+ Auf Thema antworten
Seite 1 von 6 1 2 3 4 5 ... LetzteLetzte
Zeige Ergebnis 1 bis 10 von 55

Thema: Die SPD, Finanzen und ihr Anspruch

  1. #1
    in memoriam Benutzerbild von Klaus E. Daniel
    Registriert seit
    17.05.2003
    Ort
    Deutschland: Breslau -Wiesbaden-Freudenstadt,Tel. 07441-83945,
    Beiträge
    1.897

    Standard

    Achtung, ich bin am Schreiben. bitte nicht stören:

    __________________________________________________ __

    In der SPD geht es (wieder einmal) ums Ganze: um die Identität eines 140 Jahre alten Traditionsvereins, um dessen Zukunft als linke Volkspartei, um die Gestaltungsmacht im Hier und Heute. Was die Vergangenheit anbelangt, so hat die Partei im Laufe zweier Menschenalter schon vieles hinter sich gelassen, was einmal zu ihrer Grundsubstanz gehörte. Abgesehen von den punktuellen Richtungsstreitigkeiten und Personalquerelen, den ständigen Begleitern jeder Parteiarbeit, hat die SPD vor allem zwei große Häutungen durchgemacht: Sie hat sich (wiederholt) von revolutionären Heißspornen getrennt, denen es mit der Befreiung der Arbeiterklasse auf gewaltfreiem Weg nicht schnell genug ging, und ganz auf die evolutionäre Veränderung der Gesellschaft gesetzt. Spät, aber nicht zu spät hat sie 1957 ihren Frieden mit einem gemäßigten Kapitalismus - der Sozialen Marktwirtschaft- gemacht und sich von der marxistischen Klassenkampf-Ideologie losgesagt, um endlich Volkspartei werden zu können.

    Das ging jeweils nicht ohne heftige, lang andauernde Konvulsionen ab. Diese Prozesse gehören heute ebenso zur Identität der SPD wie ihr Gründungsmythos. Niemand würde der SPD vorwerfen, sie sei nicht mehr die Partei Lassalles oder Bebels. Im Gegenteil: Es ist ihr großer Vorzug, daß sie ihre Säulenheiligen nicht vergötzte, wie das die Kommunisten taten, sondern sich die Fähigkeit bewahrte, ihre Strukturen und ihr Programm gesellschaftlichen und politischen Veränderungen anzupassen. Andere, dogmatischere Linksparteien kamen und gingen - die SPD blieb.


    Es geht weiter ...

  2. #2
    in memoriam Benutzerbild von Klaus E. Daniel
    Registriert seit
    17.05.2003
    Ort
    Deutschland: Breslau -Wiesbaden-Freudenstadt,Tel. 07441-83945,
    Beiträge
    1.897

    Standard

    (....)Allem Anschein nach steht den Sozialdemokraten Deutschlands nun abermals eine solche Häutung bevor. Außenstehenden mag die Agenda 2010, die nun nach und nach Gesetzesform annimmt, alles andere als radikal erscheinen, für die SPD ist sie mit einem tiefgreifenden Paradigmenwechsel verbunden: mit der Einsicht, daß sich die Sozialdemokratie zu Tode siegt, wenn sie sich einfach treu bleibt und ihren politischen Auftrag im immerwährenden Umverteilen von Volksvermögen sieht. Theoretisch scheint die Mehrheit für einen solchen Auftrag in der Demokratie zwar auf ewig gesichert, weil die Kleinverdiener den Großverdienern immer zahlenmäßig überlegen sind, mit dem Ergebnis der Umverteilung - weniger Wohlstand für alle - sind aber nur noch die wenigsten zufrieden.

