Brasilien verzweifelt an seiner Industrie

Die Wirtschaft des südamerikanischen Landes schwächelt. Präsidentin Rousseff will ihr unter die Arme greifen und plant neue Subventionen - dabei hatten die bereits in der Vergangenheit nichts geholfen.

Mit einem neuen Subventionspaket will Präsidentin Dilma Rousseff die schwächelnde brasilianische Industrie unterstützen. Es sieht unter anderem Steuererleichterungen und verbilligte Kredite für arbeitsintensive Industriezweige vor, berichtete die Zeitung "Estado". Die Staatschefin will das Programm am Dienstag vorstellen. So werden voraussichtlich die Automobilbranche, Textil- und Schifffahrtsindustrie keine Sozialabgaben mehr zahlen müssen. Zudem soll ein bestehendes Programm günstiger Kredite für die Industrie (PSI) um knapp 8 Mrd. Euro auf 93 Mrd. Euro aufgestockt werden. Es wäre das vierte Mal seit der Einführung des PSI im Juli 2009, dass diese Kreditlinie ausgebaut wird.
Brasilien verzweifelt an seiner Industrie. Mit immer neuen Ad-hoc-Maßnahmen versucht Rousseff, den Trend umzukehren, dass inzwischen Rohstoffe die Hälfte der Exporte des Landes ausmachen und Industriegüter nur noch ein Drittel. Vor fünf Jahren war dies noch umgekehrt. Dem Land machen sein hoher Währungskurs zu schaffen, billige chinesische Importe sowie seine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der ausufernden Bürokratie und Steuerlast.

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"Wir werden nicht zulassen, dass wir unsere Industrie verlieren", sagte Brasiliens Finanzminister vor zwei Wochen der Financial Times, "Brasilien ist nicht nur ein Exporteur von Rohstoffen."
Mit einem Katalog an protektionistischen Maßnahmen hatte das Land zuletzt versucht, seine Industrie zu schützen. Im Januar wurden die Importzölle auf Autos um 30 Prozent erhöht. Um einen erneuten Anstieg des Real zu verhindern, wurden diesen Monat Kapitalkontrollen wiedereingeführt. Dabei ist der Real seit seinem Höchststand vor drei Jahren inzwischen wieder um 25 Prozent gesunken.
"Wir weigern uns, die wahren Probleme zu untersuchen", sagte am Montag der Unternehmer und ehemalige Industrieminister Luiz Fernando Furlan, "wir haben wettbewerbsfähige Industriezweige in Brasilien, aber die leiden an den hohen Steuern, der Bürokratie und der schlechten Logistik."
An Strukturreformen will sich die Präsidentin jedoch nicht heranwagen. "Ich bin mir vollends bewusst, dass Brasilien seine Steuerlast reduzieren muss", sagte sie am Wochenende. Aber: "Was ich mir vorgenommen habe, sind vereinzelte Maßnahmen."

Das neue Subventionspaket ist eine Ausweitung des Plan Brasil Maior (Größeres Brasilien), den Rousseff letztes Jahr als Leitlinie ihrer Wirtschaftspolitik verkündet hatte. Darin wurden vor allem dem IT-Sektor vergünstigte Kredite und Steuergeschenke in Aussicht gestellt. Weil jedoch gleichzeitig neue Steuern erhoben wurden, hielt sich der Effekt in Grenzen. Auch dieses Mal sollen die gestrichenen Sozialausgaben, die der Staat von den Unternehmen übernimmt, durch eine neue, im Vergleich dazu geringere Steuer auf den Unternehmensumsatz finanziert werden.
"Uns fehlt es an ,Fazimento‘ - die Dinge auch zu Ende zu bringen", klagte Ex-Minister Furlan.
So hatten Rousseff und ihr Vorgänger Lula da Silva verabschiedet als Teil des sogenannten Wachstumsbeschleunigungspakts. Eine Studie der Nichtregierungsorganisation Trata Brasil stellte am Montag fest, dass von den 2007 beschlossenen Bauvorhaben 60 Prozent noch nicht begonnen wurden oder unfertig seit Jahren stecken geblieben sind.
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