten von wegen Bündnistreue Deutschlands, Kriegsbegeisterung Ö-Us usw. Es gibt auch Quellen, die nachzuweisen scheinen, dass Deutschland im Juli tatsächlich an keinem Krieg interessiert zu sein schien. Es gibt Belege über bestimmte dt. Kreise in Wien um den dt. Militärattaché von Kageneck, bei denen die Ansicht vorherrschte, die Serben würden das Ultimatum annehmen, "weil sie Schweine sind" (Vgl. dazu: BA-MA, MSg. 1/1914: Tagebuch Kageneck, 4.8.1914.). Ende Juli hatte Kageneck an Moltke berichtet, dass unter den österreichischen Offizieren die Annahme des Unltimatums durch Serbien mit nur 25% gehandelt wurde (Vgl. dazu: BAB, AA, MW, 155: Kageneck an Moltke, 24.7.1914.), man schien sich bis zuletzt unsicher.
Daraus könnte man ja schlussfolgern: Wenn sie den Krieg geplant hätten, würde sie nicht so ein Theater voreinader abziehen, wenn sie alle wüssten, dass das Ultimatum nicht angenommen werden SOLL. Oder aber man kommt zu der Frage, ob einige es einfach tatsächlich nicht wussten, was aber hier zu weit vom Thema abdriften müsste.
Dass die Österreicher 1914 im Allg. auch entsprechende Kriegsbegeisterung verspürten wie wir, kann man auch aus diversen belegen ableiten. Unzählige private Korrespondenz zwischen beteiligten Militärs weisen dies nach, exemplarisch nehme ich mal Gen. Appel (Komm. des. 15. kuk Korps in Sarajewo). Er schrieb an seinen Bekannten Borsch von Aarenau (von 1906-11 war dieser Leiter der Militärkanzlei des Erzhrzg. Franz Ferdinand) folgende Zeilen zu seiner Hoffnung auf den baldigen Schlagabtausch: "Während ich Dir schreibe, läuft Ultimatum Frist in Belgrad ab [...]. Hoffen wir es, sonstn [sic!] müßte man verzweifeln. [...] Mit wonne und Lust opfere ich meine alten Knochen mein Leben, wenn es gelingt den Mechelmörderstaat zu demüthigen [sic!] und dieser Herberge für Mordlbuben ein Ende zu machen [...]. Nur loslassen, - alles andere besorgen wir. [...] Prinz Eugen der edle Ritter! wollte [sic!] dem Kaiser wieder kriegen! Stadt und Festung Belegrad! Hoffentlich singen wir es morgen, bis zur Bewußtlosigkeit und hoffentlich wird es wahr" (Vgl dazu: ÖStA, KA, B/232:11, 79: Appel an Borsch, 25.7.1914.). Letztes spielt auf das letzte größere Engagement ÖUs in Belgrad an im Zuge des 3. (Großen) Türkenkrieges Ende des 17 Jh. Die Stelle mit dem Loslassen richtet sich an die Politik. Dieser General ist natürlich nur exemplarisch herausgegriffen, aber durchaus repräsentativ für die kuk Militärs.

Und die Österreicher waren sich ihrer "Schuld" in diesem Sinne bewusst, wie sich (zB) aus einer Tagebucheintragung Baernreithers (öst. Politiker) zeigt: "In Deutschland bestand die Befürchtung, daß wir nicht mitgehen würden, wenn uns der Anlaß des Krieges ferner liegen würde. In Algeciras waren wir noch Sekundanten, später nicht mehr, sondern in der Marakkokriese nicht standhaft zu Deutschland. Krieg mußte aber, wie die Dinge sich durch die Schuld der deutschen und österreichisch-ungarischen Diplomatie entwickelt hatten, kommen. Daher ergriff Deutschland nach dem Mord in Sarajewo die Gelegenheit beim Schopfe und benutzte den Anlaß, der sich auf österreichischen Seite ergeben hatte. Das ist die Geschichte des Krieges" (Vgl. dazu: ÖStA, HHS, Nachlaß Baernreither, K6: Tagebücher, Eintrag vom 2.12.1914.). Interessant ist hierbei, dass hier bereits die Schuld eingeräumt wurde die Situation durch diplomatische Versäumnisse bzw. Fehler selbst verursacht zu haben. Ebenfalls auffällig ist die Zuweisung von Schuld, die ebenfalls an Deutschland erfolgt. Dass dem so war bzw. Wien das so interpretierte, lässt sich auch vielfach belegen über Primärquellen, exemplarisch greife ich hier den Ausraster des ö-u. Außenministers Graf Czernin im Sommer 1917 heraus, welcher auf die dt. (im Zuge einer Debatte) vorgetragene Forderung nach einer Fortsetzung des Krieges bis zum Erreichen der dt. (!) Kriegsziele, entgegnete:
"Krieg ist damals nicht von Österreich allein begonnen! Deutschland hat strenge Form des Ultimatums an Serbien..." (Vgl. dazu: BAB, Rk, Gr. HQ, 21, 2477, Beiheft, HgBKz (Handakten betr. grundlegene Besprechungen über Kriegsziele): Protokoll der deutsch-österreichischen Konferenz für die Reichskanzlei, 14.8.1917.).