    Die Agenda 2010 ist der erste umfassende Versuch einer SPD-geführten Regierung, auf dieses Dilemma mit einer Anpassung nach unten zu reagieren. Die Regierungen Brandt und Schmidt, die es auch schon mit Konjunkturkrisen und Schieflagen in den Sozialsystemen zu tun hatten, zogen sich noch mit Wundermitteln aus der Affäre: Ihre antizyklische Wachstumspolitik - das Steigern der Ausgaben bei sinkenden Einnahmen - legte den Grundstock für die Hypothek, die auch Sozialdemokraten heute als Verhängnis empfinden. Nur zu gern würde die SPD jetzt noch einmal mit der Bildungspolitik auftrumpfen. Sie kann es nicht, weil die Haushaltslage es nicht mehr zuläßt. Allein für Rentenzuschüsse und den Schuldendienst gibt der Bund mittlerweile das Zehnfache des Betrags (115 Milliarden Euro) aus, den er für Bildung und Wissenschaft erübrigen kann. Anfang der siebziger Jahre betrug das Verhältnis zwischen diesen Ausgabenposten noch zwei zu eins.

    Obwohl diese Entwicklung Grund genug sein sollte für ein Umdenken, auch auf der Linken, sind viele Sozialdemokraten und Gewerkschaftler nicht von ihrem Vulgär-Keynesianismus kuriert. Noch immer meinen sie, die stotternde Konjunktur mit immer neuem Kreditsprit befeuern zu müssen. Doch ein Zurück zu den Sünden der Vergangenheit gibt es nicht. Denn während zu Brandts Zeiten die durch die Neuverschuldung gewonnene Summe tatsächlich noch für (weitgehend wirkungslose) Konjunkturprogramme ausgegeben werden konnte, reicht die abermals ausufernde Nettokreditaufnahme des Bundes heute nicht einmal mehr für den Schuldendienst.

    Der Weg nach vorn, die Anpassung der Sozialausgaben an die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft, ist für Sozialdemokraten jedoch mit Warnschildern gesäumt: "Achtung, Neoliberalismus!" steht darauf. In gewisser Weise haben die Kritiker der Agenda recht, wenn sie sagen, daß ein Pragmatismus nach Art Schröders nicht schon deshalb sozialdemokratisch ist, weil er von einer sozialdemokratischen Partei ins Werk gesetzt und sozialdemokratisch genannt wird. Tatsächlich ist Schröders gegenwärtiger Kurs ein Bruch mit den Restbeständen gesellschaftlicher Utopien aus dem 19. Jahrhundert, mit denen noch "das Menschenrecht erkämpft" wurde: das allgemeine und gleiche Wahlrecht; der Schutz der Schwachen gegen Ausbeutung, gegen einen übermächtigen, von privilegierten Schichten dominierten Staat und seine Klassenjustiz. Es fällt Sozialdemokraten offenbar schwer zuzugeben, daß die gesellschaftliche Realität des 21. Jahrhunderts dem demokratischen Sozialismus, der ihren Gründervätern vorschwebte, überaus ähnlich sieht - auch wenn der Kapitalismus dabei nicht überwunden, sondern dienstbar gemacht wurde.

    Die Emanzipation der Arbeiterklasse jedenfalls ist Schnee von gestern. Doch für das, was im eigentlichen Sinne "links" ist - für Utopien -, ist immer noch Platz. Die zeitgemäße Utopie, das ist die Emanzipation des einzelnen von der Vergesellschaftung seiner Verantwortung für sich und seine Nächsten. Generalsekretär Scholz war auf dem richtigen Weg, als er dafür plädierte, der Freiheit künftig ein größeres und der sogenannten Verteilungsgerechtigkeit ein kleineres Gewicht beizumessen. Nur klang das nicht nach einem Aufbruch zu neuen Ufern, sondern nach kleinmütigem Abrücken von alten Positionen. Etwas mehr Mut braucht es schon, wenn die SPD aus ihrer Haut herauswill.


    Merkt einer was ?

