Guten Morgen Leo Navis,


Du schreibst:
Rabenfeder: Wieso stellen wir uns höher als wir sind, wenn wir den freien Willen annehmen? ...

Weil wir glauben, etwas zu wissen, was wir gar nicht wissen können.

Wer sagt denn, dass der freie Wille sicher ist, bzw. dass wir ihn WISSEN können?
Der freie Wille ist lediglich ein wesentlich plausibleres Modell der Wirklichkeit als die Annahme der vollständigen Determiniertheit allen Seins, deren Erkenntnis uns ja prinzipiell unmöglich ist.
Der freie Wille ist immerhin möglich, die vollständige Determiniertheit nicht.


Rabenfeder: Die Theorie vom freien Willen resultiert aus der zwingenden Einsicht, dass wir zu keiner Zeit über unsere Perspektive hinaus erkennen können.

Und das muss gar nicht stimmen. Es könnte auch lediglich sein, dass Deine Perspektive Dir die Illusion gibt, dass Deine Perspektive die einzig mögliche sei.

Aber meine Perspektive ist doch die einzig mögliche FÜR MICH(!).
Ob dann meine Perspektive dann womöglich nur eine Illusion ist (aus einer anderen als meiner Perspektive), ist doch irrelevant, da ich niemals über eine andere verfügen werde.

Anders ausgedrückt: Wenn aus Deiner Perspektive meine Perspektive nur Illusion ist, bist Du dann Deiner Perspektive entkommen?
Bist Du dann aus den Kreisen Deiner Welt wahrhaftig ausgetreten, oder doch nur mit Deiner Perspektive von einem der vielen Kreise in einen anderen Kreis umgezogen?


Weswegen das hier:

Wir können also sicher sein, uns selbst niemals vollständig ergründen zu können.

Quatsch ist.

Eben nicht.
Es ist vielmehr Quatsch, von einer prinzipiell unergründbaren VOLLSTÄNDIGEN Determiniertheit auszugehen, also eine Theorie auf prinzipiell Unergründbarem zu gründen.
Das nenne ich auf Sand gebaut!


Du glaubst an Dinge, von denen wir keine Ahnung haben können. Du glaubst an Freien Willen; Du glaubst an Unergründbarkeit; Du glaubst an Perspektiven, die nicht verlassen werden können. Du glaubst vielerlei Dinge, für die Du gar keine Anhaltspunkte hast, außer scheinbarer Offensichtlichkeit.

Immerhin habe ich im Gegensatz zu Dir Anhaltspunkte, auch wenn diese aus Deiner Perspektive nur „scheinbar offensichtlich“ sind.

Da es uns unmöglich ist, jenseits dieses vermeintlichen „Scheins“ zu schauen, können wir das Wörtchen scheinbar doch wegkürzen und uns auf Offensichtlichkeit einigen, oder nicht?
Denn dass eine Offensichtlichkeit vorliegt, bestreitest Du ja nicht; Du nennst sie lediglich „scheinbar“.

Aus welcher Perspektive sind meine Anhaltspunkte denn eigentlich scheinbar?
Aus der Perspektive aller Perspektiven womöglich…?

Wer stellt sich hier höher?


Rabenfeder: Warum sollten wir also die Willensfreiheit negieren, wo doch gerade aus dieser Freiheit sowohl Verantwortungsgefühl als auch Bedeutung, ja eigentlich Sinn entspringt?

Urks. Die glücklichen Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit. Wenigstens, dass die Willensfreiheit Mumpitz ist könnten wir eventuell noch herausfinden.

Wer ist hier Sklave?
Derjenige, der die Willensfreiheit als brauchbares Modell der Wirklichkeit annimmt, oder jener, der sie leugnet, obwohl er dies niemals wirklich zeigen kann?


Rabenfeder: Dabei leugne ich ja durchaus nicht, dass wir nur unter Bedingungen und innerhalb allerlei Grenzen frei sind, aber frei können wir sein, wenn wir wollen!