Als Bonus Info, weil es "lustig" ist: So (wie oben) kam es zu den Akten, das sinngemäß fehlende Wort wie "gewünscht/gewollt", sowie deshalb der folgende Widerspruch der dt. Seite durch Michaelis, Kühlmann und Helfferich, wurden ausgelassen. Blöd für die Reichskanzlei ist nur, dass der Protokollant der OHL den gesamten Teil protokollierte, wo der selbe Satz (wie zu erwarten) lautet:
"Krieg ist damals nicht von Österreich allein begonnen! Deutschland hat strenge Form des Ultimatums an Serbien gefordert" (Vgl. BAB, RA, 2610: Protokoll der deutsch-österreichischen Konferenz für die OHL, 14.8.1917.).
Und das war nicht erst 1917 so, sondern auch schon direkt zu Anfang, was sich ebenfalls über zahlreiche Quellen belegen lässt, da die Österreicher dies immer wieder zwischen den zeilen, oder gar ganz offen, erwähnten. Als (zB) nach rd einem Monat dringend militärische Soforthilfe der Deutschen von Nöten schien wegen der Übermacht der Russen in Galizien, empfahl Graf Tisza Berchtold solle in Berlin erklären: "Das [sic!] wir den Krieg auf die klipp und klarer Äußerung sowohl Kaiser Wilhelms wie des deutschen Reichskanzlers beschlossen haben, daß sie den Moment für geeignet halten und es mit Freude begrüßen, wenn wir ernst machen" (Vgl. dazu: ÖStA, PA, Kr500, XXXXVII: Tisza an Berchtold, 11.9.1914.).

Damit hatten die Österreicher ja auch nicht unrecht, Belege dafür gibts ja genug (bzw. sind allgemein bekannt). Berlin drängte Wien zur Kriegserklärung (und zwar pro domo), welche dem Kaiser (Franz Joseph) am 27. Juli zur Unterzeichnung vorgelegt wurde durch den (Berlins Vorgaben folgenden) Berchtold, der diesen Schritt damit begründete, dass der Entente wegen der serbischen Antwort Vermittlungsversuche gelingen könnten, sofern nicht "durch die Kriegserklärung eine klare Situation geschaffen wird" (Vgl dazu: Bittner, Ludwig, Übersberger, Hans (Hg), Österreich-Ungarns Außenpolitik von der bosnischen Krise 1908 bis zum Kriegsausbruch 1914. Diplomatische Aktenstücke des Österreich-Ungarischen Ministeriums des Äußeren, Bd. 8, Leipzig 1930, Dok. 10855: Berchtold an Franz Joseph, 27.7.1914.). Das zeigt auch, dass man in Berlin den Krieg keinefalls verhindern wollte, während man es noch konnte - und zwar explizit nicht (Hier geht es nicht mehr um die Passivität bei der Mäßigung Wiens, sondern dem aktiven Wunsch des Kriegsausbruchs). Und die Vermittlungsversuche wie auch -chancen waren da, bedenkt man, dass (zB) der französische Außenminister Bienvenu-Martin in der Julikrise offiziell erklärt hatte, dass der europäische Konflikt verhindert werden könne, wenn Berlin keinen Druck auf Wien ausübet, den krieg zu erklären (das hätte nämlich die Russen bei einem Eingreifen zum Bösewicht gemacht - man bedenke das Wien nach dem Attentat 1914 für damalige Verhältnisse international sowas war, wie Washington am 11.September 2001 - Die anderen Mächte waren ebenfalls durch das Attentat aufgebracht). In diesem Falle wäre es zu keinem Weltkrieg gekommen, bzw zu einer garantierten Nichtbeteiligung Frankreichs, und der Konflikt wäre lokal geblieben, im Falle eines russ. Eingreifens hätten die Westmächte (bzw. Frankreich - weil hier Bienvenu-Martin "spricht", aber London war ja eh noch weniger geneigt zum Krieg) sich zumindest neutral verhalten, solange Deutschland dies auch tat (Vgl. dazu: Commission de Publication des Documents Relatifs aux Origines de la Guerre de 1914 (Hg), Documents Diplomatiques Francais (1871-1914), Série 3 (1911-1914), Bd. 11, Paris 1929, Dok. 20: Runderlaß von Bienvenu-Martin, 24.7.1914.). Dies wurde ausgeschlagen, da Wien innerhalb der dt. (Kriegs)Politik seinen festen (und elementaren) Platz hatte, dessen Sinn eine Nicht-Kopplung an Berlin ausschloss (man brauchte es als Auslöser, siehe oben das mit "den Anlass, der sich für ÖU ergibt beim Schopfe packen").

