Zusätzlich zu den bereits im Landtag vertretenen Parteien möchten sich 18 weitere Gruppierungen zur Wahl im Januar stellen. Was sind das eigentlich für welche?

An diesem Freitag entscheidet der Landeswahlausschuss für jede der 18 Vereinigungen, die sich bis zum Stichtag am 22. Oktober gemeldet haben, über ihre wahlrechtliche Anerkennung als Partei und somit darüber, ob sie überhaupt zur Wahl zugelassen werden. Die bereits bei der letzten Wahl mandatierten Parteien CDU, SPD, FDP, Grüne und Linke müssen nicht eigens neu geprüft werden; Parteien, die in anderen Landesparlamenten, nicht jedoch im niedersächsischen vertreten sind, hingegen schon – das betrifft in diesem Fall die NPD und die Piraten. Bis zum kommenden Donnerstag dann müssen die zugelassenen Gruppen ihre Wahlvorschläge eingereicht haben, über die der Ausschuss dann in der Woche darauf berät.

Bevor einige dieser Exoten durch das Raster fallen und in manchen Fällen vermutlich auf Nimmerwiedersehen verschwinden werden, stellt der Lokalteil sie in aller gebotenen Kürze vor: Was wollen sie, wie ticken sie – und wie ernstzunehmen sind sie?

Wir haben die aus der Mitteilung der Landeswahlleiterin hervorgehenden Eigenschreibweisen der Parteien – Groß- und Kleinschreibung, Zeichensetzung, Kürzel – übernommen. Weder die Reihenfolge noch der Umfang der Einträge ist als Maßstab für eine der jeweiligen Gruppierung beigemessenden Bedeutung unsererseits zu verstehen. Wir haben die Piratenpartei aus dieser Aufzählung herausgelassen, da sie nach dem erfolgreichen Einzug in vier Landesparlamente und einer gewaltigen Medienpräsenz nicht mehr als „Exot“ gelten kann. Die Neonazis der NPD lassen wir aus naheliegenden Gründen ebenfalls heraus.



Partei Gesunder Menschenverstand Deutschland

Die Partei mit dem hübschen Namen „Gesunder Menschenverstand“ und einer gewissen Vorliebe für das Wort „Willkür“ schießt sich vor allem auf den Fiskus ein. Kleine und mittlere Unternehmen, heißt es da, sollen von allen Steuern außer der Umsatzsteuer befreit werden – und gegen einen kleinen fiskalischen Obolus von zehn Prozent mehr sollen sie sich auch noch die Finanzprüfer vom Hals halten können. Durch dieses System würde ihren „Berechnungen“ zufolge 70 Prozent der Arbeitslosen „auf eigene Kosten neue Firmen gründen und neue Mitarbeiter einstellen“, behauptet die Partei und fragt: „Entspricht dies nicht dem gesunden Menschenverstand?“

Damit das angesichts der geltenden Zuständigkeiten im Steuersystem auf Landesebene überhaupt funktionieren kann, soll Niedersachsen eine „Freihandelszone“ werden, fordert die PGM. Auch für den Durchschnittsbürger sollen die Steuerangelegenheiten vereinfacht werden, und zwar so dynamisch, dass die Partei sich selbst übertrifft – während sie im Landtagswahlprogramm für eine Steuererklärung eintritt, die sich in fünf Minuten ausfüllen lasse, ist in einer angeschlossenen Kampagne sogar von nur noch zwei Minuten die Rede. Es soll nur eine einheitliche Einkommenssteuer in Höhe von 22 Prozent geben, was wohl so zu verstehen ist, dass dies gleichermaßen für Niedrigverdiener und Einkommensmillionäre gelten soll. Und wieder: „Entspricht dies nicht dem gesunden Menschenverstand?“ Tja.

Das Landtagswahlprogramm umfasst vier luftig beschriebene Seiten, von denen eine als Deckblatt und eine weitere als Unterstützungsformular fungiert. Das Grundsatzprogramm passt sogar auf eine einzige Din-A4-Seite. Es umfasst fünf Punkte, deren letzter mit „Internationale Beziehungen“ betitelt ist und aus folgenden zwei Sätzen besteht: „Alle Menschen in allen Ländern haben ein Recht auf die Zahlung des Existenzminimums durch den jeweiligen Staat. Dadurch wird Auswanderung aufgrund von lebensbedrohender Not vermieden.“ Eine etwas krude anmutende Mixtur aus Sozialethik und Fremdenfeindlichkeit – und wie sie alle anderen Nationen weltweit dazu bringen will, soziale Netze zu errichten, darüber schweigt sich die Partei leider aus.