Sorry, aber das ist Bullshit. Sobald etwas eingeschränkt ist, ist es nicht mehr frei. Ergo gibt es keinen freien Willen, wenn dieser 'freie' Willen nur unter Bedingungen und allerlei Grenzen stattfindet.

Absolut oder gar nicht; gar nicht, in diesem Fall.

Dieser Wahn, das Absolute besitzen zu wollen hat Dich fest im Griff, nicht wahr?
Mich dünkt, unter absoluter Freiheit verstehst Du vollständige Unfreiheit…

Selbstverständlich findet der freie Wille nur unter Bedingungen statt, was denn sonst?
Aber unter der Bedingung unseres Wahrnehmungsvermögens ist der freie Wille eine plausible Annahme.


Rabenfeder: Meines Erachtens macht es also keinen Sinn, grundsätzlich unfrei sein zu wollen(!), wo wir doch sicher sind, diese Unfreiheit niemals begründet annehmen zu können.

Bist Du Dir. Bin ich mir aber mal gar nicht. Einfach glauben, frei zu sein von den Naturgesetzen; das ist maßlos.

Wo nimmst Du diesen Unsinn her?
Wir sind nicht frei von Naturgesetzen, wir können diese nur niemals vollständig ergründen!
Wenn wir wollen, so können wir aber frei sein, die Naturgesetze, (soweit diese uns bekannt sind) zu nutzen.


In erster Linie erwartet uns die Tatsache (nach Deiner Weltauffassung), dass wir letzten Endes sowieso vergeblich streben. Warum dann überhaupt streben, frage ich.

Da spricht wieder der Absolutismus aus Dir.
Nur weil wir nicht vollständig determinierbar sind, ist doch nicht gleich alles Streben vergeblich.
Mann muss sich auch mal mit weniger als dem Absoluten bescheiden, Du maßloser Absolutist!



Freiheit ist nichts positives, wenn es sie überhaupt nicht gibt. Und wenn eine Verantwortlichkeit für Dinge postuliert wird, für die das Individuum gar keine Rechenschaft schuldig ist und keine Verantwortung übernehmen kann. Freiheit bedeutet, dass das Individuum Verantwortung übernehmen muss, sich selbst gegenüber, weil es anders hätte handeln können. Das zu akzeptieren mag Dir leicht fallen, für mich ist alleine der Gedanke völlig absurd, dass ich auch nur einen Moment meines Lebens anders hätte verbringen können.

Raucher sind schuldig an ihrem Lungenkrebs, Säufer an ihren kaputten Lebern und Depressive an ihren Depressionen; das ist es, was der freie Wille behauptet. Sie hätten ja einfach anders handeln können, als die Zeit da war. Ganz ehrlich? Fuck it. So etwas ist einfach nur Hohn. Du übersiehst, dass der freie Wille keineswegs nur positive Seiten hat, sondern ebenso seine Schattenseiten. Fette sind schuld an ihrem frühen Tod, weil sie so viel gefressen haben. Sie hätten's ja sein lassen können.

Freier Wille ist völlig zynisch und basiert wahrscheinlich lediglich darauf, dass wir noch allerlei Dinge nicht erklären können, scheint also lediglich weiterer Aberglaube zu sein. Es gibt Dinge, da bin ich extrem; dieses hier gehört dazu

Wir sind in manchen Dingen uns selbst , unseren Lieben, den Göttern, dem Staat, etc. Rechenschaft schuldig, in anderen Dingen nicht.
Hier scheiden zu können, macht vielleicht die eigentliche Kunst des Lebens aus, nach deren „Vervollkommnung“ unter Bedingungen wir streben können, wenn wir wollen.

Genügt Dir dieses sich bescheidende Streben nicht?
Willst Du mehr sein?
Frei von allen Bedingungen sein?
Absolut frei sein?
Und wenn dies schon nicht möglich ist, dann lieber absolut unfrei sein?
Hauptsache absolut?





Kraah!


Rabenfeder