Dass Wien primär nur Werkzeug übergeordneter dt. Interessen wurde (ob wissentlich oder net, ob willig oder net, ist alles egal), bzw. diese Rollenverteilung der beiden, wird auch aus dt. Quellen ersichtlich. So auch (zB) aus der Unterhaltung zwischen dem Direktor der Deutschen Bank, Arthur von Gwinner, und Unterstaatssekretär im Reichsmarineamt Capelle im August 1914, also kurz nach Kriegsausbruch. "Lichnowsky [das war der dt. Botschafter in London] war nur darüber nicht unterrichtet, daß man hier [in der Wilhelmsstraße] gewillt war, zum Konflikt zu treiben. [Auf die Frage Capelles, wer die treibende Kraft denn sei, anwortete Gwinner:] [...] z.B. Herr von Stumm im Auswärtigen Amt. [Auf Capelles Zweifeln hin fügte er an:] [...] Vielleicht ist es eine ganze Gruppe gewesen. Man hat planmäßig darauf hingearbeitet, Österreich zunächst fest zu engagieren, um seiner sicher zu sein. Die ganze Aktion in Serbien ist doch von vornherein in solcher Form eingeleitet worden, daß der konflikt unvermeidlich war" (Vgl dazu: Von Tirpitz, Alfred, Deutsche Ohnmachtspolitik im Weltkriege, Berlin 1926, S. 65ff.).
Was hier auch interessant erscheint, ist die Tatsache wer da so kurz nach Kriegsausbruch redet - der Direktor der DB. Wenn also der Krieg nicht von langer Hand geplant gewesen wäre, müsste man fragen: "Was sucht der da überhaupt und was will DER uns denn schon dazu erzählen können"?.
Die Involvierung Gwinners (und anderer) zeigt ein übergeordnetes Konzept, welches dem Krieg zugrunde lag (Wirtschaftsraum, Zollunion, etc - das kann ich alles einzeln easy belegen, aber das spar ich mir weil dat net direkt zum Thema gehört. Aber falls einer rumheilt deshalb, kann ich das gerne nachreichen, das ist kein Ding), und mit einer spontanen, dem Kriegsausbruch geschuldeten, reinen Reaktion nichts zu tun hat. Als (nur ein) Bsp für diese Vorausplanung mit wirschaftlichem Hintergrund greif ich die immer öfter aufkommende Behauptung von der "Nicht-Saturiertheit" des Reichs, welche man nun besonders im Hinblick auf die Wirtschaft und weniger (wie Bismarck damals bezüglich der Saturiertheit) außenpolitisch auslegte. Dass es "eine Schande und Schmach [war], daß wir immer nur zurückweichen" wurde schon vor dem Krieg auch von der mittelparteilichen Gruppe (Stresemann, Vogel, Stadthagen) propagiert, von denen ersterer in einem zweiten Referat (schon 1913) sogar forderte ein "abgeschlossenes Wirtschaftsgebiet zu schaffen, um unseren Rohstoffbedarf, unseren Export sicherzustellen" (Vgl. dazu: BAK, R45 I, Bl. 251.). Da kommt wieder diese "koloniale Ambition" (wie im Beitrag zuvor mal angeschnitten von mir) durch bzw. der Nachweis einer auf wirtschaftliche Dominanz gerichteten Politik (die schon 1913 bestanden hatte und auch dann schon sicherlich nicht von jetzt auf gleich konzipiert worden war).
