Mobbing
Ein Diener für die Hausaufgaben
Berlin -
Sie müssen die Schultaschen ihrer Mitschüler tragen, auch Sportbeutel und Bücher, sie erledigen Botengänge, besorgen Pausenbrote, Getränke und Zigaretten. Und wenn sie die Hausaufgaben ihrer Mitschüler nicht richtig erledigen, gibt es Prügel.
Nach Vorfällen von Deutschenfeindlichkeit, Gewaltvorfällen und Antisemitismus an Schulen in sozial schwierigen Gebieten der Stadt, wird nun ein weiteres Problem bekannt: Schüler lassen schwächere und jüngere Schüler für sich arbeiten und unterdrücken sie.
So jedenfalls schildert es der
Neuköllner Polizeihauptkommissar Christian Horn. Er berichtete beim Integrationsgipfel der Bundeskanzlerin am 3. November über seine Arbeit in der Polizeidirektion 5, zuständig für die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln.
Dort ist Horn mit 15 weiteren Mitarbeitern in der Arbeitsgruppe Integration und Migration (AGIM) beschäftigt, nachhaltige Prävention ist ihre Aufgabe. „Körperliche Gewalt, bis hin zur schweren und gefährlichen Körperverletzung, ganz zu schweigen von verbaler oder psychischer Gewalt, ist keine Seltenheit“, sagte Horn vor den etwa 120 Teilnehmern.
„Auch Erpressungen und Nötigungen sind an Schulen nahezu an der Tagesordnung; selbst Fälle regelrechter Versklavung von Mitschülern sind uns bekannt geworden.“ Diese Gewalt richte sich gegen Mitschüler ebenso wie gelegentlich gegen Lehrer und Lehrerinnen.
. . .
Schulen werden nicht genannt
Horns Vortrag ist nun länger als eine Woche her, doch in Berlin, so scheint es, will niemand offen über dieses Thema reden. Die Polizei gibt Horns Rede erst nach mehrmaligen Nachfragen heraus, der Polizeibeamte darf nicht mit der Presse reden. Lehrer, die Fälle von massiver Unterdrückung im Schulalltag erleben, wollen nicht zitiert werden, verschwiegen wird auch, um welche Schulen es sich handelt.
Lediglich Neuköllns
Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) bestätigt sofort, dass es ein „mit Repressionsandrohung erzwungenes Dienerverhalten von Minderheiten“ an Neuköllner Schulen gebe.
Mit dem Wort Versklavung will niemand die Zustände erklären. Auf Nachfrage bestätigt die Senatsschulverwaltung aber: „Es gibt Fälle, in denen Schüler andere Schüler erpressen oder ,Dienstleistungen’ abverlangen, beispielsweise Essen kaufen und andere Dinge.“ . . .
Doch Lehrern, Polizei und Mitarbeitern der Schulverwaltung ist auch klar: Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen, wenn es um Repressalien gegenüber Mitschülern geht. „Belastbares Datenmaterial zu erhalten, ist äußerst schwierig, da sich die Opfer meist nicht gegenüber Dritten öffnen oder Angst vor weiteren Repressionen haben“, sagt Beate Stoffers, Sprecherin der Senatsschulverwaltung. . . .