So knapp die Programmatik auch sein mag – immerhin hat die Homepage der Partei jenen der Mitbewerber eines voraus: die Rubrik „Polithumor und Aphorismen“. Allerdings gerät die Einordnung ein wenig durcheinander – hinter dem Eintrag „Witz 04.11.12“ verbirgt sich ein Zitat des Philosophen Jean-Jacques Rousseau. Vielleicht haben wir aber auch nur einen anderen Humor.



PARTEI DER VERNUNFT

Klingt beim ersten Hören wie eine Schwesterpartei der Partei Gesunder Menschenverstand, vielleicht aber auch wie ihr ideologischer Todfeind, da sie sich einen derart ähnlichen Anspruch auf die Fahnen geschrieben hat. Die Vernunftpartei ist 2009 vom Focus-Journalisten Oliver Janich gegründet worden, der laut Spiegel schon mal verdächtigt wurde, Börsenkurse manipuliert zu haben, wofür er im Frühjahr 2012 „erneut ins Visier der Ermittler geraten“ sei und der auch ganz eigene Ansichten zum 11. September und dem Klimawandel („Der Klimaschwindel ist ein Multibillionen-Geschäft“) hat. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hat die Partei 6.356 Stimmen erhalten (0,1 Prozent). Im vergangenen Jahr soll sie bundesweit rund 1.000 Mitglieder gehabt haben.

Ihre Maxime lautet: „Wir sind sozialer als SPD und Linke, grüner als die Grünen, liberaler als die FDP und christlicher als CDU/CSU.“ Es allen recht zu machen und sich mit niemandem anlegen – das klingt allerdings mehr als nur ein wenig wischi-waschi; außerdem muss sich die Partei fragen lassen, wie ihr Anspruch, sich für weitestgehende individuelle Freiheit anzusetzen, mit der erwähnten Bezugnahme zum Christentum in Einklang bringen lässt, das doch eher für festgeschriebene gesellschaftliche Strukturen steht.

Für die Niedersachsenwahl hat die Partei eine umfangreiche Positionsliste ins Netz gestellt, bei der sich die einzelnen Punkte zwecks näherer Informationen anklicken lassen. Leider führt der Versuch stets zu einer Fehlermeldung, was schade ist – es wäre sicher interessant zu wissen, was sich hinter dem Punkt „Zulassung von Alternativwährungen“ verbirgt.

Aber auch so lässt sich jedoch schnell erkennen, dass die Partei sich als eine Art radikalere FDP versteht: „Jegliche direkte Eingriffe in das Eigentum, wie direkte Steuern (zum Beispiel Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer, Abgeltungsteuer) sind verboten“, heißt es im Grundsatzprogramm: „Hoheitliche Aufgaben dienen allein dem Schutz des Lebens, der Freiheit und des Eigentums und werden durch indirekte Steuern finanziert. Die Bürger bestimmen so den individuellen Finanzierungsbeitrag über ihren Konsum selbst.“ Das heißt wohl: Nur soviel Steuern, dass sich davon ein staatlicher Sicherheitsapparat finanzieren lässt. Und heißt wohl auch: Wenn mehr Polizisten oder neue Ausrüstungsteile benötigt werden, müssen die Bürger mehr DVD-Player kaufen.

Bei einem solchen Ansatz liegt es nahe, dass Sozialstaat und Krankenversicherungssystem bei einem Wahlsieg der PdV passé wären: „Bürger und Institutionen haben das Recht, aber nicht die Pflicht, sich zu sozialen Zwecken zusammenzuschließen. Niemand darf also gezwungen werden, einer solchen Sozialgemeinschaft beizutreten oder sie zu finanzieren.“ Außerdem dürfe niemand „daran gehindert werden“, „freiwillige Vereinbarungen zu treffen“. Das dürfte das Todesurteil für Tarifverträge und jegliche Mindestlohnmodelle sein.

Die Partei schmückt sich mit dem – eigentlich eher in den USA geläufigeren – Label des Libertarismus; allerdings ist im Programm viel von einer „natürlichen Ordnung“ die Rede – und das klingt weniger nach „Freiheit“ als vielmehr nach sozialdarwinistischer Ideologie.




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Ohannnn da soll einer durchkommen