Und nicht nur die Involvierung der Wirtschaftskreise, sondern auch (zB) die Einbindung "europäischer Innenpolitik" gehört zu den Aspekten, die von ensprechender vorheriger Planung zeugen, und somit das "Hineinschlittern" widerlegen. Exemplarisch dafür vielleicht diesmal der Theobald, der in einer Einladung zu einer Besprechung in der Reichskanzlei anführte, es ginge darum, schleunigst "Richtlinien für die Behandlung der Seozialdemokraten, Polen und Dänen [...] vorzubereiten" (Vgl dazu: BAB, RdI, 12215/1: Bethmann-Hollweg an den Kriegsminister, den Minister des Innern, die Staatssekretäre des Auswärtigen, des Innern, des Reichsmarineamts, des Reichsjustizamts, des Reichspostamts, 18.7.1914.). Die Überlegungen weisen auf eine Verlagerung bzw. Ausweitung der Innenpolitik (Szialdemokraten) nach jenseits der Vorkriegsgrenzen bzw. diesseits der zukünftig angestrebten (Polen, Dänen) hin. Und das ist nur mit der Prämisse einer dt. Hegemonie in Europa logisch.

Bedenken wir die Involvierung solcher bestimmter Kreise und die Anzahl an Facetten, so ergibt sich das Vorhandensein eines nicht militärisch-politischen Konzepts. Und gibt es ein solches wirschaftlich und innenpolitisch geprägtes Konzept, dann gibt es auch eine entsprechende Planung zum Auslösen des Krieges, der dann (wie oftmals in der Weltgeschichte) nur zum Katalysator werden würde. Und gibt es diese Planung, ist auch erklärt warum Berlin mutwillig und aktiv die "wenigen" Chancen zur die Vermeidung des Krieges unterminierte.


Der Theo selbst hatte das Vorandensein eines solches Konzepts nicht verleugnet, ja sogar bestätigt (Vgl. dazu: BAB, RK, Krieg 15, Bd. 10, 2444/5: Bethmann-Hollweg an Erich Brandenburg, 16.8.1916.). Und auch jenseits dieser Kreise gab er sogar Details preis, sowohl auf allgemeiner Ebene (durch die Bestätigung eines übergeordneten Konzepts, siehe oben), wie auch konkret. Als der Historiker Erich Marcks (als Sprecher nationaler Kreise) ihn im März 1916 penertierte mit der Aufforderung die Kriegsziledebatte öffentlich zu machen, gab Theo als Antwort: "ich verstehe diesen von weiten Kreisen gehegten Wunsch und teile ihn. Auch ich sehne den Augenblick herbei, wo [...] die Aufstellung konkreter Ziele, möglich sein wird. [...] In dem Augenblick, wo das Ende oder nur die Richtung, aus der es kommt, zu sehen ist, wird die Zeit gekommen sein, zu sprechen", womit er ja indirekt zugibt, dass
1) eine tatsächliche Debatte also auch Uneinigkeit existiert, (was auf die vielen Facetten und/oder das übergeordnete Konzept verweist) und,
2) dass auch diverse Kreise ("aus welcher Richtung es kommt") involviert sein müssen, sowie
3) eine öffentliche Äußerung über die dt. Kriegsziele nur Andeutung oder Verschleierung seiner eigentlichen Absichten bedeuten würde.
Im selben Schreiben an Marcks sagt er auch: "Ich habe die unsere Zukunft bestimmende mitteleuropäische Idee in die Debatte geworfen, auf die großen Aufgaben im Osten hingewiesen, konnte im ürbigen aber in meinen Reden über die Sicherung unserer Grenzen [...] für die Beseitigung der Einfallstore Belgien und Polen nicht hinausgehen. Meine Andeutungen schlossen die Einbeziehung Belgiens und Polens in den Machtbereich Mitteleuropas ein, fürwahr kein kleines Ziel. [...] Wir haben gegen unsere Feinde alle Karten unaufgedeckt gelassen" (Vgl dazu: BAB, RK, Krieg 1/2, 2402: Bethmann-Hollweg an Erich Marcks, 17.7.1916.). Das deckt sich wieder mit dem oben erwähnten Konzept.