    KED

  3. #3
    Mitglied Benutzerbild von pavement
    Registriert seit
    15.09.2003
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    3.389

    Standard

    ja, ich merk was, und zwar nen fehler:


    Spät, aber nicht zu spät hat sie 1957 ihren Frieden mit einem gemäßigten Kapitalismus - der Sozialen Marktwirtschaft- gemacht und sich von der marxistischen Klassenkampf-Ideologie losgesagt, um endlich Volkspartei werden zu können.
    bad godesberg war 1959. aber ansonsten sehr schön!

    ich stell einfach mal ne frage in raum: gibt es in deutschland noch so etwas wie eine echte arbeiterklasse - das urprüngliche klientel der spd?

    die frage bei den reformen, die dringend notwenig sind und gemacht werden MÜSSEN, ist folgende: empfindet sie die mehrheit der gesellschaft als gerecht?

    wenn der kleine mann das gefühl hat, dass ihm weggekürzt wird und die reichen werden fast nicht belastet, dann könnte das sehr schnell zu vielen weiteren problemen führen.

    noch was: sobald die spd ihren ruf verliert, sozial gerecht zu sein, werden noch mehr wahlen verloren, und zwar in drastischerer weise als bisher!

    denn wozu spd wählen, damit alles sozial ungerecht gekürzt wird, wenn das die union/fdp besser kann?
    Es ist ein hartes Wort und dennoch sag ichs, weil es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, das zerrißner wäre, wie die Deutschen. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Priester, aber keine Menschen, Herrn und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine Menschen - ist das nicht, wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt untereinander liegen, indessen das vergoßne Lebensblut im Sande zerrinnt?

    Friedrich Hölderlin

  4. #4
    in memoriam Benutzerbild von Klaus E. Daniel
    Registriert seit
    17.05.2003
    Ort
    Deutschland: Breslau -Wiesbaden-Freudenstadt,Tel. 07441-83945,
    Beiträge
    1.897

    Standard

    Na, das Thema scheint ja wenig Anklang zu sinden. Es gehört doch ein wenig Fachwissen dazu, das hier nicht vorhanden ist.

    Schade um die Zeit.


    KED
    "Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne."
    (Kategorischer Imperativ)

    Kant

  5. #5
    GESPERRT
    Registriert seit
    13.09.2003
    Ort
    Göttingen
    Beiträge
    517

    Standard

    @KED

    Tja, was soll man dazu auch sagen? Wo Sie recht haben, haben Sie recht. Und Sie haben recht!

  6. #6
    Mitglied Benutzerbild von pavement
    Registriert seit
    15.09.2003
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    3.389

    Standard

    auf was wolltest du denn hinaus, k.e. daniel?
    Es ist ein hartes Wort und dennoch sag ichs, weil es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, das zerrißner wäre, wie die Deutschen. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Priester, aber keine Menschen, Herrn und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine Menschen - ist das nicht, wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt untereinander liegen, indessen das vergoßne Lebensblut im Sande zerrinnt?

    Friedrich Hölderlin

  7. #7
    in memoriam Benutzerbild von Klaus E. Daniel
    Registriert seit
    17.05.2003
    Ort
    Deutschland: Breslau -Wiesbaden-Freudenstadt,Tel. 07441-83945,
    Beiträge
    1.897

    Standard

    Original von pavement
    auf was wolltest du denn hinaus, k.e. daniel?
    __________________

    Ach pavement, daß hatte ich Ihnen wirklich zugetraut.

    Die SPD ist nicht mehr die. die sie unter Bebel und Lassalle gewesen war. Und wenn sie das nicht begreift, dann geht es ihr wie dem letzten gewählten Reichsklanzler Müller.


    KED
    "Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne."
    (Kategorischer Imperativ)

    Kant

  8. #8
    Mitglied Benutzerbild von pavement
    Registriert seit
    15.09.2003
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    3.389

    Standard

    Die SPD ist nicht mehr die. die sie unter Bebel und Lassalle gewesen war. Und wenn sie das nicht begreift, dann geht es ihr wie dem letzten gewählten Reichsklanzler Müller.
    also ich glaub, die spd hat schon begriffen, dass sie nicht mehr die spd eines august bebels und ferdinand lassalles ist.

    übrigens war lassale nie in der spd; lassale wurde 1864 bei einem duell tödlich verwundet. 1863 gründete er den allgemeinen deutschen arbeiter verein(adav), der sich 1875 in gotah mit den 1869 gegründeten eisenacher sozialdemokraten zur spd vereinigte.
    Es ist ein hartes Wort und dennoch sag ichs, weil es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, das zerrißner wäre, wie die Deutschen. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Priester, aber keine Menschen, Herrn und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine Menschen - ist das nicht, wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt untereinander liegen, indessen das vergoßne Lebensblut im Sande zerrinnt?

    Friedrich Hölderlin

  9. #9
    in memoriam Benutzerbild von Klaus E. Daniel
    Registriert seit
    17.05.2003
    Ort
    Deutschland: Breslau -Wiesbaden-Freudenstadt,Tel. 07441-83945,
    Beiträge
    1.897

    Standard

    ...übrigens war lassale nie in der spd; lassale wurde 1864 bei einem duell tödlich verwundet. 1863 gründete er den allgemeinen deutschen arbeiter verein(adav), der sich 1875 in gotah mit den 1869 gegründeten eisenacher sozialdemokraten zur spd vereinigte.....
    Das weiß ich doch nun wirklich. Bismarck hat sogar mit ihm (nicht mit Bebel) zusammenarbeiten wollen, steht in jeder einigermaßen anständigen Bibliothek - jedenfalls in meiner. Er gehört aber trotzdem zu den Mitgründern und die (seine ) Anhänger gingen nach dem blödsinnigen Duell (Wer war dran schud: eine Dame) zur SPD, die auch nicht das war, wie es sich später entwickelte.

    Jetzt noch zwei, dann habe ich genug.

    KED
    "Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne."
    (Kategorischer Imperativ)

    Kant

  10. #10
    GESPERRT
    Registriert seit
    13.09.2003
    Ort
    Göttingen
    Beiträge
    517

    Standard

    Original von Klaus E. Daniel
    [B]Allem Anschein nach steht den Sozialdemokraten Deutschlands nun abermals eine solche Häutung bevor. Außenstehenden mag die Agenda 2010, die nun nach und nach Gesetzesform annimmt, alles andere als radikal erscheinen, für die SPD ist sie mit einem tiefgreifenden Paradigmenwechsel verbunden: mit der Einsicht, daß sich die Sozialdemokratie zu Tode siegt, wenn sie sich einfach treu bleibt und ihren politischen Auftrag im immerwährenden Umverteilen von Volksvermögen sieht. Theoretisch scheint die Mehrheit für einen solchen Auftrag in der Demokratie zwar auf ewig gesichert, weil die Kleinverdiener den Großverdienern immer zahlenmäßig überlegen sind, mit dem Ergebnis der Umverteilung - weniger Wohlstand für alle - sind aber nur noch die wenigsten zufrieden.
    Dieser Absatz erweckt den Eindruck, als sei Umverteilung an sich das Problem und führe zu weniger Wohlstand für alle. Das stimmt m.E. nicht, es ist das Problem, daß die SPD heute eine knallharte Klientelpolitik betreibt, statt einer Politik für die Kleinverdiener. Für diese rechnet es sich heute einfach nicht, SPD zu wählen. Vielleicht wird sie auf diese Weise den Grundgedanken der Umverteilung, den ich weiterhin für richtig halte, auf lange Zeit diskreditieren.

+ Auf Thema antworten

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)

Nutzer die den Thread gelesen haben : 0

Du hast keine Berechtigung, um die Liste der Namen zu sehen.

Forumregeln

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •  
nach oben