AW: Schöne deutsche Gedichte
Bleibe treu
Deiner Sprache, deiner Sitte, deinen Toten bleibe treu! |
Steh in deines Volkes Mitte, was dein Schicksal immer sei! |
Wie die Not auch dräng und zwinge, hier ist Kraft sie zu bestehen, |
trittst du aus dem heilgen Ringe, wirst du ehrlos untergehn. |
Bleibe treu, bleibe treu! |
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Wie die Welt auch um dich werbe, deine Brüder lasse nicht, |
deiner Väter treues Erbe zu behüten sei dir Pflicht. |
Gleich der Welle in dem Strome füge in dein Volk dich ein, |
stürzen kann die Mauer im Dome, wenn sich losgelöst der Stein. |
Bleibe treu, bleibe treu! |
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Wahre deines Volkes Ehre, nie sei dir sein Name feil, |
stehe fest in seiner Wehre, fühle dich als seinen Teil. |
In des Lebens Leid und Wonne bleibe treu auf guter Wacht, |
lieb dein Volk im Glanz der Sonne, in des Sturmes dunkler Nacht. |
Bleibe treu, bleibe treu!
Michael Albert
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AW: Schöne deutsche Gedichte
Deine Seele ist ein Vogel
Deine Seele ist ein Vogel,
stutze ihm die Flügel nicht,
denn er will sich doch erheben
aus der Nacht ins Morgenlicht.
Deine Seele ist ein Vogel,
stopf nicht alles in ihn rein.
Er wird zahm und satt und träge,
stirbt den Tod am Brot allein.
Deine Seele ist ein Vogel,
schütze ihn nicht vor dem Wind.
Erst im Sturm kann er dir zeigen,
wie stark seine Flügel sind.
Deine Seele ist ein Vogel,
und er trägt in sich ein Ziel.
Doch wird er zu oft geblendet,
weiß er nicht mehr,was er will.
Deine Seele ist ein Vogel.
Hörst du ihn vor Sehnsucht schrein,
darfst den Schrei du nicht ersticken,
bleibt er stumm,wirst du zu Stein.
Deine Seele ist ein Vogel,
stutze ihm die Flügel nicht,
denn er will sich doch erheben
aus der Nacht ins Morgenlicht.
Gerhard Schöne
AW: Schöne deutsche Gedichte
Weihnachten auf dem Friedhof
von Michael Albert
Wenn tief im Tal erloschen sind
am Weihnachtsbaum die Kerzen
und noch im Traum so manchem Kind
die Freude pocht im Herzen:
Dann tönt voll Ernst, dann tönt voll Macht
vom Berg die Glocke droben,
um in der stillen, heiligen Nacht
den Herrn, den Herrn zu loben.
Sie braust ihr Lied so voll, so tief
auf hoher Friedensstätte,
wo schon so lang, so lange schlief
manch´ Herz im Hügelbette;
Sie braust ihr Lied den Toten dort
in weiter, weiter Runde:
"Auch oben an dem stillen Ort
ist´s Weihnacht", tönt die Kunde.
Ach Weihnacht, Weihnacht ! -
wer ein Kind, ein liebes, dort begraben,
trug Tannenäste, treu gesinnt,
ihm als Erinnerungsgaben.
Er legte sie bei Tage sacht
aufs Bett ihm als Geschenke,
zu zeigen, das er sein gedacht
und seiner fort gedenke.
Und wessen Vater droben ruht,
gedeckt von Schnee und Eise,
und wer die Gattin, lieb und gut
vermist in seinem Kreise:
In ruft der Glocke Weiheklang
ins Reich der Stillen oben;
er fühlt auch seiner Liebe Drang
in ihren Klang verwoben
AW: Schöne deutsche Gedichte
Blühende Landschaften
Auf dem blauen Industriegebäudedach,
sitzt ein Rabe und macht krach.
Einst waren viele Menschen dort,
doch Konjunktur nahm sie mit fort.
Blühende Landschaften nehmen jetzt überhand,
seit der Investor mit der Kohle verschwand.