Und die Beteiligten waren sich auch damals ihrem erheblichen Anteil am Krieg bewusst, wie sich (zB) aus Korrespondenz zwischen Albert Ballin (ein enger Vertrauter vom Theo und vom Jagow) und Jagow, welcher diesem schrieb: "Ich habe Nachsicht für einen Mann, der wie E.E. [das steht für Eure Eminenz] so schwer belastet ist und die entsetzliche Verantwortung zu tragen hat für die Inscenierung [sic!] dieses Krieges, der Deutschland Generationen prächtiger Menschen kostet und es für 100 Jahre zurückwirft" (Vgl. dazu: BAB, AA, WK 18, geh., Bd. 2: Handschriftliches Schreiben Ballin an Jagow, 15.7.1915.). Hier wird klar die Verantwortung für eine "Inszenierung (!) des Krieges" vorgenommen; zudem - das aber nur am Rande - erscheint es schon "gespenstisch", dass Ballin von 100 Jahren spricht, wenn man bedenkt, dass die letzte Folge dieses Krieges (die Reparationen) schlußendlich erst Ende 2010 durch waren (!).
Und auch im Entscheidungsjahr 1916
("Entscheidungsjahr" sag ich jetzt einfach so, wegen vielen entscheidenden Maßnahmen/Aktionen, die fürs Kriegsgeschehen prägnant sein sollten: Die Allierten besetzten nach der Abwehr der osmanischen Offensive seit Anfang 1915 das Ostufer des Suezkanals, dafür kassieren sie eine Niederlage auf Galipoli (Jan), Die Schlacht bei Verdun beginnt sowie ein verschärfter U-Bookrieg gegen bewaffnete Handelsschiffe (Feb), Das brit. Scheitern bei Kut-el-Amara (Apr), das Sykes-Picot-Abkommen (Mai), im selben Monat die österreichische Gegenoffensive nach der 5. Isonzoschlacht und ferner noch die Schlacht am Skagerrak, die erste Brussilow-Offensice (Jun), dem Beginn der Somme-Schlacht im selben Monat, die russ. Rückgewinnung Türk. Armeniens (Aug) und den Kriegseintritt Rumäniens im selben Monat, die Eroberung Bukarests (Dez) durch die Deutschen, sowie gegenseitige Friedensangebote im selben Monat von Entente und Mittelmächten, usw)
wird weiterhin nicht mit dem Anteil an der Schuld hinterm Berg gehalten. Admiral von Müller, der Obermotz des Kaiserlichen Marinekabinetts, notierte im Dezember (1916) in sein Kriegstagebuch, die Antwortnote der Entente auf das dt. Friedensangebot, welche Berlin eine großen Teil der Schuld Berlin zuschob, enthalte "einige bittere Wahrheiten über unsere Regie des Kriegsausbruchs" (Vgl. dazu: Görtlitz, Walter (Hg): Von Müller, Georg, Regierte der Kaiser? Kriegstagebücher, Aufzeichnungen und Briefe des Chefs des Marine-Kabinetts Admiral G. A. v. Müller, Göttingen 1959, S. 245, Eintragung vom 31.12.1916.).
Und auch der Theo räumte diese Schuld öffentlich ein, so zB bei den Auseinandersetzungen um den uneingeschränkten U-Bootkrieg, wo er im Oktober 1916 vor dem Hauptausschuss des RT erklärte: "Seit Anfang des Krieges sind wir dem Fehler nicht entgangen, die Kraft unserer Feinde zu unterschätzen. Wir haben diesen Fehler aus der Friedenszeit übernommen. Bei der staunenswerten Entwicklung unseres Volkes in den letzten 20 Jahren erlagen weite Schichten der Versuchung, unsere gewiß gewaltigen Kräfte im Verhältnis zu den Kräften der ürbigen Welt zu überschätzen [...] in der Freude über das eigene Emporkommen [wurden] die Verhältnisse in den anderen Ländern nicht genügend berücksichtigt" (Vgl. dazu: BAB, RT, XVI: Protokolle der Budget-Kommission, Nr. 1301.), auch wenn man das als "Ausraster" abtun könnte - genau darin steckt ja eher die wahre Natur der Dinge.


