Eines fällt abseits all dieser Zahlenspiele auf: Im Vergleich zum russischen Geldadel nimmt sich die polnische Elite geradezu mickrig aus. Das US-Magazin „Forbes“ platziert Alischer Usmanow, den reichsten Russen, in seinem globalen Ranking auf Platz 28 – dessen Vermögen wird auf rund 15 Mrd. Euro geschätzt. Und Russlands Nummer 26, ein Baustoffmagnat namens Filaret Galtschew, ist sogar deutlich reicher als Polens Erstplatzierter Kulczyk.
Keine überdimensionalen Egos
Die Tatsache, dass es Polen in seiner bald 25-jährigen Geschichte der freien Marktwirtschaft zu keinen Oligarchen gebracht hat, blieb lange unbemerkt und ist erst seit kurzer Zeit Gegenstand von ernsthaften Überlegungen. Daniel Passent, der für seine Bonmots bekannte Kolumnist der liberalen Warschauer Wochenzeitung „Polityka“, stellt den Sachverhalt folgendermaßen dar: „Was die Trennung von Kirche und Staat anbelangt, haben wir hier auf ganzer Linie versagt. Dafür waren wir bei der Trennung von Staat und Unternehmen geradezu spektakulär erfolgreich.“
Über die Gründe dieses Erfolgs scheiden sich die Geister. Ruchir Sharma, Autor des den Emerging Markets gewidmeten Bestsellers „Breakout Nations“, weist im Zusammenhang mit Russland auf eine Abfolge von überdimensionalen Egos hin – von Gorbatschow über Jelzin bis Putin –, die in das Muster des russischen Kults der starken Persönlichkeit hineinpassen – und diesen Kult gebe es, anders als in Polen, nun mal auch in der Wirtschaft.
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Andere juristische Kultur
Die Affäre um Art-B liefert allerdings eine Teilantwort auf die eingangs gestellte Frage: Anders als in Russland hatten Justiz und Exekutive in Polen bereits wenige Jahre nach der Demontage des Ostblocks wieder Biss. „In Polen war es nicht möglich, Kapital so rasant zu akkumulieren, wie es in Russland der Fall war“, sagt Zygmunt Berdychowski, der Veranstalter des Wirtschaftsforums Krynica, das als „Davos des Ostens“ gilt. Wobei die Akkumulation in Russland aufgrund der Bodenschätze leichter fiel als im rohstoffarmen Polen. Doch die vermutlich wichtigste Rolle als Stabilisator spielte die EU – um beitreten zu können, musste Polen ein Rechtsstaat werden. Und das ist auch geglückt: „Wir haben jetzt eine ganz andere juristische Kultur als in Russland“, betont Daniel Passent.
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