Jörg Schwedler
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Das Wassertröpflein
Tröpflein muß zur Erde fallen,
muß das zarte Blümchen netzen,
muß mit Quellen weiter wallen,
muß das Fischlein auch ergötzen,
muß im Bach die Mühle schlagen,
muß im Strom die Schiffe tragen.
Und wo wären denn die Meere,
wenn nicht erst das Tröpflein wäre.
Johann Wolfgang von Goethe, 1749 - 1832
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Der Szekler Landtag
Adelbert von Chamisso
Ich will mich für das Faktum nicht verbürgen,
Ich trag' es vor, wie ich's geschrieben fand;
Schlagt die Geschichte nach von Siebenbürgen.
Als einst der Sichel reif der Weizen stand
In der Gespannschaft Szekl, kam ein Regen,
Wovor des Landmanns schönste Hoffnung schwand.
Es wollte nicht der böse West sich legen,
Es regnete der Regen alle Tage,
Und auf dem Feld verdarb des Gottessegen.
Erhört des Volkes laut erhob'ne Klage,
Gefiel es, einen Landtag auszuschreiben,
Um Rat zu halten über diese Plage.
Die Landesboten ließen sich nicht treiben,
Sie kamen gern, entschlossen gut zu tagen
Und Satzungen und Bräuchen treu zu bleiben.
Da wurde denn, nach bräuchlichen Gelagen,
Der Tag eröffnet, und mit Ernst und Kraft
Der Fall vom Landesmarschall vorgetragen:
"Und nun hochmögende Genossenschaft,
Weiß Einer Rat? Wer ist es, der zur Stunde
Die Ernte trocken in die Scheune schafft?"
Es herrschte tiefes Schweigen in der Runde;
Doch nahm zuletzt das Wort ein würd'ger Greise
Und sprach gewichtig mit beredtem Munde:
"Der Fall ist ernst, mit nichten wär' es weise,
Mit übereiltem Ratschluß einzugreifen;
Wir handeln nicht unüberlegter Weise.
Drum ist mein Antrag, ohne weit zu schweifen,
Laßt uns auf nächsten Samstag uns vertagen;
Die Zeit bringt Rat, sie wird die Sache reifen."
Beschlossen ward, worauf er angetragen.
Die Frist verstrich bei ew'gen Regenschauern,
Hinbrüten drauf und bräuchlichen Gelagen;
Der Samstag kam und sah dieselben Mauern
Umfassen noch des Landes Rat und Hort,
Und sah den leid'gen Regen ewig dauern.
Der Landesmarschall sprach ein ernstes Wort:
"Hochmögende, nun tut nach eurer Pflicht,
Ihr seht, der Regen regnet ewig fort.
Wer ist es, der das Wort der Weisheit spricht?
Wer bringt in unsres Sinnes düstre Nacht
Das lang erwartete, begehrte Licht?
Zur Tat! Ihr habt erwogen und bedacht.
Ich wende mich zuerst an diesen Alten,
Dess' Scharfsinn einmal schon uns Trost gebracht:
Ehrwürd'ger Greis, laß deine Weisheit walten!"
Der stand und sprach:"Ich bin ein alter Mann,
Ich will euch meinen Rat nicht vorenthalten:
Wir sehn es vierzehn Tage noch mit an,
Und hat der Regen dann nicht aufgehört,
Gut! regn' es dann, so lang' es will und kann."
Er schwieg, es schwiegen, die das Wort gehört,
Noch eine Weile staunend, dann erscholl
Des Beifalls Jubel-Nachklang ungestört.
Einstimmig ward der Ratbeschluß angenommen,
Der nun Gesetzeskraft behalten soll. -
So schloß ein Szekler Landtag, der zum Frommen
Des Landes Weiseres vielleicht geraten,
Als mancher, dessen Preis auf uns gekommen.
So wie die Väter, stolz auf ihre Taten,
Nach bräuchlichen Gelagen heimgekehrt,
Erschien die Sonne, trockneten die Saaten,
Und schwankten heim die Wagen goldbeschwert
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Siebenbürgische Elegie
Anders rauschen die Brunnen, anders rinnt hier die Zeit.
