Die Verbrechen der österreichisch-ungarischen Armee im Ersten Weltkrieg...
Hans Hautmann

Die Verbrechen der österreichisch-ungarischen Armee im Ersten Weltkrieg und ihre Nicht-Bewältigung nach 1918

Referat auf der 23. Jahrestagung der amerikanischen "German Studies Association" in Atlanta (7.-10. 10. 1999)



Um zu verdeutlichen, daß der Terminus "Verbrechen" im Titel meines Referats nicht von ungefähr kommt, nenne ich einige Fakten:

Im Sommer und Herbst 1914 wurden in Galizien an die 30.000 Ruthenen, darunter auch Frauen, exekutiert, wobei die große Mehrzahl der Erschießungen und Erhängungen nicht aufgrund eines Urteils in einem formellen feldgerichtlichen bzw. standgerichtlichen Verfahren erfolgte, sondern willkürlich, auf den bloßen Verdacht hin, für die Russen spioniert zu haben, an Ort und Stelle, unter Berufung auf die sogenannte "Kriegsnotwehr", die den Offizieren der kaiserlichen Armee das Recht gab, solche Tötungen anzuordnen.

Dasselbe mit einer geschätzten Opferzahl von ebenfalls 30.000 geschah gegenüber der serbischen Bevölkerung auf dem Balkankriegsschauplatz.

Nach dem Landesinneren wurden in Internierungslager Zehntausende "politisch Verdächtige" deportiert, Ruthenen, Serben und Italiener. Im Ruthenenlager Thalerhof bei Graz starb im Winter 1914/15 von den rund 7.000 Insassen ein Drittel an Flecktyphus.

Aus Welschtirol, dem Trentino, das bei Beginn des Krieges zwischen Österreich-Ungarn und Italien 386.000 Einwohner zählte, wurden 114.000 Italiener zwangsweise ausgesiedelt und in Lager nach dem Landesinneren verbracht.

Zehn Abgeordnete des österreichischen Reichsrats (sechs Tschechen, zwei Ruthenen, ein Slowene und ein Italiener), deren Immunität seit Kriegsbeginn aufgehoben war, standen wegen Hochverrats vor Militärgerichten und wurden zum Tode verurteilt. (Das Urteil wurde jedoch an keinem der Angeklagten vollstreckt, weil Kaiser Karl nach seiner Thronbesteigung einen anderen innenpolitischen Kurs einschlug und 1917 eine Amnestie für politische Straftäter verkündete.)

Mehrere Tausend Tschechen, Ruthenen, Serben, Slowenen, Italiener und Deutschösterreicher wurden von Militärtribunalen als Staatsfeinde zum Tode verurteilt und hingerichtet, wobei die Mehrzahl der Verfahren höchst fragwürdig war und dem glich, was man üblicherweise "Justizmord" nennt.

Daneben gab es Tausende Verurteilungen zu hohen Kerkerstrafen; Hunderte dieser Delin-quenten fanden in den Gefängnissen und in den beiden Militärstrafanstalten Theresienstadt und Möllersdorf, in denen entsetzliche Zustände herrschten, den Tod.

In den von der österreichisch-ungarischen Armee besetzten Gebieten Serbiens, Montenegros und Albaniens standen Geiselnahmen und Geiseltötungen auf der Tagesordnung.

Gigantisch hoch, in die Hunderttausende gehend, waren die feldgerichtlichen Verfahren gegen Soldaten der kaiserlichen Armee wegen Selbstbeschädigung, Feigheit vor dem Feind, Gehorsamsverweigerung und Meuterei. Kleinere Vergehen bestraften die Offiziere mit entwürdigenden körperlichen Züchtigungen, die im Ersten Weltkrieg nur mehr bei der k. u. k. Armee und nirgendwo anders gebräuchlich waren: Stockhiebe auf das Gesäß, "Anbinden" und "Schließen in Spangen".
III.

Diese Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden nach 1918 in Österreich nie wirklich aufgearbeitet und sind es bis heute nicht.

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