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Nikolaus von Kues (1401-1464) führte Eckhartsche Motive auf eine Weise weiter, an der kirchlicherseits nichts mehr zu beanstanden war. Er brachte es sogar bis zum Kardinal. Ihn interessierte weniger die Beweisbarkeit von Gottes Sein denn Gottes Seinsweise. Wenn Gott Gott ist, dann ist er derart anders als alles andere, dass er nicht einmal ein "Anderer" sein kann. Vielmehr ist er gerade das Nichtandere (non aliud) in allem. Gott ist auch nicht einfach der Größte, genauso wenig, wie er der Kleinste ist; und irgendetwas dazwischen ist er erst recht nicht. Vielmehr ist er das Ineinsfallen aller Gegensätze (coincidentia oppositorum). So kommt es zu einem Wissen über Gott, das wegen seines paradoxen Charakters zugleich ein Nichtwissen ist: docta ignorantia.
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Blaise Pascal, der Herzenslogiker
Blaise Pascal (1623-1662) war ein Gelehrter, der sich den Protestantismus auf eine katholische Art zu Herzen nahm. Er traute zwar dem Erkenntnisvermögen des Menschen eine Menge zu - er selbst erwarb auch als Mathematiker und Physiker Ruhm. Aber zur unbezweifelbaren Erkenntnis Gottes könne man auf diese Weise nie gelangen. Nur aus der Mitte der Person, aus dem Herzen heraus eröffne sich mit dem Weg zum guten Leben auch der zu Gott. So teilen sich "Kopf" und Herz die menschlich zu leistende Arbeit. Pascal möchte zwar nicht beweisen, wohl aber darauf wetten, dass im Zweifel der Gläubige besser fährt als der Ungläubige.
Friedrich Heinrich Jacobi, der Glaubensphilosoph
Die europäischen Aufklärer, Engländer und Franzosen vorneweg, waren alle mehr oder weniger auch Kritiker von Religion und Kirche. Wer diesem atheistischen Mainstream philosophisch widerstand, war schnell als "Gegenaufklärer" abgestempelt. So erging es in Deutschland Friedrich Heinrich Jacobi (1743-1819), als er sich mit den vor allem vernunft-gläubigen Geistesgrößen seiner Zeit anlegte. Seine Pascals Logik des Herzens verwandte Glaubensphilosophie hielt er bereits gegen Kant und noch gegen dessen "Enkel" Schelling wacker aufrecht.
Sören Kierkegaard, der Existenztheologe
Der dänische Protestant Sören Kierkegaard (1813-1855), der sich als Antipode der deutschen Idealisten sah, kann als erster Existenzphilosoph betrachtet werden; der entsprechenden Geistesströmung griff er um fast ein ganzes Jahrhundert vor. Nicht die allgemeinmenschliche Vernunft, sondern das einzelmenschliche Leben ist der Austragungsort aller Dialektik und nicht der methodische Zweifel, sondern die persönliche Verzweiflung, diese "Krankheit zum Tode", ist der Ernstfall. Bis in den Stil seines Schreibens hinein (Brief-, Tagebuchform, Pseudonyme) meidet Kierkegaard alles verallgemeinernd Lehrbuchhafte. Sein philosophisches Vorbild ist der Ironiker und den konkreten Menschen begegnende Sokrates. Und seine Kritik am Christentum ist eine Kritik von innen.
Edith Stein, die Kreuzeswissenschaftlerin
Die Jüdin Edith Stein (1891-1942) studierte Philosophie bei dem Phänomenologen Edmund Husserl, dessen Assistentin sie wurde, ehe Martin Heidegger ihr auf diesem Posten nachfolgte. Ihre philosophische Hochbegabung brachte sie in den beschaulichen Orden der Karmelitinnen ein. Er wurde in jeder Beziehung ihre Heimat, nachdem sie zum Christentum konvertiert war. Den großen Gründergestalten der Teresa von Ávila und des Johannes vom Kreuz folgend widmete sie sich in ihrer Kontemplation einer gedankentiefen "Kreuzeswissenschaft". Das Kreuz, das sie selber als rassistisch Verfolgte im Machtbereich der Nazis zu tragen hatte, führte sie aus dem zuletzt holländischen Kloster heraus direkt in das KZ Auschwitz. Der polnische Papst Johannes Paul II. hat die Frau mit dem geistlichen Namen Teresia Benedicta a Cruce 1998 heiliggesprochen und ein Jahr später zur Patronin Europas erklärt.