Früh faßt den staunenden Knaben Schauder der Ewigkeit.
Wohlvermauert in Grüften modert der Väter Gebein,
Zögernd nur schlagen die Uhren, zögernd bröckelt der Stein.
Siehst du das Wappen am Tore? Längst verwelkte die Hand.
Völker kamen und gingen, selbst ihr Namen entschwand.
Aber der fromme Bauer sät in den Totenschrein,
Schneidet aus ihm sein Korn, keltert aus ihm seinen Wein.
Anders schmeckt hier der Märzenwind, anders der Duft von Heu,
Anders klingt hier das Wort von Liebe und ewiger Treu.
Roter Mond, vieler Nächte einzig geliebter Freund,
Bleichte die Stirne dem Jüngling, die der Mittag gebräunt,
Reifte ihn wie der gewaltige Tod mit betäubendem Ruch,
Wie in grünlichem Dämmer Eichbaum mit weisem Spruch.
Ehern, wie die Gestirne, zogen die Jahre herauf,
Ach, schon ist es September. Langsam neigt sich ihr Lauf.
Adolf Meschendörfer, 1927
Kronstadt, * 8.5.1877, † 4.7.1963
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Die Repser Burg von Michael Albert
Aus Gartengrün und Ährengarben
in hoher,trotziger Gestalt
erhebt der Berg,gefurcht mit Narben,
die Felsenstirne von Basalt.
Drauf ruht,dereinst dem Feind zum Hohne,
und blickt ins Land so kühn,so weit
die turmgeschmückte Mauerkrone,
Burgtrümmer aus vergang‘ner Zeit.
Es liegt ein traurig tiefes Schweigen
hier ums verwitterte Gestein;
nur dunkle Wolkenschatten steigen
hoch über Wall und Turm herein.
Wie Geister aus den Heldentagen
ziehn riesengroß sie ein und aus,
wo pfeilgetroffen,schwertgeschlagen,
der Feind gestürzt im Sturmgebraus.
Jetzt tobt hier um die Felsenspitzen
der Wind nur statt der lauten Schlacht
und jagt aus tiefen Mauerritzen
den flücht‘gen Vogel in die Nacht.
O Felsenburg, mit ernstem Mahnen
zeigst du in die Vergangenheit,
ein Grabesdenkmal unsrer Ahnen-
doch sei kein Bild der künft‘gen Zeit!
Weh,wenn wir diesen Mauern gleichen,
so trüb erhellt vom Abendschein,
ein öder Bau voll Trümmerleichen,
ein still zerfallendes Gestein!
Dann steig aus deiner Felsenhalle,
o Burggeist,auf in wildem Zorn,
und stoße du zu weitem Schalle
den Weckruf in dein Geisterhorn:
Daß denen,die im Tale schlafen,
Entsetzen das Gebein erfüllt.
Dann zeige du, das Volk zu strafen,
in seinen Burgen ihm sein Bild!
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Der Birnenbaum
von Michael Albert
Von einem alten Birnenbaum
berichtet uns die Sage
er steht allein in Feldes Raum
ein Denkbild alter Tage.
Ihn pflanzten unsere Väter noch
wie sie ins Land gezogen
dann war der Baum so stark und hoch
der Wipfel breit gebogen.
Berührte Ihn des Lenzes Hauch
hat er sein Laub getrieben
und kam der Herbst so ist er auch
nie ohne Frucht geblieben.
Und seine Frucht war süß und gut
so alt der Baum geworden
so oft ihn auch des Sturmes Wut
berauscht von Süd und Norden.
Sie haben oft den Feuer´s Brand
an seinen Stamm gehalten
sie nahmen oft die Axt zur Hand
den Baum entzwei zu spalten.
Umsonst! Er stand doch frisch belaubt
beschattete die Heide
und wenn sie seine Frucht geraubt
trug andere er mit Freuden.
Ob mancher Zweig noch heut verdirbt
er treibt stets neue Glieder
Für wen der Baum von innen stirbt
dann grünt er nimmer wieder.
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