Fakt ist, dass Deutschland damals mutwillig den Krieg anheizte (daher die "erhebliche" Mitschuld in der Abstimmung oben. Klar gehören dazu immer zwei Seiten, daher hat Deutschland nicht die Alleinschuld, da die anderen ja darauf eingingen. Trotzdem gehen die meisten - oder anders - die gravierendsten Impulse nunmal von Berlins Politik aus, welche eben schon lange vor der Julikrise übergeordnete Hegemonialpläne verfolgte, sowie konkrete Vorstellung zur Verfahrensweise bei Auslösen des "Entscheidungskampfes" erarbeitet hatte; der Plan, dass Wien bei einem Konflikt mit Serbien UND Russland einen "feindlichen Akt Belgrads" vorweisen kann als Grund, war fester Bestandteil des Gerüsts zur Umsetzung, das Attentat somit ein willkommener Anlass, der nicht erst neue Pläne auslöste, sondern alte Pläne quasi mit fremder Hilfe "abschloss" und/oder zur Umsetzung führe. Dies wird (abschließend nochmal n Bsp) durch dt. amtliche Korrespondenz der Vorkriegsjahre belegt, wie (zB) das Schreiben von Jagow an Tschirinsky vom Frühjahr 1913, in dem die Verfahresweise für diese Situation schon festgelegt präsentiert wird: "Unsere [also Deutschlands] Haltung denke ich mir, le cas échéant, so; Wir erklären in Petersburg, daß österreichisch-montenegrinische und österreichisch-serbische Konflikte Auseinandersetzungen lokaler Natur seien, in die die anderen Mächte keinen Grund einzugreifen hätten und deshalb ruhig bleiben müßten. Dieselbe Erklärung müßten wir auch in Paris und London abgeben mit Andeutung der unausbleibenden Folgen, die eintreten müßten, wenn Rußland Österreich angreift. Es ist für uns sehr wichtig, die Rolle des Provozierten [(!)] zu haben [...]" (Vgl. dazu: BAB, AA, GW (Gesandtschaft Wien), Geh. III, Ganz geh. Sachen 1891-1921: Jagow an Tschirinsky, 28.4.1913.).


Man kann also feststellen, dass Berlin in den Jahren zuvor eine aktive auf den großen Entscheidungskampf ausgerichtete Geheimpolitik betrieben hatte, wenn auch nie ein Krieg mit GB geplant war (dass man dessen Neutralität erhoffte ist wohl jedem bekannt, daher belege ich das nicht auch noch - geht aber easy, is kein Problem, wie gesagt...).
Aus dem oben farbig hervorgehobenen Teil würden "Dramatiker" eine Verschwörung ableiten, und wenn man dies als Verschwörung betrachtet, müsste es eine Verschwörung bestimmter Machteliten gegen das dt. Volk sein (da es ja kein Kabinettskrieg mehr war, sondern das "neue" Konzept des Volkskriegs, DER Entscheidungsschlacht im großen Maßstab). Dem mit den Macheliten kann man so zustimmen, "Verschwörung" ist difiziler, da die damaligen Bürger an einem anderen Hebel saßen als wir heute, de jure ein Tatbestand wie der einer "Verschwörung vs. das Volk" nicht gegeben sein konnte. Aber das führt hier zu weit vom Thema ab, wichtig ist nur (oben) - das die Österreicher nicht uns runterzogen, sondern wir eher die mit runter warfen, als Teil unserer Pläne.

Daher auch die "erhelbliche" Mitschuld Berlins, da man die Chancen hatte den Krieg zu verhindern, diese wahrzunehmen aber nachweislich a priori ausschloss. Ich persönlich tendiere auch zu dem, was der Hillgruber mal die "Politik des kalkulierten Risikos" nannte (Vgl dazu: Hillgruber, Andreas, Riezlers Theorie des kalkulierten Risikos und Bethmann Hollwegs politische Konzeption in der Julikrise 1914, in: Schieder, Wolfgang (Hg), Erster Weltkrieg. Ursachen, Entstehung und Kriegsziele, Köln 1969, S. 240-255, hier: S. 248.), was jedoch auch bedeutet, das es sich (siehe Erklärung oben) um "erhebliche" Schuld - und völlig fernab einer Gewichtung Wiens - handelte.
Das ist aber auch alles bzw reichts jetzt auch, hab mich wieder n bissle hinreißen lassen (wenn man einmal anfängt, dann...ich glaub deshalb auch meine Berufswahl - ich steh wohl irgendwie auf so nen Sch#+ß, hehe, iSv Rekonstruktion des früher mal währenden). Nun denn, wollt nur nachtragen, worauf das da oben gründet (was ich gesagt hatte).


MfG
Sniper