Kartellamt und Benzinpreise: Die Geschichte vom Osterhasen und den Tankstellenpreisen
Es ist schon verwunderlich, dass unser Kartellamt Jahrzehnte lang braucht, um das herauszufinden, was jeder Führerscheinneuling weiß: Die Tankstellenbesitzer schauen zur Nachbartankstelle und geben den Preis an die Zentrale weiter und die setzt dann den Kraftstoff-Preis an der Tanke fest. Etwas mehr Substanz hätte man sich vom Kartellamt schon gewünscht. Ähnlich ist es mit den seltsamen Regeln, dass angeblich zu Ostern oder Weihnachten oder sonntags bzw. zum Wochenende der Sprit teurer wird. Das ist eher die Geschichte vom Weihnachtsmann oder Osterhasen, die so entsteht, dass man fünf Tage sich was anschaut und dann am sechsten Tag glaubt, man hat die Welt verstanden. Oligopole lassen sich mit Preissenkungen Zeit Die Preisstruktur im Benzin- und Dieselmarkt ist schon etwas komplexer. Um die zu erklären – und dann auch zu prognostizieren – braucht man eine ökonomische Theorie, genauer gesagt, die Theorie über Oligopole, die das Preisverhalten in Oligopolen erklärt.
Oligopole sind fragile Konstrukte und Gleichgewichtssituationen kommen schnell aus dem Lot. Wenn ein Oligopolist den Preis senkt, um seinen Marktanteil zu erhöhen, um den Wettbewerber aus dem Markt zu drängen, reagiert der Wettbewerber in der Regel sofort. Der Erfolg ist damit eher negativ, denn der Oligopolist hat dann dazu beigetragen, dass sein Marktanteil gleich bleibt, aber sein Gewinn sinkt. Also verhält sich der Oligopolist eher vorsichtig und zettelt keinen Preiskrieg an. Bei Preiskriegen verlieren Oligopolisten. Genau deshalb haben wir ein asymmetrisches Preisverhalten im Benzin- und Dieselmarkt. Wenn die Kosten sinken, etwa weil der Rohölpreis sinkt, dauert es ein paar Tage länger, bis die Benzinpreise ebenfalls sinken. Man wartet auf den Nachbarn, und wenn der nichts am Preis dreht, bleibt man besser ruhig. Diese zähe Reaktion ist seit langem im Tankstellenmarkt beobachtbar.
Das hat nichts mit Freitag, Ostern oder Weihnachten zu tun, sondern mit dem Verhalten von Oligopolisten. Wer nur stur Preise beobachtet, bleibt damit auf dem Holzweg, wie etwa der ADAC, der schon neue ökonomische Gesetze am Verkünden ist. Gehen die Kosten hoch, reagieren die Oligopolisten sehr schnell. Würde er nicht reagieren, würde er ja versuchen, Marktanteile zu gewinnen und einen Preiskrieg einleiten, bei dem er auf jeden Fall verliert. Die Kosten müssen dabei nicht unbedingt aufgrund des Anstiegs der Rohölpreise steigen. Ein trockener Sommer mit Flüssen, auf denen Tankschiffe nur halb beladen werden können, oder ein kalter Winter mit zugefrorenen Flüssen wirken wie ein Steigen des Rohölpreises. Das gleiche gilt für den Euro-/Dollarkurs. Öl wird in Dollar fakturiert, also reagiert der Angebotspreis auf den Wechselkurs. Oder die Raffineriekapazität. Fragen die US-Amerikaner etwa mehr Benzin nach, dann schicken unsere Ölkonzerne Benzin nach USA. Da die Raffineriekapazität bei uns beschränkt ist und da nicht mehr produziert werden kann, steigt der Preis an unseren Zapfsäulen. Es gibt also eine ganze Reihe von Gründen, die nichts mit dem Osterhasen oder Weihnachtsmann zu tun haben. Die Tankstellenpreise mit dem Osterhasen zu verknüpfen ist eher niedlich.
Struktur der Ölkonzerne definiert Preisreaktionen. Alle Mineralölkonzerne unterscheiden in ihrem Geschäft zwischen Up-Stream- und Downstream-Aktivitäten. Up-Stream ist die Ölförderung.
Sobald der Ölpreis über 40 US-Dollar liegt wird mit dem Up-Stream-Geschäft fest Geld verdient. Up-Stream ist die eigentliche Gelddruckmaschine der Ölkonzerne. Das Spannende am Mineralölgeschäft ist also nicht die Tankstelle, sondern die Ölquelle und eventuell die Raffinerie.
Im
Downstream-Geschäft, also bei den Tankstellen, wird kaum Geld verdient. „Up-Stream“ verkauft Benzin an Downstream und
Downstream sitzt in der Kostenklemme. Deshalb können auch freie Tankstellen kaum das Preisgefüge beeinflussen. Die kaufen an den klassischen Raffinerien – eben vom Up-Stream-Arm des Mineralölkonzerns. Die Empfehlung des ADAC, sich auf mehr freie Tankstellen zu konzentrieren, geht also genauso am Markt vorbei wie die Geschichte mit dem Osterhasen und kann relativ wenig bewirken.
Im Downstream wird üblicherweise das Geld mit dem Schoko-Riegel an der Tanke verdient. Tanken haben keine gesetzlichen Ladenöffnungszeiten und daher einen Sonderstatus beim Shop-Geschäft, dem wahren Gewinnbringer beim Downstream.
Staat verdient am meisten Wenn man jetzt wirklich mal schaut, wo das meiste Geld von Liter Benzin hängen bleibt, ist man schnell beim Finanzminister. In Luxemburg verlangt der Finanzminister 0,462 Cent pro Liter Benzin, in Deutschland immerhin 0,655 Cent. Und auf das Ganze kommt dann nochmals die Mehrwertsteuer, die in Luxemburg 15 Prozent beträgt und bei uns 19 Prozent. Bei Beachtung der Mehrwertsteuer kostet damit der Liter Benzin in Luxemburg 25 Prozent weniger als in Deutschland. Schade, dass es hierfür kein Kartellamt gibt
(Autor: Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer)